Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Erster Thessalonicherbrief

Der erste Brief des Paulus an die Thessalonicher

1 Thess 5,12-22

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

1 Thess 5,12-22

 

 

Übersetzung

 

1 Thess 5,12-22: 12 Wir bitten euch aber, Geschwister, diejenigen anzuerkennen, die sich unter euch mühen und euch vorstehen im Herrn und die euch ermahnen, 13 und sie in höchstem Maße in Liebe zu achten, um ihres Tuns willen. Haltet Frieden untereinander! 14 Wir ermahnen euch aber, Geschwister: Weist die Unordentlichen zurecht, ermutigt die Kleinmütigen, nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen! 15 Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergilt, sondern strebt stets nach dem Guten füreinander und für alle. 16 Freut euch allezeit, 17 betet ohne Unterlass, 18 seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus an euch. 19 Den Geist dämpft nicht, 20 prophetische Rede verachtet nicht. 21 Prüft aber alles, das Gute behaltet, 22 vom Schlechten jeder Gestalt haltet euch fern.

 

 

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V. 12

 

Beobachtungen: V. 12 knüpft an V. 11 ein, der die Thessalonicher Gemeindeglieder auffordert, einander zu ermahnen und zu erbauen. Auch V. 12 geht davon aus, dass die Thessalonicher auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren und sich verstärkt mühen sollen, trotz aller Verfolgungen. Nun rückt jedoch das Problem in den Mittelpunkt, dass diejenigen, die sich stärker als andere Gemeindeglieder mühen, von diesen möglicherweise beargwöhnt werden: Wer sich in herausragendem Maße bemüht, erscheint als leitende Persönlichkeit und bekleidet vielleicht ein Amt. Zudem läuft er Gefahr, als Moralist zu erscheinen, der seine Glaubensgenossen ständig ermahnt. Ein solches Verhalten kann Missmut und Widerspruch hervorrufen, so dass es die Missionare für nötig erachten, die Thessalonicher zu ermahnen, herausragende Gemeindeglieder zu achten.

 

"Geschwister“ meint hier nicht "leibliche Geschwister“, sondern Glaubensgeschwister, nämlich Christinnen und Christen. Bei dem Substantiv "adelphoi“ handelt es sich zwar um eine maskuline Form, die zunächst mit "Brüder“ zu übersetzen ist, jedoch sind hier vermutlich auch die "Schwestern“ eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.

 

Das Verb "sich mühen“ ("kopiaô“) wird nicht weiter bestimmt. Es beinhaltet gewöhnlich die körperliche oder geistige Anstrengung und kann auch diakonische oder praktische Hilfeleistungen beinhalten. Die Offenheit der Bedeutung des Verbes ist in V. 12 zu wahren. Hier ist vermutlich das Mühen auf dem rechten Glaubensweg gemeint, das beispielsweise die Liebesmühe (1,3) und die körperliche Arbeit (2,9; 3,5) beinhaltet.

 

Was das Verb "vorstehen“ ("proistamai“) konkret beinhaltet, wird nicht gesagt. So kann das Vorstehen entweder im Sinne einer moralischen und/oder amtlichen Leitungsfunktion oder im Sinne des Schützens, des Stehens vor dem/der zu Verteidigenden, verstanden werden. Letztere Interpretation würde die Bedrohung der Christen durch die Heiden hervorheben. Die einzige Näherbestimmung ist der Zusatz "im Herrn“. Damit wird verdeutlicht, dass das Vorstehen christlicher Art ist.

 

Weiterführende Literatur: Mit der Funktion der Paränese 5,12-22 befasst sich R. F. Collins 1984, 410-414, wobei auch die Paränese 4,1-12 im Blick ist.

 

R. Börschel 2001, 269 merkt an, dass Paulus das Verb kopiaô ("mühen“) überwiegend im Kontext seines Dienstes als Apostel Jesu Christi benutze. Sein Apostolat sei nicht nur mit Privilegien bzw. Vollmachten, sondern mit Leiden und mit Mühen verbunden.

