Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 2,8-10

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 2,8-10



Übersetzung


Eph 2,8-10 :8 Denn durch die Gnade seid ihr gerettet durch Glauben, und das nicht aus euch: Das Geschenk Gottes ist es; 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Gebilde, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die (der) Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln.



V. 8-9


Beobachtungen: Nachdem V. 5 schon herausgestellt hatte "aus Gnade seid ihr gerettet", entfalten die V. 8-10 nun diese Aussage.


Das pointierte "aus Gnade seid ihr gerettet...!" fasst für die Adressaten in wenigen, klaren Worten die Rechtfertigungslehre des Paulus zusammen, wobei der Verfasser des Eph nicht (mehr) von der "Rechtfertigung", sondern von der "Rettung" spricht. Wovor die Rettung erfolgt, wird nicht gesagt. Am ehesten ist an die Rettung vor dem Zorn Gottes (vgl. V. 3) und den Folgen für die eigene Existenz zu denken.

Die Gnade wird mit einer Bedingung verknüpft, nämlich mit dem Glauben. Dabei ist der Glaube an Jesus Christus gemeint.


Worauf bezieht sich "touto" ("das")? Das Bezugswort ist im unmittelbar Vorhergehenden zu suchen und weil "touto" ein Neutrum ist, muss auch das Bezugswort ein Neutrum sein. Da aber weder "charis" ("Gnade") noch "pistis" ("Glaube/Treue") ein Neutrum ist, ist davon auszugehen, dass sich "touto" auf die gesamte Aussage "Denn durch die Gnade seid ihr gerettet durch Glauben" bezieht. Weder geht die Gnade auf den Menschen - konkret die Adressaten oder die Christen allgemein - zurück, noch die Rettung noch der Glaube. Gnade, Rettung und Glaube kommen von Gott.


"Geschenk Gottes" enthält zwei Aspekte: Erstens wird die Gnade nicht durch (gute) Werke erworben, ist also kein Verdienst, sondern wird geschenkt. Zweitens handelt es sich um ein Geschenk Gottes, d. h. Gott ist der Urheber der Gnade, nicht der Mensch. Somit kann sich kein Mensch rühmen, er habe sich die Gnade durch (gute) Werke selbst verdient. Zu rühmen ist - dies wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, klingt aber mit - Gott.


Der Verfasser des Eph spricht allgemein von "Werken", nicht von "Werken des Gesetzes". Es handelt sich also um eine allgemeingültige Aussage, die sowohl für Heiden- als auch für Judenchristen zutrifft. Die Rede von "Werken des Gesetzes" (im Sinne von "Werken des jüdischen Religionsgesetzes") wäre schon deswegen nicht sinnvoll, weil die Adressaten Heidenchristen sind (vgl. 2,11; 3,1; 4,17) und sich nicht an das jüdische Religionsgesetz halten oder gehalten haben.


Weiterführende Literatur: Von der Beobachtung ausgehend, dass die Auferstehung der Christen in den unzweifelhaft authentischen Paulusbriefen erst in der Zukunft angenommen, in Eph 2,1-10 und Kol 3,1-4 dagegen als gegenwärtig verstanden wird, befasst sich G. Barbaglio 1982, 224-233 mit der Bedeutung der Zeiten im Eph und Kol. Die Zeiten seien nicht nur chronologisch zu verstehen, als Abfolge von Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft, sondern sie besäßen bestimmte Charakteristika im Hinblick auf den vom Geist Gottes bewegten Menschen: Die Vergangenheit stelle die negative, finstere Seite des Menschen dar; die Gegenwart werde in Begriffen des Übergangs vom Tod zum Leben beschrieben; die Zukunft sei die Hoffnung auf die vollständige Umsetzung des Heilswirkens Gottes. Die "geistliche" Erfahrung sei dynamisch, für neue Entwicklungen offen: Die Vergangenheit werde immer mehr zur Vergangenheit, in der Gegenwart erfolgten Schritte hin zur Zukunft und die Hoffnung werde durch eine - wenn auch nur teilweise - Vorwegnahme dessen, was sein wird, verstärkt. Die Christen seien also noch auf dem Weg, nicht angekommen. Das neue Leben gleiche einem Samenkorn, das sich zu einer ausgewachsenen Pflanze entwickelt. Es müsse sich durch christliches Handeln entwickeln und werde erst mit dem Erscheinen Christi am Ende der Tage vollständig offenbar.


