Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (13-14)

Die erste Missionsreise des Paulus

Apg 14,20b-23

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 14,20b-23

 

 

Übersetzung

 

Apg 14,20b-23:20b (Und) Am nächsten Tag zog er mit (dem) Barnabas weiter nach Derbe. 21 Nachdem sie in jener Stadt verkündigt und zahlreiche Jünger gewonnen hatten, kehrten sie nach Lystra und [dann] nach Ikonion und Antiochia zurück, 22 stärkten die Seelen der Jünger [und] ermahnten [sie], im Glauben zu verharren und "dass wir durch viele Bedrängnisse hindurch in das Reich (des) Gottes eingehen müssen“. 23 Sie bestellten ihnen in jeder Gemeinde Älteste, beteten unter Fasten und vertrauten sie dem Herrn an, an den sie zum Glauben gekommen waren.

 

 

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V. 20b

 

Beobachtungen: Der Verfasser der Apg lässt Paulus schon am Tag nach seiner Steinigung durch die Juden seine Reise von Lystra fortsetzen, als sei nichts gewesen. Angesichts des weiteren Verlaufs der Heilsgeschichte kommt der Steinigung geradezu marginale Bedeutung zu.

In 14,6 ist die Reise nach Derbe schon vorweggenommen, doch ist sie hier nicht als geordnete Reise, sondern eher als Flucht erschienen, die nicht unbedingt über Lystra geführt haben muss. Derbe erschien weniger als Station einer Reise als vielmehr als einer von mehreren Zufluchtsorten. War die Notiz 14,6 untypisch für die Erzählweise des Verfassers der Apg und auf verarbeitetes Traditionsgut zurückzuführen, so wird von diesem nun in 14,20b in gewohntem Stil der Reisebericht fortgesetzt.

 

Derbe war eine Stadt in Lykaonien im Südosten der heutigen Türkei (vgl. V. 6). Bisher konnte die genaue Lage der Stadt jedoch noch nicht eindeutig ermittelt werden. Inschriften und Grabsteine, die die Stadt Derbe erwähnen, wurden im Raum Kerti Hüyük gefunden, so dass die Stadt wohl dort gelegen haben dürfte. Ob Derbe zur Zeit der in der Apg geschilderten Ereignisse zur Provinz Galatien gehörte, ist nicht sicher. Falls dies der Fall war, dürfte sie die südöstlichste Stadt der Provinz gewesen sein.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 21

 

Beobachtungen: Derbe erscheint als die einzige Stadt, in der Paulus und Barnabas auf ihrer Missionsreise auf keinen Widerstand stießen. Der Grund für diesen Sachverhalt ist unbekannt. Möglicherweise war die jüdische Gemeinde zu unbedeutend, als dass sie eine Verfolgung hätte anzetteln können. Vielleicht erregte die Missionstätigkeit in Derbe deshalb keinen Anstoß, weil sie im Bewusstsein der vorausgegangenen lebensbedrohlichen Verfolgung zurückhaltend erfolgte. Die jüdischen Peiniger, die die Steinigung des Paulus in Lystra zu verantworten hatten, werden deshalb nicht nach Derbe weitergereist sein, weil sie dachten, dass Paulus bei der Steinigung zu Tode gekommen sei (vgl. V. 19). Sofern sich dieses Gerücht bis hin nach Derbe verbreitet hatte, könnte es das Fehlen jeglicher Verfolgung in Derbe erklären. Die Steinigung nur des Paulus hatte gezeigt, dass sich der Hass der Juden auf seine Person konzentrierte, zumal er als Wortführer der Missionare galt (vgl. V. 12). Mit dem Gerücht, dass er gestorben sei, mag sich die den Christen feindlich gesinnte Stimmung beruhigt zu haben. Dass damit jegliche Christenverfolgung in den zuvor missionierten Städten Anatoliens ein Ende genommen hätte, ist damit aber nicht gesagt.

 

Das Verb "mathêteuô“ bedeutet zunächst einmal "unterrichten“, dann aber auch "zum Schüler machen“. Hier dürfte letztere Bedeutung vorliegen, wobei es sich bei den "Schülern“ um "Schüler“ (= Anhänger) Jesu Christi handelt. V. 21 sagt also vermutlich aus, dass die Verkündigung in Derbe zu Bekehrungen zum Christentum führte. Dabei bleibt offen, wie viele Menschen bekehrt wurden. Der Codex Cantabrigiensis fügt deutend das Objekt "viele“ ("pollous“) ein, geht also davon aus, dass viele Menschen zum Christentum bekehrt wurden. In diesem Sinne dürfte auch der von Nestle-Aland, 27. Aufl. gebotene Text zu verstehen sein.

