Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Korintherbrief

Der erste Brief des Paulus an die Korinther

1 Kor 14,6-19

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Kor 14,6-19

 

 

Übersetzung

 

1 Kor 14,6-19: 6 Nun aber, Geschwister, wenn ich zu euch komme und in Zungen rede, was werde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch rede in [Form einer] Offenbarung oder Erkenntnis oder Prophetie oder Lehre? 7 Gleichermaßen die unbeseelten Dinge, die einen Laut von sich geben, Flöte oder Zither: Wenn sie bei den Tönen keinen Unterschied machen, wie wird man da erkennen, was auf der Flöte geblasen oder auf der Zither gespielt wird? 8 Denn auch wenn [die] Trompete einen undeutlichen Ton von sich gibt, wer wird sich dann zum Kampf rüsten? 9 So verhält es sich auch mit euch: Wenn ihr durch die Zunge kein verständliches Wort hervorbringt, wie soll man verstehen, was geredet wird? Ihr werdet nämlich in [den] Wind reden. 10 Es gibt wer weiß wie viele Sprachen, und nichts ist ohne Sprache. 11 Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, werde ich für den Redenden ein Fremder sein, und der Redende für mich ein Fremder. 12 So verhält es sich auch mit euch: Da ihr ja eifrig nach Geistesgaben strebt, sucht, dass ihr [sie] zur Erbauung der Gemeinde in Fülle erlangt. 13 Deshalb soll derjenige, der in Zungen redet, beten, dass er [auch] auslegen kann. 14 Denn wenn ich in Zungen bete, so betet mein Geist, mein Verstand aber ist unfruchtbar. 15 Was folgt nun daraus? Ich werde mit dem Geist beten, ich werde aber auch mit dem Verstand beten; ich werde mit dem Geist lobsingen, ich werde aber auch mit dem Verstand lobsingen. 16 Denn wenn du [nur] mit [dem] Geist lobpreist, wie soll dann derjenige, der die Stelle des Laien einnimmt, das Amen auf dein Dankgebet sprechen, da er ja nicht versteht, was du redest?! 17 Du (nämlich) magst zwar gut Dank sagen, der andere jedoch wird nicht erbaut. 18 Ich danke (dem) Gott; mehr als ihr alle rede ich in Zungen. 19 Aber in der Gemeinde will ich [lieber] fünf Worte mit meinem Verstand reden - damit ich auch andere unterweise - als zehntausend Worte in Zungen.

 

 

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V. 6

 

Beobachtungen: Paulus konkretisiert das in den vorhergehenden Versen Gesagte mittels einer fiktiven Situation seines missionarischen Wirkens: Paulus stattet der korinthischen Gemeinde einen Besuch ab. Nun hängt der Nutzen des Besuches aber davon ab, dass das Geäußerte verständlich ist. Für Zungenrede braucht Paulus nicht nach Korinth zu reisen, weil die Korinther sie wahrscheinlich nicht verstehen und die Gemeinde somit nicht erbaut wird - erbaut würde allein Paulus.

 

"Geschwister“ meint hier nicht leibliche Geschwister, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.

 

Paulus zählt einige Arten verständlicher geistgewirkter Rede auf. Es handelt sich sicherlich nicht nur um Äußerungen der Gnadengabe der Prophetie, denn die Prophetie steht neben den anderen Äußerungen. Paulus stellt folglich nicht mehr allein die Prophetie der Zungenrede gegenüber, sondern (implizit und explizit) auch andere Gnadengaben. Wesentlich ist die Gegenüberstellung von unverständlicher geistgewirkter Rede und verständlicher. Nur letztere vermag es, die Gemeinde zu erbauen (vgl. 14,1-5).