Zur Herausbildung eines die Gemeinde leitenden Personenkreises siehe R. Börschel 2001, 269-275. R. Y. K. Fung 1980, 195-214, legt dar, dass die Ausbildung von Ämtern nicht − wie oftmals angenommen - ein Symptom des frühen Katholizismus sei, sondern schon zu Lebzeiten Paulus’ seinen Anfang genommen habe. Ähnlich D. Wenham 1988, 54-55, der in Apg 14,23, wo von der Bestellung der Ältesten durch Paulus und Barnabas die Rede ist, eine Parallele zu 1 Thess 5,12-13 sieht. Damit widerspricht er denjenigen, die Apg 14,23 für einen späten Text mit lukanischem, nicht der urchristlichen Realität entsprechendem Gedankengut halten und somit einen Bezug zu dem frühen Ersten Thessalonicherbrief ablehnen. Es sei durchaus anzunehmen, dass Paulus trotz seiner überstürzten Abreise schon in Thessalonich Gemeindeglieder in Ämter eingesetzt hat. Die Apostelgeschichte sei im Kern durchaus historisch zuverlässig.

 

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V. 13

 

Beobachtungen: Die Aufforderung zur Achtung wird gesteigert: Die Achtung soll in höchstem Maße in Liebe erfolgen. Zu begründen ist dies mit dem Tun derjenigen, die sich besonders mühen. Das Tun, das Glaubenswerk, soll also nicht Argwohn und Widerstand, sondern Hochschätzung in Liebe hervorrufen. So wird in der Gemeinde Friede statt Unfriede bewirkt.

 

Textkritisch stellt sich die Frage, ob "en heautois“ ("untereinander“) oder "en autois“ ("mit ihnen“) zu lesen ist. Nestle-Aland gehen in ihrem Novum Testamentum Graece davon aus, dass erstere Lesart die ursprüngliche ist. Da jedoch zahlreiche, teils gewichtige Textzeugen letztere Lesart bieten, halten manche Ausleger diese für ursprünglich. Gleich, ob man erstere oder letztere Lesart bevorzugt: In erster Linie ist das Verhältnis zwischen denen, die im Glauben herausragen, und denen, die im Glauben schwächer sind, im Blick. Dieses soll von Frieden und nicht von Unfrieden geprägt sein.

 

Weiterführende Literatur: Im Rahmen eines Abschnittes über die brüderliche Liebe geht R. F. Collins 1984, 352 auf die Aufforderung, die leitenden Gemeindeglieder zu achten, ein. R. Jewett 1986, 102-104 geht davon aus, dass es sich bei den leitenden Persönlichkeiten um Patrone von Hausgemeinschaften und um weitere Personen mit sozial herausgehobener Stellung gehandelt habe.

R. Banks 1994, 141-145 befasst sich mit generell mit dem besonderen Gemeindedienst und seiner Anerkennung. Dabei betont er, dass in 1 Thess 5,12-13 im Gegensatz zu anderen paulinischen Briefen keine Ämter genannt, sondern nur drei Tätigkeiten mittels Partizipien ausgedrückt werden.

 

Zur textkritischen Frage, ob en heautois ("untereinander“) oder en autois ("mit ihnen“) zu lesen ist, siehe R. Börschel 2001, 275-276, die die Meinung vertritt, dass vermutlich erstere Lesart ursprünglich sei. Ihr Hauptargument ist, dass eine Veränderung des Textes von heautois zu autois wahrscheinlicher sei umgekehrt.

 

Zur Bedeutung des Begriffs "Friede“ im AT und NT siehe R. Börschel 2001, 276-277.

 

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V. 14

 

Beobachtungen: Hatten die V. 12-13 das Verhältnis der gewöhnlichen Gemeindeglieder zu denjenigen, die im Glaubenswerk besonders herausragen, im Blick, so wendet sich V. 14 nun dem Verhalten der gewöhnlichen Gemeindeglieder den Schwachen zu. Damit lassen sich die Thessalonicher Gemeindeglieder in drei Gruppen teilen: a) diejenigen, die "im Herrn“ vorstehen; b) diejenigen, deren Glaube weder außergewöhnlich stark noch schwach ist; also die "gewöhnlichen Gemeindeglieder“; c) diejenigen, deren Glaube schwach ist und die abzufallen drohen. Diese Dreiteilung erklärt, weshalb sich im Ersten Thessalonicherbrief Ermahnung und Trost, Lob und Kritik abwechseln. Die Färbung von Inhalt und Sprache des jeweiligen Briefabschnittes richtet sich danach, wen die Aussagen der Missionare betreffen.