 

Die Beruhigung der Lage nach dem vermeintlichen Tod des Paulus mag auch erklären, warum Paulus und Barnabas es wagten, den Rückweg über die bereits missionierten Städte Lystra, Ikonion und Antiochia anzutreten, statt sich direkt nach Kilikien zu begeben. Die direkte Reise nach Kilikien hätte nahe gelegen, weil dort Paulus' Geburtsort, Tarsus (vgl. Apg 9,11; 21,39; 22,3), lag und sich Paulus dort schon bald nach seiner Berufung zum Christentum aufgehalten und vielleicht auch schon verkündigt hatte (vgl. Apg 9,30; 11,25-26; Gal 1,21).

 

Weiterführende Literatur: D. F. Detwiler 1995, 33-41 liest Apg 14,21-23 im Lichte des Auftrags "machet zu Jüngern alle Völker“ (Mt 28,19). Dabei geht er auf folgende Schritte ein: den Gewinn von Jüngern durch die Verkündigung des Evangeliums; Stärkung der Jünger durch Betonung des spirituellen Wachstums; Organisieren der Jünger durch Sorge für eine geistliche Leitung und schließlich das Betrauen Gottes mit der Fürsorge für die Jünger durch Gebet und Fasten.

 

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V. 22

 

Beobachtungen: Der entscheidende Grund der Rückreise wird in V. 22 genannt: Es sollte nicht bei der Erstverkündigung und den Gemeindegründungen bleiben, sondern es sollte auch ein Gemeindeaufbau erfolgen. Im Bewusstsein der in der feindlichen Umgebung gefährdeten christlichen Existenz stärkten Paulus und Barnabas die Seelen der Jünger“. Die Seelsorge war ein wesentlicher Aspekt des Gemeindeaufbaus. Dabei setzt das Vorhandensein von Jüngern − gemeint sind wohl Jünger Jesu Christi, also Christen − voraus, dass sowohl in Lystra als auch in Ikonion und Antiochia die Verkündigung des Evangeliums in einem Mindestmaß von Erfolg gekrönt war.

 

Die Formulierung von V. 22b weist darauf hin, dass der Verfasser der Apg eine wörtliche Aussage in seinen Bericht eingebaut hat. So lässt sich auch die Verwendung des Personalpronomens "wir“ erklären. Von wem die Aussage stammt ist unbekannt. Sie könnte von Paulus selbst oder auch von Barnabas stammen, aber auch nur den beiden Missionaren in den Mund gelegt worden sein. In letzterem Falle könnte es sich um ein Wort Jesu handeln, aber auch von dem Verfasser der Apg von einem uns unbekannten Christen aufgeschnappt worden sein. Schließlich kann aber auch der Verfasser der Apg seine eigene Theologie in Worte der Missionare verpackt haben, wobei diese durchaus der Theologie des Paulus entsprechen (vgl. v. a. Röm 8,17; Phil 3,10-11).

 

Die Präposition "dia“ bedeutet "durch“, wobei sie in Verbindung mit dem Akkusativ die Art und Weise angibt, nicht jedoch den Grund oder das Mittel, auf den bzw. das ein Genitiv folgen müsste. Die Christen müssen demnach also durch viele Bedrängnisse hindurch in das Reich Gottes eingehen, nicht jedoch mittels vieler Bedrängnisse. Diesen Sachverhalt verdeutlicht die Übersetzung "durch viele Bedrängnisse hindurch“ statt "durch viele Bedrängnisse“.

 

Die Aussage, "dass wir durch viele Bedrängnisse hindurch in das Reich (des) Gottes eingehen müssen“, ist zunächst einmal ganz konkret auf dem Hintergrund der vergangenen Verfolgungsereignisse in Antiochia, Ikonion und Lystra zu verstehen: Das Bekenntnis zu Jesus Christus birgt die Gefahr der Verfolgung durch Andersgläubige. Solcherlei Bedrängnisse gehören zur christlichen Existenz dazu. Darauf muss sich einstellen, wer sich zu Jesus Christus bekennt und auf Sündenvergebung, Auferstehung von den Toten und das ewige Leben hofft. Bei dieser Deutung wird "Reich Gottes“ als ein Ort verstanden, in den die gerechtfertigten Christen, die sich in der Verfolgung bewährt und im Glauben verharrt haben, zum ewigen Leben eingehen. Nun kann das "Reich Gottes“ aber auch auf eine Weltzeit verweisen, die die Weltzeiten der Geschichte auf Erden ablöst. Eine solche Weltzeit wäre von der Herrschaft Gottes statt der Herrschaft von Menschen geprägt. Das Kommen des "Reiches Gottes“ würde durch die Verfolgung von Christen angekündigt. Eine solche eschatologische Deutung ist möglich, allerdings ist sie insbesondere im Hinblick auf die von Paulus gemäß der Apg gepredigte Theologie, die Sündenvergebung, Auferstehung von den Toten und das ewige Leben in den Mittelpunkt rückt (vgl. 13,16-41), nicht nahe liegend.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 23