Wie das Verhältnis der verständlichen geistgewirkten Arten der Rede zueinander ist, bleibt unklar. Die "Offenbarung“ ist vermutlich keine Gnadengabe an sich, sondern Offenbarungen liegen Geistesgaben wie der Prophetie zugrunde. Sie offenbaren göttliche Geheimnisse und Anweisungen. Die "Erkenntnis“, d. h. die Erkenntnisrede, erscheint in 12,8 als Gnadengabe. Auch sie wäre folglich wie die Prophetie zu den durch Verständlichkeit ausgezeichneten "höheren Gnadengaben“ (vgl. 12,31a) zu zählen. Eine "Lehre“ wiederum kann nicht ohne Erkenntnis erfolgen. Sie scheint also eng mit Gnadengaben wie der Erkenntnisrede und auch der Weisheitsrede (vgl. 2,13) verbunden zu sein, ohne dass sie in 12,8-10 als eigene Gnadengabe aufgeführt wird.

 

Weiterführende Literatur: G. Theißen 1983, 271-340 beschreibt den wichtigsten Text zur Zungenrede (1 Kor 14) zunächst in seiner Struktur. In einem zweiten Teil werden Traditionen und historische Analogien zur Zungenrede erörtert. Zuletzt wird das Phänomen der Zungenrede religionspsychologisch von drei Ansätzen her (lerntheoretische Aspekte, psychodynamische Aspekte, kognitive Aspekte) analysiert. Dabei wird auch Röm 8,18-30 als eine spezifisch paulinische Interpretation pneumatischen Sprechens herangezogen.

 

J. W. MacGorman 1983, 389-400 beschreibt zunächst das Wesen der Glossolalie − oder: Zungenrede − und ihren entarteten Gebrauch in Korinth. Dann legt er dar, auf welche Art und Weise Paulus mit dem in 12,1-14,40 thematisierten Problem des entarteten Gebrauchs umgeht.

 

D. B. Martin 1991, 547-589 vergleicht zunächst die Zungenrede, wie sie in der korinthischen Gemeinde praktiziert wurde, mit vergleichbaren esoterischen Sprachhandlungen, wie sie sich in anderen Gesellschaften und Kulturen beobachten lassen. Dann befasst er sich mit der Zungenrede unter dem Gesichtspunkt von Statusfragen. Die Zungenrede teile die Gemeinde in Gruppen von verschiedenem Status. Dabei sähen sich die Zungenredner selbst als Angehörige der höheren Gesellschaftsschichten an. Angesichts dieser Tatsache stelle sich auch Paulus als Zungenredner von angesehenem Status dar, mache jedoch zugleich deutlich, dass er zugunsten der Gemeindeglieder von niedrigerem Ansehen auf seine eigenen Interessen verzichte. Paulus fordere eine Neubewertung der zu hoch geschätzten Zungenrede, die den weniger angesehenen Gemeindegliedern und der Gemeinde in ihrer Gesamtheit zugute komme.

Ausführlich auf die verschiedenen Aspekte der Zungenrede und auf die Pfingstbewegung geht C. G. Williams 1981 ein.

 

T. Callan 1985, 125-140 befasst sich mit der Prophetie in der griechisch-römischen Religion und im Ersten Korintherbrief. Ergebnis: Paulus sei in einer ähnlichen Situation wie Philo von Alexandrien. Er werde mit einer Gemeinde konfrontiert, die nicht zwischen Zungenrede und Prophetie unterscheidet und davon ausgeht, dass Prophetie von Trance begleitet werde. Im Gegensatz dazu unterscheide Paulus beides sehr wohl. Er definiere Prophetie als etwas, was − anders als die Zungenrede - nicht von Trance begleitet wird. Er tue dies aufgrund seiner Treue zum AT und auch, weil es ihm erlaube, verstehbare inspirierte Rede zu fördern, die die Gemeinde erbaut.

 

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V. 7

 

Beobachtungen: Paulus verdeutlicht die Notwendigkeit der Verständlichkeit am Beispiel der Laute von Musikinstrumenten, welche im Gegensatz zu Lebewesen als "unbeseelt“ bezeichnet werden. Musikinstrumente sind zwar leblose Materie, bringen aber dennoch Laute hervor, die zu einem Vergleich taugen.

