Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 1,3-6

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 1,3-6



Übersetzung


Eph 1,3-6 :3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen in den Himmeln in Christus, 4 wie er uns erwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, damit wir heilig und untadelig seien vor ihm, 5 und uns aus Liebe zur Sohnschaft vorherbestimmt hat durch Jesus Christus zu ihm hin, gemäß dem Beschluss seines Willens, 6 zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, die er uns geschenkt hat in dem Geliebten.



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V. 3


Beobachtungen: Bei Eph 1,3-14 handelt es sich um einen Lobpreis. Bemerkenswert ist, dass dieser im griechischen Urtext aus einem einzigen Schachtelsatz besteht. Es handelt sich um den zweitlängsten Schachtelsatz des NT, nur Kol 1,9-20 ist länger.

In der hier gebotenen Übersetzung wird der Schachtelsatz hin und wieder durch einen Punkt unterbrochen, um Ansätze eines neuen Gedankengangs oder Aspektes zu kennzeichnen und das Lese- und Hörverständnis zu erleichtern. Ansonsten wird versucht, den Schachtelsatz möglichst wortgetreu wiederzugeben.

Der Schachtelsatz ist wohl nicht auf Unfähigkeit zurückzuführen, nämlich Unfähigkeit des Verfassers des Eph, seine Gedanken in klarer und verständlicher Sprache auszudrücken, so dass sie jeder verstehen kann. Die Begründung für den Schachtelsatz dürfte eher in einer Absicht liegen - in der Absicht, einen stilistisch ausgefeilten Text zu bieten. Möglicherweise haben wir es mit einem Text zu tun, der für den mündlichen Vortrag gedacht war und somit antiken Konventionen guter Rhetorik folgt. Eingeflossen können auch regionale Besonderheiten bezüglich der Konventionen sein: Bei einer zu vermutenden Abfassung des Eph in Kleinasien mag der dort typische ausladende rhetorische Stil übernommen worden sein.

1,3-6 legt den Heilsplan Gottes dar. Der Abschnitt lässt sich wie folgt untergliedern: V. 3 macht deutlich, dass ein Lobpreis folgt: Gott wird für den Segen gepriesen, den er den Gläubigen zukommen lassen hat. V. 4 präzisiert den Segen dahingehend, dass es sich um eine Erwählung handelt. V. 5 präzisiert die Erwählung als Vorherbestimmung zur Sohnschaft und V. 6 macht das Ziel des Geschehens deutlich.


In V. 3 fallen die verschiedenen Bedeutungsnuancen des Verbs "eulogeô" und des Substantivs "eulogia" auf. Auf Gott bezogen ist die Bedeutung "loben/preisen" bzw. "Lobpreis". Gott wird gepriesen (eulogêtos). Der Grund für den Lobpreis ist, dass von Gott Heil ausgeht. Dieses Heil, das ebenfalls als "eulogia" bezeichnet und hier mit "Segen" übersetzt wird, kommt dem Menschen zugute. Der Mensch wird gesegnet. In V. 3 ist von einem Segen die Rede, der bereits in der Vergangenheit erfolgt ist.

Es handelt sich um einen geistlichen Segen. Mit "geistlich" kann zum einen gemeint sein, dass er den Geist des Menschen, das Innere, betrifft und nicht den Körper oder materielle Güter. Zum anderen kann aber auch gemeint sein, dass er vom heiligen Geist bewirkt und /oder erhalten wird. Der heilige Geist spielt in 1,3-14 eine besondere Rolle und kommt insbesondere in V. 13-14 in den Blick, womit er den Lobpreis rahmt.


Der Verfasser des Eph bezeichnet Jesus Christus als „Herrn“, wobei Gott dessen Vater ist. Daraus ist zu schließen, dass er, wenn er im Eph vom „Herrn“ spricht, Jesus Christus meint. Ein Bezug auf Gott Vater kommt nur dann in Frage, wenn er eine vorchristliche Tradition aufgreift oder aus der hebräischen Bibel, unserem heutigen Alten Testament, zitiert, denn die im antiken hellenistischen Judentum maßgebliche griechische Übersetzung der hebräischen Bibel, die Septuaginta, setzt statt der Gottesbezeichnung JHWH den Titel „Kyrios“ (= „Herr“).

Es fällt auf, dass sich die Gebete des Eph durchgehend an Gott als den Vater wenden (vgl. 1,3.17; 3,14; 5,20). Dabei wird der Vatertitel schrittweise erweitert.