 

Die Ermahnung, die die im Glauben ungewöhnlich starken Gemeindeglieder gegenüber den anderen Glaubensgenossen üben, halten Paulus und seine Begleiter für richtig und fordern folglich auch die anderen Gemeindeglieder zur Ermahnung auf.. Nun wird allerdings eine spezifische Gruppe zu Ermahnender erwähnt, und zwar die "Unordentlichen“. Dieser Begriff wird nicht weiter konkretisiert, so dass sich über seine Bedeutung nur spekulieren lässt. Ist ein unordentliches Aussehen gemeint? Oder sind Gläubige im Blick, die beispielsweise in ihrer Wohnung keine Ordnung halten können? Beides würde jedoch die Frage aufwerfen, was denn an einem unordentlichen Aussehen und an einer unordentlichen Wohnung so schlimm sein könnte. So ist anzunehmen, dass Paulus und seine Begleiter mit der Ordnung, gegen die die "Unordentlichen“ verstoßen, die eigene Lehre mitsamt den Verhaltensregeln meinen. Diese versuchen, bei allen Besonderheiten gerade im zwischenmenschlichen Bereich, unnötigen Konflikt mit heidnischen Verhaltensregeln zu vermeiden. Dem ordentlichen Verhalten entspricht beispielsweise die fleißige Handarbeit (vgl. 1 Thess 4,11; 2 Thess 3,6-11, wobei letzterer Text vermutlich deutero-paulinisch ist).

 

Bezüglich der Kleinmütigen wird nicht gesagt, worin der Kleinmut besteht. Vermutlich handelt es sich um mangelndes Zutrauen in den eigenen Glauben und in das Wirken des heiligen Geistes. Möglicherweise führt diese Schüchternheit dazu, dass die Kleinmütigen in der Gemeinde eine untergeordnete Rolle spielen und zu mehr Zutrauen ermutigt werden müssen.

 

Mit den "Schwachen“ sind diejenigen Gemeindeglieder gemeint, die gegenüber den Bedrohungen, die der Glaube an Jesus Christus im heidnischen Römischen Reich mit sich bringt, nicht widerstandsfähig sind und bei nächster Gelegenheit vom Glauben abzufallen drohen. Diese Gemeindeglieder sollen von den anderen nicht allein gelassen werden.

 

Die Christen soll Geduld gegenüber den Mitmenschen auszeichnen. Diese Geduld enthält zweierlei Aspekte: Einerseits die Art und Weise, wie die Ermahnungen erfolgen sollen, andererseits die Geduld im Hinblick auf die Zeit, die es dauert, bis die Zurechtweisungen fruchten. Bezüglich ersteren Aspektes ist behutsames und freundliches statt ruppiges Ermahnen angesagt, bezüglich letzteren Aspektes die Berücksichtigung der Tatsache, dass Zurechtweisungen von den Glaubensschwachen möglicherweise zunächst nicht in gewünschtem Maße befolgt werden und Wiederholung und Intensivierung erfordern.

 

Weiterführende Literatur: Zu den Mahnungen zum Umgang innerhalb der Gemeinde siehe R. Börschel 2001, 279-290, die sich u. a. kritisch mit der These auseinandersetzt, dass Paulus bezüglich der Ermahnung von "Unordentlichen“ einen konkreten Missstand in der Gemeinde von Thessalonich im Blick habe, und überlegt, in welcher Hinsicht ein Verstoß gegen die Ordnung der Gesellschaft und Gemeinschaft vorliegen könnte. Zum Begriff "Kleinmütige“: Diese seien durch ihre innere Haltung, durch ihren Kleinmut und ihre innere Unsicherheit bestimmt. Worauf sich der Kleinmut bezieht, sage Paulus nicht. Der Kleinmut könnte im Zusammenhang mit den Leiderfahrungen der Gemeinde stehen, welche die Gemeinde verzweifeln lassen. Auch sei ein Zusammenhang mit den Erörterungen in 4,13-18 möglich, wonach durch die ersten Todesfälle Verunsicherung im Glaubenssystem aufgekommen sei.