 

Paulus nennt zwei Musikinstrumente: aulos und kithara. Erstere ist eine Flöte, also ein Blasinstrument, letztere eine Zither (Laute), also ein Saiteninstrument. Beide Instrumente waren in der Antike verbreitet und dürften den Korinthern vertraut gewesen sein.

 

Paulus geht davon aus, dass das Spiel auf diesen Instrumenten nur Sinn macht, wenn die Melodie erkennbar ist. Wenn Flöte und Zither nicht gestimmt und die Töne daher unklar und kaum unterscheidbar sind, dann gibt es ein nicht identifizierbares Tongewirr, das dem unverständlichen Zungenreden gleicht.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 8

 

Beobachtungen: Nun nennt Paulus ein weiteres Blasinstrument, und zwar die Trompete/Posaune (salpinx). Sie erscheint als Signalinstrument, das das Signal zur Vorbereitung auf den Kampf gibt. Ein solches Signal muss klar sein. Nur klare Töne werden als Aufforderung zur Vorbereitung auf den Kampf verstanden. Verunglückte Töne werden entweder nicht gehört oder nicht als Signal interpretiert. V. 7-8 machen also auf zwei Aspekte verständlicher "Sprache“ aus dem Bereich der Musik aufmerksam: Erstens müssen die Töne stimmen und klar voneinander unterschieden sein, zweitens müssen die Töne klar und deutlich vernehmbar sein. Nur dann wird die Melodie erkannt und verstanden und kann auch als Signal für richtiges Verhalten dienen.

Wie die salpinx aussah und aus welchem Material sie hergestellt wurde, lässt sich aus dem Bibeltext nicht erschließen. Da es beide Instrumente mit dem heutigen Aussehen und in der heutigen Art in der Antike noch nicht gab, kann das Blasinstrument sowohl mit "Trompete“ als auch mit "Posaune“ übersetzt werden. Vom Blickpunkt der Instrumentalgeschichte ist die Übersetzung "Trompete“ vorzuziehen.

 

Weiterführende Literatur: Ausführlich befasst sich mit Aussehen, Funktion und Spielweise der "salpinx“ ("Trompete“) N. Xanthoulis 2006, 39-45: Bei der "salpinx“ habe es sich um eine Vorgängerin der heutigen Trompete gehandelt. Sie habe aus einem Mundstück und einem etwa 1,5 Meter langen Rohr, das in einen Schalltrichter auslief, bestanden. Als Material sei für das Rohr und den Schalltrichter Metall - Kupfer und/oder Eisen, desweiteren auch Bronze - und für das Mundstück Knochen verwendet worden. Die "salpinx“ sei insbesondere ein militärisches Signalinstrument gewesen, habe darüber hinaus auch bei religiösen Zeremonien oder in der Unterhaltung Verwendung gefunden. Das Spiel der "salpinx“ sei auch olympischer Wettkampf gewesen.

Zur "salpinx“ äußert sich auch knapp W. Radl 1980, 142-144, der anmerkt, dass der Begriff in der Septuaginta auch das Horn bezeichne. Die Gottestrompete sei etwas anderes als menschliche Trompeten und töne auch anders.

Zur idumäischen Jagd- und Trauermusik und zu den judäischen Tempeltrompeten in hellenistisch-römischer Zeit siehe J. Braun 1999, 148-153.203-205, der insbesondere auf archäologische Funde eingeht.

 

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V. 9

 

Beobachtungen: Vom Vergleich mit den Musikinstrumenten kehrt Paulus nun wieder zu den Adressaten zurück. Dabei erscheint die Zunge als ein "Musikinstrument“, das sowohl verständliche als auch unverständliche Laute hervorbringen kann - ganz wie die Flöte, Zither oder Trompete/Posaune. Für die Gemeinde von Nutzen sind nur die verständlichen. Die unverständlichen sind "in den Wind“ geredet, vergehen also, ohne dass die Gemeinde etwas davon hat.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 10

 