"In den Himmeln" ist vermutlich eine örtliche Bestimmung und sagt aus, wo die Segnung geschehen ist. Dabei fällt auf, dass der Verfasser des Eph die Formulierung "en tois epouraniois" statt "en tois ouranois" ("in den Himmeln") benutzt. "Epouraniois" findet sich im NT neunzehnmal, davon fünfmal im Eph (1,3.20; 2,6; 3,10; 6,12). "Epouranios" ist eigentlich ein Adjektiv, das "himmlisch" oder "an/im Himmel befindlich" bedeutet. Der Verfasser des Eph benutzt es hier substantiviert im Sinne von "Himmel/Himmlische". Dass die Segnung überhaupt "in den Himmeln" lokalisiert werden kann, dürfte damit zu begründen sein, dass sich Christus bereits "in den Himmeln" zur Rechten Gottes befindet (vgl. 1,20).


„Christus“ ist nicht ein Name im Sinne eines Vor- oder Nachnamens, sondern ein Heilstitel. „Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.

"In Christus" ist ein Ausdruck für den Macht- und Wirkungsbereich Christi, in dem sich die Christen durch ihr Bekenntnis zu Christus befinden.


Weiterführende Literatur: Eine Diskursanalyse von Eph 1,3-14 bietet J. P. Louw 1999, 308-315. Es geht um die Frage, wie der Abschnitt als Ganzes zu lesen und zu verstehen ist.


Eine literarische und theologische Analyse von Eph 1,3-14 bietet G. De Virgilio 2017, 121-140. Er nimmt Christi Vorrangstellung in den Blick und geht auf fünf theologische Gesichtspunkte ein, die sich aus dem Lobpreis ergeben: a) die Vorherbestimmung und Adoptivkindschaft; b) die Erlösung und die Sündenvergebung; c) das „Geheimnis“ und das Erbe der Gläubigen; d) das Evangelium und das universale Heil; e) das verwandelnde Handeln des heiligen Geistes.


Wie die Analyse der Texte Eph 1,3-14; 1,21; 2,1-10; 4,22-24; 4,30; 6,13 zeige, werde gemäß T. Witulski 2005, 211-242 die vom Verfasser des Eph vertretene eschatologische Konzeption durch zwei zentrale Aspekte charakterisiert: (1) Im Unterschied zu Paulus sei für den Verfasser des Eph dieses eschatologische Heil den Christen in ihrer Vergangenheit bzw. ihrer Gegenwart vollständig zuteil geworden. (2) Das endzeitliche Heil sei zwar eine objektive, aber noch keine offenbare Wirklichkeit, was für die Christen bedeute, dass dieses Heil in ihrer Gegenwart ihrer Verfügungsgewalt entzogen bleibe und sie es immer noch verlieren können. Erst mit dem Zeitpunkt der Parusie Christi werde dieses Heil zu einer offenbaren, nicht mehr verlierbaren Realität. Das aber heiße, dass die präsentische Eschatologie des Verfassers des Eph unter einem zeitlichen Vorbehalt steht, der in der ethischen Forderung konkrete Gestalt gewinnt: Um das eschatologische Heil als unverlierbaren Besitz zu erlangen, müsse der Christ sich in der Gegenwart im Rahmen eines Entwicklungsprozesses ethisch bewähren.


B. de Klerk 2002, 1-18 erarbeitet über die Struktur und Inhalte des Lobpreises 1,3-14 grundlegende theoretische Elemente des Lobpreises.


G. Baldanza 2014, 231-252 vertritt die These, dass der trinitarische Ablauf, wie er sich in Eph 1,3-14 finde, den gesamten Eph durchziehe und auch in den zentralen argumentativen Passagen 2,14-18; 3,14-19; 4,4-6 und 5,18-20 auftauche. 1,3-14 komme auf die Handlung Gottes, des Vaters, auf die Handlung des Sohnes Jesus Christus und auf die Handlung des heiligen Geistes zu sprechen. In Gott habe der Heilsplan seinen Ursprung, mittels der durch Jesus Christus bewirkten Erlösung verwirkliche er sich und in Jesus Christus werde der heilige Geist gegeben, und zwar als Angeld des verheißenen Erbes, der endgültigen Erlösung. Der trinitarische Ablauf ziele auf die Förderung und auf den Erhalt der kirchlichen Gemeinschaft ab, auf die Überwindung jeglicher Spannung oder Spaltung.


