Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Kolosserbrief

Der Brief des Paulus an die Kolosser

Kol 2,6-7

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Kol 2,6-7



Übersetzung


Kol 2,6- 7 : 6 Wie ihr nun (den) Christus Jesus, den Herrn, angenommen habt, so wandelt in ihm, 7 verwurzelt und erbaut in ihm und gefestigt im Glauben, wie ihr unterrichtet worden seid, überströmend von Dank.



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V. 6


Beobachtungen: Der Titel „Herr“ gibt ein Herrschaftsverhältnis an: Der „Herr“ herrscht über seine Diener/Sklaven, die ihm bedingungslos zu dienen haben. Im Römischen Reich galt der Sklave als Sache. Der „Herr“ konnte also am Sklaven Willkür walten lassen. Allerdings erscheint Jesus Christus (oder: Gott) nicht als ein willkürlicher „Herr“, sondern vielmehr als einer, der seinen Sklaven für ihren Dienst Heil zukommen lässt. Der Sklave/Diener Jesu Christi (oder: Gottes) gehört also zu den sozial privilegierten Sklaven/Dienern. Der Aspekt der Gegenseitigkeit, wie er für das römische Klientelverhältnis typisch ist, spielt eine entscheidende Rolle: Der „Herr“ übt über seine Untergebenen (= Klienten) Macht aus, ist zugleich aber deren Schutzherr. Die Untergebenen wiederum sind dem „Herrn“ dafür zum Dienst verpflichtet. Die Christen befinden sich demnach also in der machtvollen Heilssphäre Jesu Christi, dem sie untergeben sind und dienen.


Die Annahme Jesu Christi (= Christi Jesu) ist als aktive Annahme des christlichen Glaubens zu verstehen, mit dem die Annahme Jesu Christi als "Herr" verbunden ist. Glaube ist nicht nur Sache der rechten Lehre, sondern bezieht auch das rechte Handeln mit ein. Es geht darum, so zu leben, dass es der rechten christlichen Lehre, in deren Zentrum das mit Jesus Christus verbundene Heilsgeschehen steht, entspricht.


Weiterführende Literatur: P. Müller 2009, 365-394 versucht, die Argumentation des Kapitels 2,6-23 in der Perspektive des Verfassers nachzuzeichnen und sie nutzbar zu machen für das Verständnis der Gegner. Der Verfasser stelle den Adressaten die Bedeutung Christi mit verschiedenen Akzenten vor Augen: In 1,15-20 auf Christus selbst, in 2,9-15 auf die Beziehung zwischen Christus und den Glaubenden und in 2,16-23 in kritischer Wendung auf die Gegner bezogen. Die Konsequenz aus den drei Abschnitten laute: In Christus ist alles für das Heil Notwendige geschehen; wer das Heil durch weitere Maßnahmen zu sichern versucht, stellt damit faktisch das Heil in Christus in Frage. Nach der Auffassung des Kol hätten die Gegner durchaus einen Christusbezug, den sie aber durch verschiedene Maßnahmen und Vorschriften ergänzten und damit vermutlich abzusichern versuchten.


Im Kol werde gemäß A. de Oliveira 1999, 72-103 hervorgehoben, was sich in den unumstrittenen Paulusbriefen durchgängig auspräge: "die Bindung des Christen an Christus, durch die Christus zum Mittelpunkt des christlichen Lebens wird". Im Kol sei nicht nur der Inhalt, sondern auch die literarische und rhetorische Disposition des Briefes davon bestimmt. Durch die Passagen, die mit einem bis dahin unbekannten Nachdruck von Christus als dem göttlichen Herrscher sprechen, sei die gesamte Argumentation des Briefes so aufgebaut, dass man von einer Christozentrik auch in literarischer und pragmatischer Perspektive sprechen könne. Dies zeige die gebotene, überwiegend synchrone Analyse der literarischen und rhetorischen Struktur des Briefes. Der Analyse schließt sich eine Darstellung der verschiedenen Bereiche der Christozentrik an, die vom Sitz im Leben des Briefes ausgehend speziell das Verhältnis zu den paulinischen Zeugnissen berücksichtigt.

Mit dem christlichen Leben gemäß dem Kol befasst sich H. W. House 1994, 440-454. Paulus unterstreiche (insbesondere in 2,6) die Verbindung von rechter Theologie und rechter Lebensweise. Die Christen in Kolossä - zumindest ein Teil von ihnen - hätten nicht mehr die Lehre des Paulus befolgt, sondern seien unter Missachtung der einzigartigen Stellung Christi im christlichen Glauben und christlichen Lebenswandel eigener Theologie gefolgt. Paulus ermahne sie, gemäß der von ihm gelehrten Wahrheit zu leben.