 

Knapp auf die Frage, wer mit der Bezeichnung "Unordentliche“ gemeint ist, geht R. Jewett 1986, 104-105 ein. Seiner Ansicht nach beziehe sie sich auf Personen, die sich der natur- oder gottgegebenen Ordnung widersetzen, und werde vor allem im Hinblick auf Ungehorsam im militärischen Kontext gebraucht.

 

A. J. Malherbe 1990, 375-391 gibt zunächst einen kurzen Überblick über die verschiedenen Antworten auf die Frage, inwiefern Paulus drei genau abgrenzbare und bestimmbare Personengruppen im Blick hat. Er selbst lehnt eine genaue Abgrenzung von Personengruppen, auf die angeblich im Ersten Thessalonicherbrief angespielt wird, ab und vermutet stattdessen, dass Paulus bestimmte Charaktereigenschaften und psychische Zustände nenne. Diesen sei entgegenzusteuern, wobei Paulus Methoden und Traditionen anwende, die Moralphilosophen seit Jahrhunderten bei der moralischen Besserung von Menschen nutzten. Dabei sei insbesondere die Kunst, die Seele mittels Worte zu führen (psychagôgia), zu erwähnen. Paulus fordere die Leser auf, dass auch sie die bewährten Methoden anwenden sollten.

 

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V. 15

 

Beobachtungen: Paulus und seinen Begleitern ist daran gelegen, dass der Kreislauf des Bösen durchbrochen wird. Mögen Nichtchristen Böses mit Bösem vergleichen, nach dem Motto "wie du mir, so ich dir“, so soll die Christen gutes Verhalten prägen, auch wenn ihnen Böses angetan wird. Die Christen sollen nach dem Guten streben und zwar nicht nur im Verhalten untereinander, sondern im Verhalten gegenüber allen Menschen.

 

Weiterführende Literatur: Zur Aufforderung zum Verzicht auf Vergeltung siehe R. Börschel 2001, 290-297, die zunächst das Prinzip des "ius talionis“ ("Auge um Auge, Zahn um Zahn“) darlegt. Es habe sich um ein Verfahren als Bemessung eines Strafmaßes durch den Richter und nicht um ein Prinzip zur Regelung von Streitigkeiten von Personen untereinander gehandelt. Im Judentum lasse sich ein zunehmendes Abrücken vom wörtlichen Vollzug des "ius talionis“ beobachten. So sei die Entwicklung vom wörtlichen Vollzug zur Geldstrafe verlaufen. Auf diesem Hintergrund müsse die Mahnung des Paulus in V. 15 gesehen werden. Die Begriffe "schlecht/böse“ und "gut“ würden nicht weiter konkretisiert, sondern umfassten eine weite Bedeutungsvielfalt.

 

H.-W. Kuhn 1992, 352 verweist auf die neutestamentliche Parallele Röm 12,17-20 und nennt dazu aus den Qumranschriften 1QS X 17-18.

 

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V. 16

 

Beobachtungen: Die V. 16-22 beinhalten Ermahnungen im Hinblick auf das rechte Verhalten der Christen.

 

Die Thessalonicher Gemeindeglieder sollen sich allezeit freuen. Damit ist aber nicht allein die Fröhlichkeit im Sinne der guten Laune gemeint, zumal diese angesichts der Verfolgung auch kaum aufkommen dürfte. Freude angesichts von Verfolgung ist nur möglich, wenn das Leiden als Nachfolge Christi verstanden wird. Auch ist die Freude in Zusammenhang mit der endzeitlichen Stimmung angesichts der nahen Wiederkunft Christi zu sehen.