E. Best 1987, 79-91 geht der Frage nach, welches in Eph 1,3 die am meisten diskutierten Punkte sind. Ergebnis: Am stärksten im Fokus der Exegeten sei die Formulierung "in den Himmeln" (gewesen). Anfangs hätten die Exegeten geflissentlich übersehen, dass es sich bei dem Partizip "eulogêsas" ("gesegnet habend") um eine Vergangenheitsform handelt und an zukünftige Segnungen im Himmel gedacht. Andere, die die Vergangenheitsform beachtet hätten, hätten sie im Rahmen des Platonismus, Gnostizismus, Existentialismus und der jüdischen Zwei-Äonen-Lehre gelesen.


W. H. Harris III 1991, 73-74 geht davon aus, dass „in den Himmeln“ nicht die Formulierung „mit allem geistlichen Segen“ ausgestalte, womit dieser als „himmlisch“ verstanden oder den himmlischen Dingen zugeordnet werde. Vielmehr sei „in den Himmeln“ lokal zu verstehen: Es sei der Ort, in dem die Christen allen geistlichen Segen empfangen, denn es sei der Ort, in dem sich der in den Himmel aufgefahrene und erhöhte Christus befinde, und in dem sich auch die Christen befänden, weil sie Christus inkorporiert seien. Im Gegensatz zu dem gegenwärtigen, irdischen Reich, das die Erfahrungswirklichkeit der Christen sei, sei die als „in den Himmeln“ bezeichnete Region der Ort des aufgefahrenen Christus in seinem gegenwärtigen erhöhten Status – eine Wirklichkeit, an der die Christen kraft ihrer Teilhabe an ihm Anteil hätten.

Eine ausführliche Studie zu den "Himmeln" in Eph bietet M. J. Brannon 2011, der sich auf S. 110-114 mit der himmlischen Segnung in Eph 1,3-14 befasst. Im Gegensatz zu typisch atl. Segnungen, die irdisch-materiell seien (Nachkommen, fruchtbares Land, Regen, Erzeugnisse, Schutz und militärischer Erfolg im Gegenzug für Gehorsam), sei in V. 3 von "allem geistlichen Segen in den Himmeln in Christus" die Rede. Die Bezeichnung "geistlich" beziehe sich auf den heiligen Geist. In 1,3-14 hätten wir es mit einer innigen Verbindung zwischen der Einheit des Gläubigen mit Christus und der Teilhabe an den Segnungen des heiligen Geistes zu tun, darüber hinaus auch mit der Teilhabe der Gläubigen an der himmlischen Wirklichkeit. Obwohl die Segnungen vom Himmel kämen, seien sie gegenwärtige Wohltaten, weil sie Ergebnis von Gottes Heilswirken, das er in Christus erfüllt habe, seien.


E. Best 1992, 53-69 befasst sich mit dem dogmatischen und liturgischen Material im Eph unter den Fragestellungen, wie der Verfasser des Eph es aufgegriffen und bearbeitet hat und welches die Gründe dafür sind. Auf S. 56-58 geht er auf 1,3-14 ein und untersucht, ob und inwieweit diesem von liturgischer Sprache geprägten Abschnitt eine hymnische Vorlage zugrunde liegt.


J. H. Barkhuizen 1990, 390-413 analysiert die formalen Charakteristika und die Struktur der Passage Eph 1,3-14. Es sei wohl nicht zu bezweifeln, dass es sich um eine bewusst stilisierte Passage handelt. Sie folge der hymnischen Gattung des Lobpreises (Eulogie). Gott werde umfangreich und ausgedehnt für seine Segnungen in Jesus Christus gepriesen. So bereite der Verfasser des Eph die Leser treffend auf die Hauptthemen des Briefes vor.

Dazu auch M. Marenco 2006, 261-277 die darlegt, dass es in der Gemeinschaftsregel eine Passage gebe, die möglicherweise Eph 1,3-10 zugrunde liege: So stelle 1QS XI,2b-22 besonders systematisch und eingehend die Schritte des göttlichen Heilsplanes dar, wie sie in ihm zur Erfüllung kommen, nämlich Gericht und Rechtfertigung, Erkenntnis und Betrachtung des Geheimnisses, Erwählung zur Heiligkeit. Der Lobpreis sei die Antwort auf diese Segnungen.