Wie die Analyse der Texte Eph 1,3-14; 1,21; 2,1-10; 4,22-24; 4,30; 6,13 zeige, werde gemäß T. Witulski 2005, 211-242 die vom Verfasser des Eph vertretene eschatologische Konzeption durch zwei zentrale Aspekte charakterisiert: (1) Im Unterschied zu Paulus sei für den Verfasser des Eph dieses eschatologische Heil den Christen in ihrer Vergangenheit bzw. ihrer Gegenwart vollständig zuteil geworden. (2) Das endzeitliche Heil sei zwar eine objektive, aber noch keine offenbare Wirklichkeit, was für die Christen bedeute, dass dieses Heil in ihrer Gegenwart ihrer Verfügungsgewalt entzogen bleibe und sie es immer noch verlieren können. Erst mit dem Zeitpunkt der Parusie Christi werde dieses Heil zu einer offenbaren, nicht mehr verlierbaren Realität. Das aber heiße, dass die präsentische Eschatologie des Verfassers des Eph unter einem zeitlichen Vorbehalt steht, der in der ethischen Forderung konkrete Gestalt gewinnt: Um das eschatologische Heil als unverlierbaren Besitz zu erlangen, müsse der Christ sich in der Gegenwart im Rahmen eines Entwicklungsprozesses ethisch bewähren.


A. T. Lincoln 1983, 617-630 geht der Frage nach, ob wir es bei dem Eph im Allgemeinen und bei 2,8-10 im Speziellen mit der Quintessenz paulinischer Theologie zu tun haben. Ergebnis: Es spiegele sich im Eph und insbesondere in 2,8-10 deutend wider, was der Verfasser des Eph im Hinblick auf die paulinische Heilslehre für besonders wichtig hielt. Von dieser Annahme ausgehend nimmt A. T. Lincoln abschließend in fragender Art und Weise einzelne Aspekte genauer in den Blick.


Eph 2,1-10 werde laut C. Gerber 2011, 366-391 in der Auslegung vor allem an der paulinischen Tradition gemessen. Irritiere die scheinbar "realisierte Eschatologie" in V. 6, so gelte andererseits V. 8-9 als einer der wenigen nachpaulinischen Reflexe der Rechtfertigungslehre im NT. Allerdings fehle die spezifische Terminologie, und was überhaupt die Rechtfertigungsbotschaft des Paulus ausmacht, sei heute umstritten. C. Gerber fordert daher, den Text in seinem eigenen Duktus und in Wahrnehmung seiner besonderen Tot-lebendig-Metaphorik zu lesen: Jüdische wie nichtjüdische Menschen seien "tot in Sünden" gewesen (V. 1-3.5). Ihre Rettung verdanke sich allein der Gnade Gottes, der die Menschen mit Christus "lebendig mache" So begründe der Text, ohne die Endzeiterwartung zu dispensieren, die Aufgabe zu einem Leben gemäß dem Willen Gottes (V. 10).


H. Hübner 1989, 392-406 geht Glossen in Eph 2 nach. Ein störendes Element sei an sich noch nicht als Glosse zu werten. Eine Glosse sei erst dann wahrscheinlich, wenn die störenden Worte aufgrund ihres Inhalts oder ihrer Begrifflichkeit kaum dem Autor der betreffenden Schrift zugeschrieben werden könnten. Erst recht sei eine Glosse oder Interpolation dann zu vermuten, wenn durch ihre Entfernung eine Unstimmigkeit in der Argumentation oder gar ein Widerspruch in der Gedankenführung beseitigt werden kann. In Eph 2 seien die V. 5b und 8-9 als Glossen auszumachen. Die Betonung der Rettung durch Gnade und Glauben lasse sich so erklären: V. 10 könnte (ohne den Kontext der beiden zuvorstehenden Verse) wegen der Zielbestimmung "geschaffen zu guten Werken" als zu unpaulinisch angesehen worden sein, so dass ein Interpolator, der sich mehr dem Geiste des Paulus verpflichtet sah, als er ihn in Eph 2 wahrzunehmen glaubte, V. 5b und V. 8-9 als Glossen eingesetzt hat.