 

Beobachtungen: Das Verb "cheirotoneô“ bedeutet genau genommen "durch Handaufheben wählen“. Weil aber nur Paulus und Barnabas als Wählende erscheinen, dürfte wohl keine Wahl durch Handaufheben erfolgt sein, sondern Paulus und Barnabas werden in gegenseitigem Einvernehmen "Älteste“ ernannt haben. Das schließt nicht aus, dass zuvor eine Wahl seitens der Gemeindeglieder stattgefunden hatte und die beiden Missionare diese Wahl nur noch bestätigten. Eine solche Wahl seitens der Gemeindeglieder kommt allerdings in V. 23 nicht in den Blick.

Das Personalpronomen "ihnen“ bezieht sich wahrscheinlich auf die Jünger, also auf die Gemeindeglieder. Diesen wurden die "Ältesten“ bestellt.

 

Die Sorge um die rechte Gemeindeführung und −verwaltung war neben der Seelsorge ein weiterer wesentlicher Aspekt des Gemeindeaufbaus seitens der beiden Missionare. Die Bestellung von "Ältesten“ ("presbyteroi“) folgte möglicherweise der Ordnung der Jerusalemer Gemeinde, in der es − jüdischen Gemeinden entsprechend - ebenfalls ein Ältestengremium gab (vgl. Apg 11,30; 15,2.4.6.22-23; 16,4; 21,18). Fraglich ist, ob eine solch frühe Wahl und/oder Bestellung von Ältesten in den paulinischen Gemeinden den historischen Tatsachen entspricht. Es kann sein, dass der Verfasser der Apg die Strukturen der Gemeindeleitung seiner Zeit auf die Zeit des Paulus und Barnabas übertrug. Paulus erwähnt in den Briefen, die gewöhnlich für echt gehalten werden (1 Thess, 1 Kor, 2 Kor, Gal, Röm, Phil, Phlm), "Älteste“ nicht. Das heißt allerdings nicht, dass ihm keinerlei Gemeindeämter bekannt waren. So erwähnt er in Phil 1,1 "Aufseher/Bischöfe“ ("episkopoi“) und "Diener/Diakone“ ("diakonoi“), wobei jedoch unklar ist, ob es sich dabei "nur“ um Gemeindemitglieder handelte, denen besondere Aufgaben übertragen waren, oder ob schon den späteren "Bischöfen“ und "Diakonen“ entsprechende Ämter im eigentlichen Sinn vorauszusetzen sind. Auch ist zu fragen, ob die Aufgaben oder das Amt der "Aufseher/Bischöfe“ mit den- bzw. demjenigen der "Ältesten“ gleichzusetzen ist. Weitere Textstellen, in denen Paulus in seinen Briefen besondere Aufgaben oder Ämter erkennen lässt, sind Röm 16,1, wo von der Diakonin Phöbe die Rede ist, und 1 Thess 5,12, wo Paulus auf diejenigen, "die sich unter euch mühen und euch vorstehen im Herrn und die euch ermahnen“, zu sprechen kommt.

 

Das von Fasten begleitete Gebet kann privaten Charakter gehabt, aber auch im Rahmen eines Gottesdienstes stattgefunden haben. Auf jeden Fall handelte es sich um eine Vorbereitung der folgenden Übergabe an den "Herrn“ (= Jesus Christus oder Gott), die als geistliches Ereignis erscheint.