Mit Blick auf Kol 2,6-7 geht O. Merk 1989, 407-416 auf die im Urchristentum verbreitete, in den paulinischen Briefen intensiv den Zusammenhang von Heilsgeschehen und Handeln der Christen betonende sachliche Verbindung von Indikativ und Imperativ ein. Es bestätige sich in diesen beiden Versen, was J. Gnilka als einen wichtigen Aspekt im Kol erarbeitet habe: Im "Wandeln" komme die unvertretbare und unaufgebbare Eigenverantwortung des Menschen in den Blick.


Zur Irrlehre der Kolosser, Methode der Widerspiegelung (reflexio/antanaklasis: vom Gesprächspartner bzw. Gegner verwendete Begriffe werden aufgenommen und in leicht veränderter Bedeutung verwendet) und Redaktionsgeschichte in Kol 2,6-23 siehe P. Garuti 2002, 303-326.


Zur Zeitlosigkeit der zentralen theologischen Aussagen von Kol 2,6-19 siehe H. D. Hayes 1995, 285-288.


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V. 7


Beobachtungen: Der Verfasser des Kol drückt die Festigkeit im Glauben mit Bildern aus der Welt der Pflanzen und des Bauwesens aus. Ein Baum (= Glaube), der fest im Boden (= Jesus Christus) verwurzelt ist, fällt bei einem Sturm (= Bedrängnisse, Irrlehrer) nicht so schnell um. Ebenso bricht ein Haus, das auf festem Fundament (= Jesus Christus) steht und auf diesem erbaut ist (= Gemeindeaufbau), bei einem Sturm oder Erdbeben (= Bedrängnisse, Irrlehrer) nicht so schnell in sich zusammen.

Es fällt auf, dass die Festigkeit verschiedene räumliche Dimensionen hat: Die Verwurzelung geht in die Tiefe und (unter der Erde) auch in die Breite, das Fundament in die Breite, aber auch in die Tiefe. Der Bau selbst geht in die Höhe. Und all die Festigung geschieht in einem Heilsraum, nämlich in Jesus Christus.


Die Zeitform der drei Partizipien "errizômenoi" ("verwurzelt"), "epoikodomoumenoi" ("erbaut"; genau genommen: "erbaut werdend") und "bebaioumenoi" ("gefestigt"; genau genommen: "gefestigt werdend") ist nicht einheitlich: "Errizômenoi" ist ein Perfekt, "epoikodomoumenoi" und "bebaioumenoi" sind dagegen Präsens. Die Verwurzelung in Jesus Christus hat also in der Vergangenheit stattgefunden, ist aber auch für die Gegenwart noch von grundlegender Bedeutung. Der Gemeindeaufbau und die Festigung des Glaubens sind dagegen noch nicht abgeschlossen, sondern dauern noch an. Beides folgt aus der Verwurzelung in Jesus Christus.


Alle drei Partizipien sind Passive. Die Adressaten haben sich also nicht selbst verwurzelt und sie erbauen und festigen sich auch nicht selbst. Stattdessen hat jemand an ihnen gewirkt und wirkt weiterhin. Die Akteure könnten Missionare wie Epaphras sein, die den Glauben verkündigt haben und dann den Gemeindeaufbau vorantreiben und den Glauben der einzelnen Christen festigen. Aber auch diese Akteure haben genau genommen nicht das Heft selbst in der Hand. Sie sind vielmehr Instrumente, die einen Heilsplan Gottes umsetzen. Der Hauptakteur wäre demnach Gott und die drei Partizipien können als "passiva divina" gedeutet werden, also auf Passive, die auf das Wirken Gottes hinweisen.


Der Glaube ist nicht ein beliebiger, sondern derjenige, in dem die Adressaten unterrichtet worden sind. Unterrichtet worden sind die Adressaten von einem Mitarbeiter des Paulus, Epaphras (vgl. Kol 1,5-7). Es handelt sich also zunächst einmal um den christlichen Glauben. Darüber hinaus handelt es sich um den christlichen Glauben, wie er der Lehre des Epaphras und damit sicherlich auch des Paulus entspricht. Sofern Paulus nicht der Verfasser des Kol ist, entspricht der Glaube, in dem die Adressaten unterrichtet worden sind, sicherlich auch dem des Verfassers des Kol, der sich ja als Paulus ausgibt und damit theologisch in dessen Tradition stellt.

Mit Blick auf 2,5 kann man sagen, dass der Glaube, in dem die Adressaten unterrichtet worden sind, die rechte (Schlacht-)Ordnung darstellt. Auf diesen Glauben bezieht sich auch die "Festigkeit im Glauben", von der die Rede ist.