Die Gliederung des Abschnittes Eph 1,3-14 stellt die Exegeten vor Probleme. Daher gibt es verschiedene Vorschläge bezüglich der Gliederung, die L. Ramaroson 1981, 93-103 vorstellt. L. Ramaroson kommt selbst zu dem Ergebnis, dass 1,3-14 ein Hymnus zugrunde liege, der ursprünglich von einfacher Machart gewesen sei. Es habe sich um einen Lobpreis gehandelt, der Gott für seinen auf dem kosmischen Heilsplan gegründeten Heilsplan den Christen gegenüber, und zwar ohne Unterschied den Heidenchristen und Judenchristen gegenüber, gepriesen habe. Aber der Endredakteur (oder jemand vor diesem) habe die V. 6b-9a eingefügt, um speziell das Thema von Kol 1,13b-14 ins Licht zu setzen. So sei die heutige Verwirrung im Hinblick auf die Gliederung des Lobpreises Eph 1,3-14 entstanden.


C. J. Robbins 1986, 677-687 geht der Frage der Gliederung von Eph 1,3-14 unter zwei Gesichtspunkten antiker Rhetorik nach: a) Quintilians und Ciceros Grundsatz, wonach ein Unterabschnitt eines Kettensatzes nur so lang sein könne, wie er sich in einem Atemzug sprechen lässt; b) Aristoteles' Grundsatz, dass der Unterabschnitt eine in sich schlüssige und abgeschlossene Einheit darstellen müsse.


P. Grelot 1989, 193-209 vertritt folgende These: V. 3a stelle einen Refrain dar, der nach jeder der sechs "Strophen" (vor V. 5, V. 7, V. 9, V. 11 und anstelle von V. 13a-b) aufgenommen werde und jeweils die folgende "Strophe" einleite. Diese knüpfe logisch an einen der beiden Begriffe "Gott" und "Christus" an.


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V. 4


Beobachtungen: Was für eine Erwählung hat der Verfasser des Eph im Blick und wer sind die Erwählten? Grundsätzlich ist zunächst einmal festzuhalten, dass der Verfasser von einer Gruppe spricht, die auf jeden Fall ihn selbst und die Adressaten umfasst. Diese auf jeden Fall im "uns" eingeschlossene Gruppe ist erwählt. Es handelt sich ausschließlich um Christen, wobei das "uns" auch noch weitere Christen einschließen kann. Dass alle Christen gemeint sind, ist sogar wahrscheinlich, weil der Verfasser des Eph sehr allgemeine Formulierungen benutzt, die auf alle Christen zutreffen. Was genau mit der Erwählung gemeint ist, muss aus den folgenden Versen (insbesondere V. 5-6) erschlossen werden. Anhand von V. 4 kann nur festgehalten werden, dass die Erwählung auf den christlichen Glauben und die christliche Existenz bezogen ist.


"Vor Grundlegung der Welt" sagt den Zeitpunkt der Erwählung aus. Dieser liegt in der Vergangenheit. Dabei stellt sich die Frage, was mit "Grundlegung" gemeint ist. Der Begriff "katabolê", der in den authentischen Paulusbriefen nirgends auftaucht, kann mit Blick auf das verwandte Verb "kataballô", das "hinabwerfen" bedeutet, als "Hinabwerfen" gedeutet werden. Die Welt wäre demnach bei der Erschaffung aus der Höhe hinabgeworfen worden. Für solch eine Bedeutung gibt es in 1,3-6 allerdings keinen Anhaltspunkt. Insofern handelt es sich vermutlich um einen Ausdruck für die Grundlegung im Sinne eines Anfangs. Dabei fällt auf, dass nicht von "Erschaffung" oder "Schöpfung" die Rede ist. Der Schöpfungsaspekt scheint in V. 4 also keine Rolle zu spielen.


"In ihm" bezieht sich auf Christus und meint somit "in Christus". Wenn die Erwählung "in ihm" vor der Grundlegung der Welt geschehen ist, dann muss Christus bereits vor Grundlegung der Welt existiert haben. Dabei bleibt offen, seit wann Christus existiert. "In ihm" ist zunächst einmal lokal zu deuten, womit der Ort der Erwählung ausgesagt wäre. Über die lokale Bedeutung hinausgehend könnte auch an den Macht- und Wirkungsbereich Christi gedacht sein, in dem die Erwählung erfolgt ist. Es würde sich demnach um eine Heilsaussage handeln, wobei das mit Christus verbundene Heilsgeschehen in V. 7-10 thematisiert wird. Das Heilsgeschehen hat für diejenigen, die sich im Macht- und Wirkungsbereich Christi befinden, entscheidende, die Existenz prägende Relevanz. Und noch eine weitere Deutung ist möglich: "en" kann statt mit "in" auch mit "durch" übersetzt werden. Dann wäre der Beginn von V. 4 mit "wie er uns erwählt hat durch ihn" zu übersetzen. Christus wäre dann der Mittler der Erwählung, die nicht nur in seinem Beisein, sondern auch durch ihn erfolgt wäre.