Beobachtungen: Das Wissen, dass es wer weiß wie viele Sprachen gibt, zeigt, dass Paulus mit der weiten Welt in Berührung gekommen ist und er voraussetzt, dass es auch die Korinther sind. Paulus ist weit herumgekommen und wurde dabei mit den verschiedensten Sprachen konfrontiert. Die Korinther sind zum Teil sicherlich auch gereist, aber auch in ihrer Heimatstadt - über das Lateinische und Griechische hinausgehend - mit verschiedenen Sprachen in Kontakt gekommen. Die Handelsstadt Korinth liegt nämlich genau zwischen zwei Häfen: am Golf von Korinth liegt Lechaion, am Saronischen Golf zur Ägäis hin Kenchreä. Über diese beiden Häfen und auch über den Landweg kommen Reisende und Händler aus aller Welt nach Korinth und konfrontieren dessen Bewohner mit den verschiedensten Sprachen.

 

Wenn Paulus sagt, dass "nichts ohne Sprache“ ist, so hat er die menschlichen Sprachen der verschiedenen Länder im Blick. Jedes Land und jede Region der Erde spricht eine bestimmte Sprache, so dass sich die Vielzahl der Sprachen erklärt.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 11

 

Beobachtungen: Auf die Vielzahl der Sprachen weist Paulus hin, weil damit auch die Erfahrung zusammenhängt, nicht zu verstehen und/oder verstanden zu werden. Mit dem Unverständnis ist wiederum die Fremdheit verbunden. Wer sich nicht versteht, ist und bleibt sich fremd. Die Sprache klingt wie unidentifizierbares "bar, bar, bar“. Entsprechend wird der Fremde im Griechischen als "barbaros“, als "Barbar“, bezeichnet.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 12

 

Beobachtungen: Erneut bezieht Paulus das Gesagte auf die Adressaten. Er heißt das Streben der korinthischen Gemeindeglieder nach Geistesgaben (pneumata) gut und sie sollen diese auch in Fülle erlangen. Aber, und das ist die Bedingung, sie sollen der Gemeinde zur Erbauung dienen. Das bedeutet, dass alle geistgewirkte Rede für die Gemeinde verständlich sein sollte - und sei es, dass sie wie die Zungenrede für die Gemeinde ausgelegt werden muss. Ansonsten ist auch die geistgewirkte Rede wie das "bar, bar, bar“ der "Barbaren“ und bleibt der Gemeinde fremd und nutzlos.

 

Weiterführende Literatur: Mit dem paulinischen Wortfeld oikodomê ("Erbauung“) und oikodomein ("erbauen“) in 1 Kor 14,1-19 befasst sich I. Kitzberger 1986, 98-110.

 

Gemäß U. Heckel 1992, 117-138 bestehe zwischen der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit der charismatischen Bewegung und der paulinischen Erörterung der Geistesgaben eine besondere Nähe. Sie ergebe sich nicht nur durch eine gewisse Ähnlichkeit der Phänomene, sondern komme in verstärktem Ausmaß durch das Problem zustande, dass die Existenz besonderer Charismen den Zusammenhalt innerhalb der Gemeinden auf die Probe gestellt und einzelne Gruppierungen sich schon abgespalten haben. Deshalb gehe es für Paulus wie für uns nicht nur um eine theologische Bewertung dieser Erscheinungen, sondern auch um den praktischen Umgang mit diesen Parteiungen. Hinsichtlich des letzteren Aspekts ergebe sich ein differenziertes Bild: Einerseits bewerte Paulus die Gnadengaben, die zum Gemeindeaufbau beitrügen, positiv, andererseits wende er sich aber gegen das Überlegenheitsgefühl der Charismatiker. Der Wert einer Gnadengabe sei am Nutzen für den Zusammenhalt und die Erbauung der Gemeinde zu messen.