 

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V. 17

 

Beobachtungen: Die Aufforderung "Betet ohne Unterlass“ besagt nicht, warum die Thessalonicher Christen beten sollen und was der Inhalt der Gebete sein soll. So kommen alle Arten der Gebete in Frage, wobei als Ausnahme jedoch die Bitte um eine Wendung des Schicksals zu nennen ist, die gegen die in V. 18 angemahnte Dankbarkeit verstoßen würde. Auch Gebete, die christlicher Lehre und Verhaltensnormen widersprechen, sind ausgeschlossen. Im Lichte der bevorstehenden Parusie Christi und des endzeitlichen Gerichtes erhalten die Gebete eine bestimmte Färbung. So können sie nun die Bitte um das Hereinbrechen des Gottesreiches oder den Dank für das Wirken Christi und dessen nahe Wiederkunft beinhalten. Das Gebet für Glaubensgenossen kann beispielsweise die Bitte um Stärkung im Glauben, der Dank für starken Glauben, die Bitte um rechtes Verhalten oder der Dank dafür sein, das Gebet für Nichtchristen die Bitte um deren Bekehrung.

Da die Christen ohne Unterlass beten sollen, wird deren Leben zu einem einzigen Gebet. Paulus, Silvanus und Timotheus dürften ihre Aussage wohl so verstanden haben, dass die Christen ihr ganzes Leben im Bewusstsein der nahen Wiederkunft Christi und des jüngsten Gerichtes führen sollen. In der Kirchengeschichte hat die Aussage jedoch dazu geführt, dass beispielsweise das klösterliche Psalmengebet zeitweise immense Ausmaße annahm und das Gebet einer Mindestzahl von Psalmen pro Tag oder Woche gefordert wurde. Grundsätzlich hat das Gebet im christlichen Bewusstsein eine herausragende Stellung erhalten.

 

Weiterführende Literatur: Zu den christlichen Grundhaltungen Freude, Gebet und Dank siehe R. Börschel 2001, 297-302.

 

Zum häufigen Beten des Paulus für die Gemeinde Thessalonichs und aufgrund von Dankbarkeit siehe R. F. Collins 1984, 358. In der Aufforderung, ständig zu beten, klinge Jesu Ermahnung Lk 18,1 an.

Das immerwährende Gebet bei Paulus thematisiert K.-H. Ostmeyer 2002, 274-289. Zwar gebe es nicht wenige Versuche, das Gebetsverständnis des Paulus für das Verständnis seiner Theologie fruchtbar zu machen, doch sei dabei nicht genügend der Fokus auf den Aspekt der Dauer des Gebetes gelegt worden. Das permanente Gebet habe bisher kaum als eigenständige Kategorie gegolten. K.-H. Ostmeyer beabsichtigt in seiner Analyse u. a., den Unterschied zwischen den einzelnen Gebetsakten und dem andauernden Gebet herauszuarbeiten. Dabei legt er dar, dass sich immerwährendes Gebet und Einzelgebet zueinander verhielten wie die Liebe, die eine Verbindung trägt, zu den einzelnen Äußerungen dieser Liebe. Wenn Paulus zu permanentem Gebet auffordere, so fordere er zum Gebet als christlicher Grundhaltung auf.

 

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V. 18

 

Beobachtungen: Wenn die Christen "in allen Dingen / in allem“ dankbar sein sollen, so bedeutet dies streng genommen, dass sie auch für die Verfolgungen seitens der Heiden danken sollen. Diese Beobachtung führt zu einem möglichen Grund für die Forderung nach umfassender Dankbarkeit: Die Christen sollen ihr Leben, wie es auch immer sein mag, mit allen Widrigkeiten samt Verfolgungen als gottgegeben annehmen (vgl. 3,3). Dies ist Gottes Wille, wobei sich "dies“ auch auf die beiden vorhergehenden Anweisungen beziehen kann.

Merkwürdig ist die Formulierung "(der Wille) Gottes in Christus Jesus“. Soll damit der Wille Gottes im Lichte des Lebens, Sterbens und Auferstehens Jesu Christi erscheinen? Für diese Interpretation spricht, dass Paulus, Silvanus und Timotheus die Christen in der Leidensnachfolge Christi sehen. Und wie Jesus Christus auferstanden ist, so werden auch die Christen schließlich auferstehen oder entrückt werden.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 19

 

Beobachtungen: Paulus und seine Missionare gehen vom Wirken des Geistes aus, das nicht gedämpft, d. h. unterdrückt werden soll. Das Wirken des Geistes bezieht sich wohl in erster Linie auf die im folgenden Vers genannte prophetische Rede, wie die sowohl V. 18 als auch V. 19 eigene Verneinung zeigt. Das schließt nicht aus, dass auch Freude, Gebet und Dankbarkeit auf das Wirken des (heiligen) Geistes zurückzuführen sind.