Die beiden Adjektive "hagios" und "amômos" bedeuten gleichermaßen "untadelig", geben jedoch ganz bestimmte Aspekte wieder: "Hagios" ist ein religiöser Begriff und sagt aus, dass jemand "heilig" und damit Gott, dem Heiligen, gemäß ist. Das Adjektiv "amômos" dagegen entstammt der Welt des Kults und sagt aus, dass ein Opfer "makellos" ist.


Das "en agapê" ("in/aus Liebe") am Ende von V. 4 kann mit dem vorhergehenden, aber auch mit dem folgenden Satz verbunden werden. Bei einer Verbindung mit dem vorhergehenden Satz lautet dieser "...damit wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe". Es handelt sich dann um die Liebe der Christen Jesus Christus gegenüber. Bei einer Verbindung mit dem folgenden Satz lautet dieser "... und uns in/aus Liebe zur Sohnschaft vorherbestimmt hat". Bei dieser Übersetzung handelt es sich um die Liebe Gottes den Christen gegenüber. Bei der Zählung der Verse, die erst in der frühen Neuzeit vorgenommen wurde, ging man davon aus, dass "en agapê" zu V. 4 gehört. Allerdings liegt der Schwerpunkt der V. 3-6 auf Gott und seinem Handeln, was für eine Verbindung mit dem folgenden Satz spricht. Ein Blick auf Kol 1,13, wo Jesus Christus als "Sohn seiner (= Gottes) Liebe" bezeichnet wird, .bekräftigt dies.


Weiterführende Literatur: Zum Verhältnis von Erwählung, Sohnschaft und Erlösung siehe C. Reynier 1996, 182-199. Indem Eph 1,3-14 Christus als Inhalt der Offenbarung, aber nicht als Offenbarer darstelle, werde gezeigt, dass die Erlösung ihren Platz im Rahmen der Heilsgeschichte Gottes hat, ohne deren Grundlage zu sein. Ferner lege der Abschnitt - unter Aufnahme der beiden historischen Arten der Offenbarung - die Grundlage der Ekklesiologie, wie sie im Folgenden des Briefes entfaltet werde: Die Kirche werde ausschließlich über die Beziehung der Gläubigen zu Christus definiert, welches auch immer ihre ethnische, kulturelle oder sogar religiöse Herkunft sei.


Gemäß M. Radloff 2014, 1-18 spreche Eph 1 nur deshalb von der Erwählung, um zu zeigen, dass sowohl die Juden als auch die Nichtjuden dieselben Privilegien genießen. Die Erwählung, die bisher ein wesentliches Element jüdischer Identität gewesen sei, werde im Eph zugleich zu einem Element der Identität aller Christen und zu einem Element, das alle Christen eint.


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V. 5


Beobachtungen: Paulus und die Adressaten und vielleicht auch alle anderen Christen sind Söhne bzw. Kinder. Dies geht aus dem Begriff "Sohnschaft/Kindschaft" ("hyiothesia"; die Übersetzung "Kindschaft" berücksichtigt, dass die Adressaten des Eph ebenso wenig eine rein männliche Gruppe sein dürften wie die Gesamtheit der Christen) hervor. Dabei stellt sich die Frage, wessen Söhne bzw. Kinder sie sind. Mit Blick auf V. 3 könnte man an Gott denken, der dort ausdrücklich als Vater bezeichnet wird. Allerdings wird Gott nicht als Vater von Paulus und den Adressaten oder von allen Christen bezeichnet, sondern als Vater Jesu Christi. Dass dennoch anzunehmen ist, dass Paulus und die Adressaten oder alle Christen Söhne bzw. Kinder Gottes sind, ist mit Röm 8,15 und Gal 4,5 zu begründen, wo die Christen als "Söhne Gottes" bzw. "Kinder Gottes" erscheinen.