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Die Zungenrede soll zwar nach Möglichkeit ausgelegt werden, doch ergibt sich das Problem, dass nicht immer jemand in der Gemeindeversammlung zur Auslegung in der Lage ist. Damit die Zungenrede nicht sowohl für den Redner als auch für die Zuhörer unverständlich ist und für die Gemeinde nutzlos ist, hilft nur eines: Der Zungenredner soll beten, dass er selbst in der Lage ist, seine Zungenrede auch auszulegen.

 

Weiterführende Literatur: H. Weder 1983, 99-112 befasst sich mit der Frage: Was gibt der paulinische Text (1 Kor 12.14) zu verstehen im Blick auf das hermeneutische Problem? Zur Gestalt der "Deutung/Übersetzung“ (hermêneia) hält er fest: Sie verleihe dem sprachlosen Zungenreden Sprache und mache es insofern verständlich; sie mache das Geistphänomen dem Verstand zugänglich, damit dieser seine Früchte bringen kann; schließlich verwandele sie religiöse Erfahrung und wohl auch religiöse Sprache in ein Wort, das den Außenstehenden in seinem Innersten betrifft. Zur Bedeutung der "Deutung/Übersetzung“ hält er fest: Sie sei eine Gnadengabe und insofern dem Kriterium des Gebers unterstellt. Sie überwinde die Verhältnislosigkeit zwischen Mensch und Mensch. Sie kümmere sich um den "Laien“ (idiôtês) und den Unglaubenden, indem sie ihnen Zugang zur Gottesgegenwart verschafft. Schließlich diene sie der Auferbauung der Gemeinde, indem sie die Gemeinde auf die Spur der Liebe bringt. Im Hinblick auf die Übersetzung der Zungenrede nehme Paulus Abschied von der Unwiderstehlichkeit wortloser Götzen, um sich hinzuwenden zur Widerstehlichkeit des göttlichen Wortes.

 

Gemäß G. D. Fee 1997, 24-37 lehne Paulus die Zungenrede nicht ab, sondern schätze sie als Geistesgabe. Allerdings müsse sie ausgelegt werden.

 

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V. 14

 

Beobachtungen: Was Paulus nun von sich sagt, gilt stellvertretend für alle Christen, die in der Lage sind, in Zungen zu reden.

 

Er bezeichnet das Reden in Zungen als Beten. Dieses Gebet ist jedoch von anderem dadurch unterschieden, dass es nur mit dem Geist und nicht mit dem Verstand geschieht. Paulus erörtert nicht, was er mit dem "Geist“ genau meint. Der griechische Begriff ist derjenige, mit dem auch der heilige Geist bezeichnet wird: pneuma. Gemäß 1 Kor 12,10 ist Zungenrede eine geistgewirkte Gnadengabe. Es ist der heilige Geist, der wirkt. Wenn Paulus von "meinem Geist“ spricht, so bedeutet dies nicht, dass er den (heiligen) Geist besitzt, sondern dass dieser ihm eingegeben ist und wirkt. Paulus hat - wie andere Christen auch - Anteil am Wirken des heiligen Geistes. Aber kann tatsächlich der heilige Geist beten? Möglich ist auch, dass es der menschliche Geist, der Geist des Menschen Paulus, ist, der betet. Dabei ist daran zu denken, dass dieser bei dem Gebet in irgendeiner Form mit dem heiligen Geist in Verbindung steht, vielleicht von diesem gelenkt wird.

 

Wenn der Geist die Zungenrede bewirkt, so ist der Verstand zunächst nicht tätig. Daher bleibt die Zungenrede sowohl für den in Zungen Betenden als auch für die zuhörende Gemeinde unverständlich. Der Verstand bringt also keine "Frucht“, d. h. Verstehen und vielleicht auch daraus resultierendes Handeln, hervor. Erst die Gnadengabe des Auslegens bewirkt das Verstehen (vgl. V. 13) und bezieht folglich den Verstand mit ein.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Paulus zieht nun die Schlussfolgerung aus dem Gesagten: Das Beten und Lobpreisen soll sowohl mit dem Geist als auch mit dem Verstand geschehen. Weder der Geist noch der Verstand soll ausgeschlossen bleiben. Die Verbform des Futurs bezeichnet weist hier nicht nur auf eine zukünftige Handlung hin, sondern auch darauf, dass ein solches Handeln wünschenswert ist. So kann man statt "Ich werde ...“ auch "Ich will ...“ übersetzen.