 

Weiterführende Literatur: Zum Geist in der Gemeinde siehe R. Börschel 2001, 302-314. Zur Funktion der geistbewirkten Prophetie: Diese beziehe sich nicht nur auf die Enthüllung zukünftiger Ereignisse, sondern habe ihren Bezug zur Gegenwart der Gemeinde. Sie trage über das Kerygma hinaus zum theologischen Erkenntnisgewinn bei und helfe der Gemeinde gerade angesichts von Krisenerfahrungen bei der Bewältigung der Gegenwart.

C. Roux 1985, 33-53 thematisiert das Wirken der christlichen Propheten. Unzweifelhaft sei, dass es sie gegeben hat, doch ergäben die überlieferten Informationen kein einheitliches Bild. Möglicherweise habe es verschiedene Arten christlicher Propheten gegeben. Auf S. 34-35 geht C. Roux konkret auf 1 Thess 5,19-22 ein. Paulus fordere die Thessalonicher auf, die Propheten reden zu lassen, ihnen Gehör zu schenken und sie zu achten. Doch sollten sie die prophetischen Worte durchaus auch prüfen. M. Theobald 1991, 30-47 nimmt in seinen Ausführungen die These auf, dass die Prophetie im Laufe der Geschichte erloschen sei. Er fragt nach dem Verhältnis zwischen Prophetie und christologischem Bekenntnis (das sog. Kerygma) und bedenkt Paulus als Beispiel für ein theologisches Paradigma, nach dem das christologische Bekenntnis die Prophetie nicht ersticke, sondern im Gegenteil aus sich selbst heraus freisetze. Zu bedenken sei jedoch, dass Prophetie, gerate sie einmal in das Kraftfeld des Bekenntnisses, nicht unverändert aus ihm hervorgehen wird. Grundsätzlich sei anzumerken, dass Paulus seine Vorstellung von Prophetie in seinen Briefen nicht definiere und auch nicht ausweise, welche Passagen seiner Briefe als prophetisch zu bezeichnen sind. Paulus bejahe Gemeinderegeln, da diese zu einer gelingenden Kommunikation beitrügen. Dazu gehöre auch der Schutz des Freiraumes des Wortes und somit auch der Prophetie. Dass Gemeinderegeln die Prophetie auch ersticken können, habe seinem Erfahrungshorizont noch fern gelegen und deshalb auch kein Problem für ihn dargestellt.

 

Einen Überblick über die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten des Verses gibt F. W. Horn 1992, 127-130. Er behandelt vor allem die Fragen, ob es um die Unterdrückung des Wirkens des Geistes bei anderen Gemeindegliedern oder durch den Pneumatiker selbst geht, und ob das Wirken des Geistes die Zungenrede meint, behandelt. F. W. Horn hält es für unwahrscheinlich, dass die Zungenrede zu den Erscheinungen des Geistes in Thessalonich gehörte.

 

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V. 20

 

Beobachtungen: Die prophetische Rede geht auf das Wirken des (heiligen) Geistes zurück und soll daher nicht verachtet werden. Was genau die prophetische Rede beinhaltet, wird nicht gesagt.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 21

 

Beobachtungen: Paulus und seine Begleiter gestehen den Thessalonicher Christen eigene Urteilsfähigkeit im Hinblick auf "alles“ zu. Dabei bleibt jedoch offen, was mit "alles“ gemeint ist. Sollen nur die prophetischen Aussagen geprüft werden oder sind auch Verhaltensweisen im Blick? Ersteres würde bedeuten, dass die Thessalonicher Gemeindeglieder prüfen sollen, welche prophetischen Aussagen göttlicher Herkunft sind und welche nicht. Denjenigen göttlicher Herkunft sollen sie Glauben schenken. Gemäß der anderen Interpretation können die Thessalonicher Christen selbst entscheiden, ob sie ein bestimmtes Verhalten für gut halten oder nicht. Dabei erstaunt jedoch angesichts der vielfältigen ethisch-moralischen Anweisungen des Paulus und seiner Begleiter ein solches Maß an Entscheidungsfreiheit. Berücksichtigt man jedoch, dass in vielerlei Fragen des täglichen Lebens die Thessalonicher Gemeindeglieder aufgrund der Abwesenheit der Missionare selbst entscheiden mussten, wird das Zugeständnis eines hohen Maßes an Entscheidungsfreiheit verständlich.