E. Best 1992, 53-69 befasst sich mit dem dogmatischen und liturgischen Material im Eph unter den Fragestellungen, wie der Verfasser des Eph es aufgegriffen und bearbeitet hat und welches die Gründe dafür sind. Auf S. 60-61 geht er auf 2,4-10 ein, wobei er zu dem Ergebnis kommt, dass der Abschnitt von dem Verfasser des Eph stamme, auch wenn ihm in hohem Maße Ausdrücke und Gedanken zugrunde lägen, die im 1. Jh. n. Chr. weit verbreitet waren.


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V. 10


Beobachtungen: V. 10 schärft ein, warum sich wirklich kein Mensch die Gnade durch (gute) Werke erworben hat und erwerben wird. Nichts hat der Mensch nämlich sich selbst zu verdanken, weder die Gnade, noch sich selbst, noch seine (guten) Werke.


Der Begriff "poiêma" ("Gebilde") meint in der Bibel das "Werk", "Gebilde" oder "Geschöpf" Gottes. Der Mensch ist also nicht aus sich heraus entstanden, durch eigenes Tun, sondern er ist das Gebilde Gottes. Das dürfte sich zum einen auf die Schaffung des Menschengeschlechtes durch Gott beziehen, wie sie in den biblischen Schöpfungsgeschichten beschrieben wird. Aber auch jeder Mensch ist als Individuum ein Geschöpf, das nicht aus Eigenleistung heraus geboren wurde.

Die Schöpfung des Verfassers des Eph und der Adressaten und wohl auch aller Christen ist aber auch im Lichte Jesu Christi zu sehen: Sie sind nämlich in Christus Jesus (= Jesus Christus) geschaffen. Gemäß Kol 1,16 ist alles in Christus Jesus geschaffen worden. Zunächst einmal weist in diesem Vers, der Eph 2,10 zugrunde gelegen haben könnte, die Präposition "in" auf einen Raum hin, in dem etwas geschieht. Über diesen räumlichen Aspekt hinausgehend ist aber auch davon auszugehen, dass ein Macht- und Wirkungsbereich ausgesagt ist. Wenn also alles "in ihm" erschaffen wurde, dann wurde alles in seinem Macht- und Wirkungsbereich geschaffen. Und weil Jesu Christi Wirken mit Blick auf Erlösung und Sündenvergebung (vgl. Kol 1,14) ein heilsames Wirken ist, befindet sich "alles" seit der Schöpfung im Heilsbereich Jesu Christi und ist von Erlösung und Sündenvergebung betroffen. In Eph 2,10 mag über diesen Gedanken hinaus auch die Neuschöpfung in den Blick kommen, die mit der Annahme des christlichen Glaubens und der Taufe erfolgt. Die neue Existenz erfolgt gemäß Eph 2,5-7 "in Christus". Von der Schöpfung über die neue Schöpfung bis hin zum Wandel in den guten Werken befinden sich der Verfasser des Eph, die Adressaten und wohl auch alle Christen "in Christus Jesus".


Damit auch ja niemand auf die Idee kommt, dass die guten Werke seine eigene Leistung sind, merkt der Verfasser des Eph sogleich an, dass Gott die guten Werke zuvor bereitet hat. Ins Detail geht er dabei nicht, aber er lässt doch erkennen, dass Gott dabei wohlbedacht und mit einer bestimmten Absicht vorgegangen ist: "damit wir in ihnen wandeln". Wenn also jemand gute Werke tut, dann nur aufgrund des Wollens und Wirkens Gottes.


Weiterführende Literatur: Von Eph 2,10 ausgehend befasst sich D. Mongillo 1994, 135-144 mit dem Verhältnis von Verkündigung, Ermahnung und Ratschlägen.