 

Das mit "lobpreisen“ übersetzte Verb "psallein“ steht in der Septuaginta überwiegend für das hebräische Verb "zmr“. Es bezeichnet das Spielen mit Saiteninstrumenten, das von Gesang begleitet werden kann, oder auch den unbegleiteten Gesang. In V. 15 lässt die Parallele zum Beten annehmen, dass Gesang gemeint ist. Da Paulus ihn im Zusammenhang mit Zungenrede erwähnt, handelt es sich wohl nicht um den Gesang von Kirchenliedern, der sich ohne Mitwirken des Verstandes nicht bewerkstelligen lässt, sondern um geistbewirkten Lobgesang im Rahmen der Zungenrede. Wie das Gebet ist wohl auch dieser Lobgesang nicht ohne weiteres verständlich. Auch der Lobgesang bedarf der Auslegung. Ob er von Musikinstrumenten begleitet wird, bleibt offen.

 

Weiterführende Literatur: F. S. Malan 1998, 509-524 hat den Kirchengesang gemäß den paulinischen Briefen zum Thema und geht auf S. 515 auch auf 1 Kor 14 ein. Aus 14,15-17 gehe hervor, dass Paulus im Hinblick auf den Gemeindegottesdienst den Gesang zur Erbauung der anderen Gemeindeglieder favorisiere; geistgeleiteter, unverständlicher Gesang habe in der Privatsphäre den rechten Platz.

 

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V. 16

 

Beobachtungen: In V. 16 geht es darum, was die Konsequenz ist, wenn der Lobpreis nur mit dem Geist und nicht auch mit dem Verstand erfolgt. Als Konsequenz nennt Paulus das Unverständnis derjenigen Person, die "die Stelle (topos) des Laien (idiôtês) einnimmt“.

Um was für eine Person handelt es sich dabei? Zur Beantwortung dieser Frage ist die Bedeutung zweier Begriffe zu klären: "topos“ und "idiôtês“. Der Begriff "topos“ kann mit "Ort“ oder "Stelle“ übersetzt werden und im wörtlichen oder auch im übertragenen Sinn verstanden werden. Der wörtliche Sinn würde besagen, dass der idiôtês im Gottesdienstraum an einer ganz bestimmten Stelle sitzt, die für ihn bestimmt ist. Gemäß dem übertragenen Sinn wäre mit der "Stelle“ eine Art Rolle gemeint, mit der eine bestimmte Wahrnehmung des gottesdienstlichen Geschehens verbunden ist. Die Person wäre bei dem Gottesdienst also als idiôtês anwesend. Was bedeutet nun der Begriff "idiôtês“? Gewöhnlich ist damit eine Person gemeint, die nicht eine bestimmte Fachkompetenz besitzt und somit Laie ist. Im Hinblick auf V. 16 bedeutet dies konkret, dass die Person nicht die Fähigkeit besitzt, das in Zungen vorgetragene Gebet oder den in Zungen vorgetragenen Lobpreis zu verstehen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Person nicht der Zungenrede mächtig ist, denn wer in Zungen reden kann, kann noch lange nicht automatisch die Zungenrede einer anderen Person verstehen. Es kann also sein, dass die ganze Gemeinde Laie ist. Dass der Begriff "idiôtês“ sich auf eine andere fehlende Fähigkeit oder gar auf ein fehlendes Recht oder einen bestimmten Status in der Gemeinde beziehen könnte, lässt sich dem Zusammenhang nicht entnehmen.

Dass nun eine Person, die die vorgetragene Zungenrede nicht versteht, im Gottesdienstraum an einer bestimmten Stelle sitzt, ist kaum anzunehmen. Folglich ist der übertragene Sinn von "Stelle“ wahrscheinlich. Die Interpretation wäre dann wie folgt: Diejenigen Personen, die nicht das in Zungenrede Vorgetragene verstehen, können darauf auch nicht reagieren.