 

Weiterführende Literatur: Einen knappen Einstieg in die Diskussion, ob sich die V. 21-22 unmittelbar auf die Weisungen V. 19-20 beziehen oder nicht, gibt R. Börschel 2001, 309-314, die − im Gegensatz zur (ihrer Meinung nach) Mehrheit der Ausleger - einen unmittelbaren Bezug nicht für eindeutig hält.

 

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V. 22

 

Beobachtungen: Wie V. 21, so kann sich auch V. 22 sowohl allein auf prophetische Aussagen als auch auf das Verhalten beziehen. Mit dem "Schlechten“ bzw. "Bösen“ können unbrauchbare prophetische Aussagen gemeint sein, aber auch Christen unwürdige Verhaltensweisen.

 

Nimmt man die Formulierung "jeder Gestalt“ wörtlich, so ist damit alles Schlechte gemeint, was sichtbar ist. Dies würde gegen eine Begrenzung der Prüfung auf prophetische Aussagen sprechen und möglicherweise gar einen Bezug auf prophetische Aussagen ausschließen. Versteht man die Formulierung jedoch als "jedes“, so können - was nahe liegender ist - sowohl prophetische Aussagen als auch Verhaltensweisen gemeint sein.

 

Weiterführende Literatur:

 

 

Literaturübersicht

 

Banks, Robert; Paul’s Idea of Community, Peabody, Massachusetts, rev. ed. 1994

Börschel, Regina; Die Konstruktion einer christlichen Identität: Paulus und die Gemeinde von Thessalonich in ihrer hellenistisch-römischen Umwelt (BBB 128), Berlin − Wien 2001

Collins, Raymond F.; Paul’s First Reflections on Love, in: Collins R. F. [ed.], Studies on the First Letter to the Thessalonians (BETL 66), Leuven 1984, 346-355 (= Emmanuel 87 [1981], 107-113)

Collins, Raymond F.; Paul at Prayer, in: Collins R. F. [ed.], Studies on the First Letter to the Thessalonians (BETL 66), Leuven 1984, 356-364 (= Emmanuel 88 [1982], 412-419)

Collins, Raymond F.; The Function of Paraenesis in 1 Thess 4,1-12; 5,12-22, ETL 74/4 (1998), 398-414

Fung, Ronald Y. K.; Charismatic versus Organized Ministry? An Examination of an Alleged Antithesis, EvQ 52 (1980), 195-214

Horn, Friedrich W.; Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie (FRLANT 154), Göttingen 1992

Jewett, Robert; The Thessalonian Correspondence: Pauline Rhetoric and Millenarian Piety, Philadelphia 1986

Kuhn, Heinz-Wolfgang; Die Bedeutung der Qumrantexte für das Verständnis des Ersten Thessalonicherbriefes, in: J. T. Barrera, L. V. Montaner, The Madrid Qumran Congress. Proceedings of the International Congress on the Dead Sea Scrolls, Madrid 18-21 March, 1991, vol. 1, Leiden 1992, 339-353

Malherbe, Abraham J.; “Pastoral Care” in the Thessalonian Church, NTS 36/3 (1990), 375- 391

Ostmeyer, Karl-Heinrich; Das immerwährende Gebet bei Paulus, TBe 33/5 (2002), 274-289

Roux, Christine; Prophétie et ministère prophétique selon Saint Paul, Hok 29 (1985), 33-53

Theobald, Michael; "Prophetenworte verachtet nicht!“ (1 Thess 5,20). Paulinische Perspektiven gegen eine institutionelle Versuchung, ThQ 171/1 (1991), 30-47

Wenham, David; The Paulinism of Acts Again: Two Historical Clues in 1 Thessalonians, Themelios 13 (1988), 53-55

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