 

Es ist anzunehmen, dass es die "Ältesten“ waren, die dem "Herrn“ anvertraut wurden. Damit blieb die Bestellung der "Ältesten“ kein reiner Verwaltungsakt, sondern bekam geistlichen Charakter: Die "Ältesten“ wurden dem Schutz und der Fürsorge des "Herrn“ anvertraut, womit vermutlich auch verdeutlicht wurde, dass die "Ältesten“ ihre Aufgaben in Verantwortung vor dem "Herrn“ zu erledigen hatten. Möglich ist auch, dass sich das Personalpronomen "sie“ nicht nur auf die "Ältesten“ bezieht, sondern auch auf die zuvor genannten Jünger. Dann wäre die gesamte Gemeinde dem "Herrn“ anvertraut worden. Fraglich ist, an welchem Ort und in welchem Rahmen die Übergabe an den "Herrn“ geschah. Am ehesten ist an einen Gottesdienst zu denken.

 

Es ist anzunehmen, dass die drei Handlungen Bestellung der "Ältesten“, Gebet unter Fasten und Übergabe an den "Herrn“ in jeder einzelnen Gemeinde aufeinander folgten und erst dann die beiden Missionare weiterreisten. Möglich ist auch, dass zuerst in allen Gemeinden nacheinander die "Ältesten“ bestellt wurden und erst nach Beendigung dieser ersten Handlung, von Gebet unter Fasten vorbereitet, in allen Gemeinden nacheinander die Übergabe an den "Herrn“ stattfand. Das hätte aber bedeutet, dass die beiden Missionare mehrfach hätten hin und herreisen müssen, um zuerst in jeder einzelnen Gemeinde die "Ältesten“ zu bestellen und dann, von Gebet unter Fasten vorbereitet, wiederum in jeder einzelnen Stadt die Übergabe an den "Herrn“ vorzunehmen. Die Vielzahl Reisen der beiden Missionare wäre nur vermieden worden, wenn die "Ältesten“ (und vielleicht auch die Gemeindeglieder) aller Gemeinden sich an einem Ort versammelt hätten, damit dort die Übergabe in einem einzigen Gottesdienst (?) vollzogen werden konnte. Eine solche Versammlung aller "Ältesten“ (und vielleicht auch aller Gemeindeglieder) an einem Ort ist allerdings ebenso wenig wahrscheinlich wie eine Vielzahl Reisen der Missionare zwischen den Gemeinden der verschiedenen Städte. Im Hinblick auf die Übersetzung bedeutet dies, dass die Übersetzung "Sie bestellten ihnen in jeder Gemeinde Älteste, beteten …“ der Übersetzung "Nachdem sie ihnen in jeder Gemeinde Älteste bestellt hatten, beteten sie …“ vorzuziehen ist. Letztere kann nämlich so missverstanden werden, dass Paulus und Barnabas zunächst in jeder einzelnen Gemeinde die "Ältesten“ bestellten, bevor sie sich, von Gebet unter Fasten vorbereitet, in jeder einzelnen Gemeinde oder an einem einzigen Versammlungsort an die Übergabe an den "Herrn“ machten.

 

Weiterführende Literatur: Laut E. Nellessen 1980, 175-193 sei es ein bedenkenswertes Phänomen, dass Paulus nur in den Gemeinden von Lykaonien und Pisidien, später aber nie wieder Presbyter (= Älteste) in seinen Gemeinden eingesetzt haben soll. Doch müsse man sich die besondere Situation vergegenwärtigen. Zum einen stehe Paulus hier ganz am Anfang seiner Tätigkeit als Gemeindegründer, soweit uns diese bekannt ist. Zum anderen sei es möglich, dass sich in der Ernennung von Presbytern der Einfluss des Barnabas bemerkbar machte, mit dem Paulus auf keiner weiteren Missionsreise mehr zusammenarbeitete. Barnabas habe möglicherweise mehr daran gelegen, das Jerusalemer Modell, das Presbyter kannte, im kleinasiatischen Missionsgebiet heimisch zu machen als das antiochenische, das nur Propheten und Lehrer kannte. Dass Barnabas eher zur Anpassung an die Jerusalemer Judenchristen neigte, gehe aus Gal 2,13 hervor. Möglicherweise habe auch eine Rolle gespielt, dass "presbyteros“ in Ägypten und Kleinasien bereits ein terminus technicus für zivile Amtsträger wie auch für Würdenträger an heidnischen Tempeln war.

 

 

Literaturübersicht

 

Detwiler, David F.; Paul’s Approach to the Great Commission in Acts 14:21-23, BS 152/605 (1995), 33-41

Nellessen, Ernst; Die Einsetzung von Presbytern durch Barnabas und Paulus (Apg 14,23), in: J. Zmijewski [Hrsg.], Begegnung mit dem Wort, FS H. Zimmermann (BBB 53), Bonn 1980, 175-193

 

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