 

Das lobpreisend Vorgetragene bezeichnet Paulus als "Dank“ ("eucharistia“). Dass es sich um ein Dankgebet handelt, beweist die Reaktion der Gemeinde. Diese antwortet jüdischem Brauch entsprechend mit "Amen“, was in etwa "gewiss“ bedeutet. Damit bekräftigt sie das Gebet und eignet es sich an.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 17

 

Beobachtungen: Wenn das Dankgebet nur mit dem Geist geschieht, so ist es deswegen nicht schlecht. Es ist nur mit einem einzigen entscheidenden Makel behaftet: Laien können es nicht verstehen und es daher nicht mittels des "Amen“ bekräftigen und sich aneignen. Die Folge daraus ist, dass die Laien nicht erbaut werden.

 

Auf diese Weise wird ein Graben zwischen der betenden Person und zuhörenden Laien geschaffen. Die betende Person betet exklusiv, schließt also die "anderen“ aus.

 

Weiterführende Literatur: Die erste und entscheidende Frage der Untersuchung von S. B. Choi 2007 lautet, ob Paulus und die Korinther im Grunde dasselbe Glossolalieverständnis haben und der Unterschied zwischen ihnen wirklich nur in der Bewertung des praktischen Nutzens der Glossolalie für die Gemeinde liegt. Ergebnis: Ein entscheidender Grund, weshalb Paulus die Praktizierung der Glossolalie so stark kritisch beurteilt, liege darin, dass die Realität der korinthischen Gemeinde seinem Verständnis von Gemeinde nicht entspricht. Gemäß Paulus dürften die Geistesgaben nicht der individuellen Selbstdarstellung, sondern müssten der Gemeinde bzw. deren Erbauung dienen. So würden die wahren Wirkungen des Geistes bestätigt.

 

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V. 18

 

Beobachtungen: Nun könnte seitens der Adressaten des Briefes der Vorwurf kommen, dass Paulus ja nur deswegen so kritisch ist, weil er selbst nicht in Zungen redet; vielleicht weil er es nicht kann und daher neidisch ist. Diesem fiktiven Vorwurf begegnet Paulus, indem er klarstellt, dass er sehr wohl das Zungenreden schätzt und Gott dafür dankt, dass er mehr als alle Korinther in Zungen redet. Ob Paulus tatsächlich mehr als alle Korinther in Zungen geredet hat, lässt sich nicht nachweisen. Es ist allerdings kaum anzunehmen, dass Paulus seine Verteidigung wortwörtlich als Tatsachenaussage verstanden haben will.

 

Das griechische Wort "mallon“ meint vermutlich "mehr“ im Sinne der Häufigkeit, nicht der Intensität des Gebets.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 19

 

Beobachtungen: Paulus macht deutlich: Das Zungenreden ist durchaus eine hoch zu schätzende Gnadengabe. In der Gemeinde, d. h. in der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde, kommt es jedoch darauf an, dass auch die Versammelten etwas von dem Geredeten haben. Dazu ist erforderlich, dass es verstanden wird. Daher will Paulus lieber wenige Worte mit Verstand als viele Worte in Zungen reden. Dabei geht er davon aus, dass die Gemeinde im Gottesdienst (auch) unterwiesen werden sollte. Was die Unterweisung beinhaltet, sagt er nicht, doch ist an Belehrung im Hinblick auf göttliche Geheimnisse und auf das rechte Verhalten angesichts der in Kürze erwarteten Wiederkunft Christi zu denken. Es ist kaum anzunehmen, dass Paulus es gutheißen würde, wenn die Unterweisung aus menschlicher Weisheit oder gar eigenem Gutdünken heraus geschieht. Daher setzt er sicherlich voraus, dass sie nicht nur mit dem Verstand geschieht, sondern in irgendeiner Form auch der Geist wirkt. Aber - und darauf kommt es Paulus an - der Verstand ist auf jeden Fall nicht ausgeschaltet.