"Überströmend von Dank" kann sich auf "wandelt in ihm" oder auf "gefestigt im Glauben" beziehen. Im Ergebnis ergibt das jedoch keinen nennenswerten Unterschied. Ausgesagt ist in jedem Fall, dass der Dank ein wesentliches Element des christlichen Lebenswandels ist. Dabei wird jedoch nicht konkretisiert, was der Grund des Dankes ist. Es lässt sich nur allgemein sagen, dass der Dank aus dem Glauben und/oder der Glaubenslehre folgt. Das Glaubenselement, das an erster Stelle zum überströmenden Dank Anlass gibt, dürfte wohl die Versöhnung sein, die in Kol 1,20.22 herausgehoben wird.

Der Dank spielt im Kolosserbrief eine ganz zentrale Rolle, wie die Vielzahl Stellen (1,3.12; 2,7; 3,15-17; 4,2) zeigt, an denen von ihm die Rede ist. Eine Besonderheit in 2,7 ist die Hervorhebung des enormen Ausmaß des Dankes mittels der Formulierung "überströmend von Dank".


Einige Textvarianten lesen - in Abwandlungen - nicht "überströmend von Dank", sondern "überströmend von Glauben". Sie verstehen also das Überströmen des Glaubens als Folge von dessen Festigung. Der Dank als neuer Gesichtspunkt wird dagegen an dieser Stelle ausgelassen.


Weiterführende Literatur: Mit der besonderen Bedeutung der Partizipien in der argumentatio Kol 1,24-4,1 befasst sich unter syntaktischen und rhetorischen Gesichtspunkten L. Giuliano 2013, 293-317. Ihnen komme bei der Fortentwicklung des Gedankengangs eine entscheidende Rolle zu. Im ersten Abschnitt 1,24-2,5 konzentriere sich das wiederholte Auftreten der Partizipien insbesondere auf die Person des Apostels Paulus. Im zweiten Abschnitt 2,6-23 verschiebe sich der Schwerpunkt hin zu Christus und den Gläubigen.


Laut T. J. Sappington 1991, 150-223 sei ein wesentlicher Aspekt der Antwort des Paulus auf die kolossische Irrlehre, dass er das erlösende Heilsgeschehen, das den Christen "in Christus" zukomme, betont. Dabei schreibe er auf dem Hintergrund der endzeitlichen Gerichtsszene, wie sie in mehreren jüdischen Apokalypsen geschildert werde. Verurteilung von Gläubigen aufgrund der Satzungen und Gebote der Irrlehrer sei unwirksam, weil der Grund der Anklage beim Jüngsten Gericht beseitigt worden ist. Folglich bräuchten sich die Gläubigen nicht vor den anklagenden spirituellen Mächten zu fürchten. Ihre zukünftige Erfahrung der Segnungen des Himmels werde allein dadurch gesichert, dass sie "in Christus" sind. So gründe die Polemik 2,6-13 auf der festen soteriologischen Grundlage, wie sie in 2,9-15 ausgearbeitet wurde - eine soteriologische Grundlage, wie sie sich kurz in 1,12-14 finde und dann in 2,13-15 detaillierter dargelegt werde. Und diese Polemik antworte - bei Verwendung der Bilderwelt jüdischer Apokalyptik - auf Begriffe und Gedanken, wie sie bei den kolossischen Irrlehrern gebräuchlich gewesen seien.



Literaturübersicht


de Oliveira, Anacleto; Christozentrik im Kolosserbrief, in: K. Scholtissek [Hrsg.], Christologie in der Paulus-Schule (SBS 181), Stuttgart 1999, 72-103

Garuti, Paolo; L'eresia di Colossi, l' antanaclasi e la storia della redazione. Qualche considerazione a proposito di Col 2,6-23, Ang. 79/2 (2002), 303-326

Giuliano, Leonardo; Il participio nell'argumentatio di Col 1,24-4,1: valore sintattico e funzione retorica, LA 63 (2013), 293-317

Hayes, Holly Diane; Colossians 2:6-19, Interp. 49 (1995), 285-288

House, H. Wayne; The christian Life according to Colossians, BS 151/604 (1994), 440-454

Merk, Otto; Erwägungen zu Kol 2,6f, in: H. Frankemölle, K. Kertelge [Hrsg.], Vom Urchristentum zu Jesus, FS J. Gnilka, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 1989, 407-416

Müller, Peter; Gegner im Kolosserbrief. Methodische Überlegungen zu einem schwierigen Kapitel, in: W. Kraus [Hrsg.], Beiträge zur urchristlichen Theologiegeschichte (BZNW 163), Berlin 2009, 365-394


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