Laut T. G. Gombis 2004, 403-418 werde Eph 1,20-2,22 gewöhnlich als eine Erweiterung oder Fortsetzung des Lobpreises und der Danksagung in Eph 1 verstanden und behauptet, dass keine durchdachte theologische Argumentation und noch nicht einmal ein klarer und schlüssiger Gedankengang zu erkennen sei. Das sei aber falsch: Werde der Text im Lichte göttlicher Kriegsideologie gelesen, wie sie uns in Texten des Alten Vorderen Orients begegne (Baal-Zyklen Ugarits, Enuma Elisch) und auch im AT und NT Verwendung finde, dann werde die Argumentation des Eph offenbar: Die Triumphe Christi über die bösen Mächte bestätigten den erhöhten Status des Herrn Christus, der seinen Sieg durch die Verkündigung des Friedens ankündige. So wie die siegreichen vorderorientalischen Gottheiten Tempel oder Paläste besaßen, die zu ihren Ehren errichtet worden waren, würden auch in Eph 2 die Triumphe des erhöhten kosmischen Herrn Christus mittels des Baus des Tempels, der gleichermaßen aus Juden- und Heidenchristen zusammengesetzt sei, in Erinnerung gebracht.


R. H. Suh 2007, 715-733 betrachtet Eph 2 auf dem Hintergrund von Ez 37. Obwohl Ez 37 und Eph 2 ihren je eigenen historischen Hintergrund hätten, sei schon auf den ersten Blick folgende Parallele bezüglich der Kernaussage zu erkennen: Ez 37 sage aus, dass Juda und Israel unter göttlicher Führung eine Einheit werden, wobei das Gesetz (= jüdische Religionsgesetz) beachtet und befolgt werde. Eph 2 sage aus, dass Juden und Christen in der neuen Schöpfung eine Einheit geworden seien, und zwar aufgrund Christi Erlösungswerk, mit dem das Gesetz abgelöst worden sei. R. H. Suh geht dann genauer auf die verbalen, strukturellen und thematischen Parallelen zwischen beiden Texten ein. Als thematische Parallelen, mit denen auch die Parallelen bezüglich der Wortwahl zusammenhängen, nennt er: a) die neue Schöpfung vom Tod zum Leben; b) das Wandeln auf dem Weg des Herrn; c) der Bund; d) der Friede; e) der verheißene Messias aus dem Hause Davids, nämlich Jesus; f) der Tempel als Heiligtum und Wohnort Gottes; g) die Einheit; h) das Volk Gottes; i) der heilige Geist.



Literaturübersicht:


Barbaglio, Giuseppe; Siamo risorti con Cristo!, PSV 5 (1982), 224-233

Best, Ernest; The Use of Credal and Liturgical Material in Ephesians, in: M. J. Wilkins et al. [eds.], Worship, Theology and Ministry in the Early Church (JSNT.SS 87), FS R. P. Martin, Sheffield 1992, 53-69

Gerber, Christine; Leben allein aus Gnade. Eph 2.1-10 und die paulinische Rechtfertigungsbotschaft, NTS 57/3 (2011), 366-391

Gombis, Timothy G.; Ephesians 2 as a Narrative of Divine Warfare, JSNT 26/4 (2004), 403-418

Hübner, Hans; Glossen in Epheser 2, in: H. Frankemölle, K. Kertelge [Hrsg.], Vom Urchristentum zu Jesus, FS J. Gnilka, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 1989, 392-406

Lincoln, Andrew T.; Ephesians 2:8-10: A Summary of Paul's Gospel?, CBQ 45/4 (1983), 617-630

Mongillo, Dalmazio; L’agire retto e l’anticipazione della pienezza a partire da Ef 2,10, in: L. Padovese [ed.], Atti del II Simposio di Tarso su S. Paolo Apostolo (Turchia: la Chiesa e la sua storia 7), Roma 1994, 135-144

Suh, Robert H.; The Use of Ezekiel 37 in Ephesians 2, JETS 50/4 (2007), 715-733

Witulski, Thomas; Gegenwart und Zukunft in den eschatologischen Konzeptionen des Kolosser- und Epheserbriefes, ZNW 96/1-2 (2005), 211-242

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