 

Den Zahlenangaben "fünf“ und "zehntausend“ ist sicherlich nicht übermäßig viel Bedeutung beizumessen. Die niedrige runde Zahl "fünf“ steht vermutlich für "wenige“. Fünf Worte reichen, um einen sinnvollen Satz zu bilden. Die runde Zahl "zehntausend“ meint "unzählige“.

 

Weiterführende Literatur: B. Zerhusen 1997, 139-152 wendet sich gegen die Annahme, dass in 1 Kor 14 von Zungenrede im Sinne einer Sprache die Rede sei, die ihr Sprecher nicht erlernt hat, die er selbst auch nicht verstehen kann, die wundersamer Art und eine Geistbezeugung ist. Vielmehr sei von der Tatsache auszugehen, dass in Korinth als Handelsstadt ein multikulturelles Leben herrschte. So habe man dort die verschiedensten Sprachen hören können − auch im christlichen Gottesdienst. Auf diesem multikulturellen Hintergrund sei 1 Kor 14 zu verstehen. Griechisch sei die Sprache, in der in Korinth der Gottesdienst abgehalten und auch prophezeit wird. Paulus gestehe allen Gottesdienstbesuchern zu, in der Muttersprache zu sprechen, doch solle solche Rede in die griechische Sprache übersetzt werden. Wer zu einer solchen Übersetzung der eigenen Rede nicht in der Lage sei, solle im Gottesdienst schweigen und für sich und zu Gott sprechen.

 

 

Literaturübersicht

 

Braun, Joachim; Die Musikkultur Altisraels/Palästinas: Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen (OBO 164), Freiburg / Schweiz 1999

Callan, Terrance; Prophecy and Ecstasy in Greco-Roman Religion and in 1 Corinthians, NT 27 (1985), 125-140

Choi, Sung Bok; Geist und christliche Existenz. Das Glossolalieverständnis des Paulus im Ersten Korintherbrief (1 Kor 14) (WMANT 115), Neukirchen-Vluyn 2007

Fee, Gordon D.; Toward a Pauline Theology of Glossolalia, in: W. Ma et al. [eds.], Pentecostalism in Context (JPT Suppl. Ser. 11), Sheffield 1997, 24-37

Heckel, Ulrich; Paulus und die Charismatiker. Zur theologischen Einordnung der Geistesgaben in 1 Kor 12-14, TBe 23/3 (1992), 117-138

Kitzberger, Ingrid; Bau der Gemeinde: Das paulinische Wortfeld oikodomê (FzB 53), Würzburg 1986

MacGorman, J. W.; Glossolalia Error and its Correction: 1 Corinthians 12-14, REx LXXX/3 (1983); 389-400

Malan, F. S.; Church Singing According to the Pauline Epistles, Neotest. 32/2 (1998), 509- 524

Martin, Dale B.; Tongues of Angels and Other Status Indicators, JAAR 59 (1991), 547-589

Radl, Walter; Ankunft des Herrn. Zur Bedeutung und Funktion der Parusieaussagen bei Paulus (BET 15), Frankfurt a. M. u. a. 1981

Theißen Gerd, Psychologische Aspekte paulinischer Theologie (FRLANT 131), Göttingen 1983

Weder, Hans; Die Gabe der hermeneia (1 Kor 12 und 14), in: H. F. Geisser, W. Mostert [Hrsg.], Wirkungen hermeneutischer Theologie, FS G. Ebeling, Zürich 1983, 99-112

Williams, Cyril G.; Tongues of the Spirit: A Study of Pentecostal Glossolalia and Related Phenomena, Cardiff 1981

Xanthoulis, Nikos; The Salpinx in Greek Antiquity, ITG Journal 31 (2006), 39-45

Zerhusen, Bob; The Problem Tongues in 1 Cor 14: A Reexamination, BTB 27/4 (1997), 139- 152

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