Die „Sohnschaft/Kindschaft“ ist sicherlich nicht im eigentlichen Sinn zu verstehen, denn aus Gott hervorgegangen ist allein Jesus Christus. Nur dieser ist im eigentlichen Sinn „Sohn Gottes“. Eph 1,5 lässt offen, was die „Sohnschaft/Kindschaft“ ausmacht. Möglich ist, dass die Vorstellung, dass Gott den Christen adoptiert hat, den Hintergrund der „Sohnschaft“ bildet. Der Adoptionsgedanke liegt zumindest der Verheißung der Sohnschaft für den israelitischen König David und seine Nachkommen auf dem Königsthron zugrunde (vgl. 2 Sam 7,14; Ps 2,7). Darüber hinaus ist aber auch daran zu denken, dass mit der Sohnschaft eine Rechtsstellung verbunden ist, die ein Erbrecht einschließt (vgl. Gal 3,18.26). Dass dieses nur Söhnen zukommt, kann als Argument für die Wahl der Übersetzung „Sohnschaft“ statt „Kindschaft" in Eph 1,5 angeführt werden. Allerdings ist erst in V. 14 vom Erbe die Rede.


Das Partizip "proorisas" ("vorherbestimmt habend") ist ebenso wie das Partizip "eulogêsas" ("gesegnet habend") ein Aorist, der aussagt, dass etwas in der Vergangenheit geschehen und abgeschlossen ist. Dabei wird der genaue Zeitpunkt der Vorherbestimmung nicht genannt. Da es sich jedoch bei V. 5 um eine Erläuterung von V. 4 handeln dürfte, haben wir zumindest eine Eingrenzung des Zeitraumes des Geschehens auf "vor Grundlegung der Welt". "Vor Grundlegung der Welt" hat also Gott Paulus und die Adressaten oder alle Christen erwählt und - die Erwählung konkretisierend - zur Sohnschaft vorherbestimmt. Damit hat er eine enge persönliche Verbindung geschaffen.

Die Rede von Erwählung und Vorherbestimmung erinnert an die Verkettung von Erwählung/Ausersehung, Vorherbestimmung, Berufung, Rechtfertigung und Verherrlichung in Röm 8,29-30. Das Verb "proorizô" ("vorherbestimmen") taucht sowohl in Röm 8,29 und 8,30 als auch in Eph 1,5 auf. Diese wörtliche Übereinstimmung wie auch die Ähnlichkeit des in Eph 1,4-6 beschriebenen Heilsplans mit dem in Röm 8,29-30 lässt daran denken, dass der Verfasser des Eph bei der Abfassung seiner Zeilen die Verkettung des Römerbriefes im Blick hatte, den Römerbrief somit kannte.


"Durch Jesus Christus" sagt eine Mittlerschaft Jesu Christi aus. Die enge Beziehung zwischen Gott und den Christen ist also nicht ohne Jesus Christus und den Glauben an ihn zu denken.


Bei der Formulierung "zu ihm hin" stellt sich die Frage, auf wen sich "ihm" bezieht, auf Gott oder auf Jesus Christus. Beides ist möglich. Jesus Christus wird unmittelbar vorher genannt, weshalb es zunächst nahe liegt, "ihm" auf Jesus Christus zu beziehen. Allerdings ist der Lobpreis auf Gott ausgerichtet, weshalb wahrscheinlicher ist, dass eine Vorherbestimmung zur Sohnschaft auf Gott hin ausgesagt ist.


Das Substantiv "eudokia" kann in Eph 1,5 sowohl mit "Wohlgefallen" als auch mit "Beschluss" übersetzt werden. Weil das "Wohlgefallen" in etwa gleichbedeutend mit dem Willen ist und wohl nicht "gemäß dem Wohlgefallen/Willen seines Willens" ausgesagt ist, ist die Übersetzung "Beschluss" vorzuziehen. Der Beschluss drückt einen Willen oder Wohlgefallen aus. Ein Beschluss kann grundsätzlich für oder gegen etwas ausfallen; bei den einzelnen Stimmen einer Abstimmung, die zu einem Beschluss führt, ist auch Enthaltung möglich. In V. 5 kommen Ablehnung und Enthaltung aber nicht in den Blick, sondern es geht um einen positiven Beschluss (Gottes allein, es liegt also keine Abstimmung zugrunde), der auf einem Willen (Gottes allein) zu einer Handlung beruht. Der Begriff "Wohlgefallen", der in der gewählten Übersetzung zwar nicht explizit vorkommt, aber mitklingt, macht dies deutlich. Es wird deutlich: Gott beschließt und handelt souverän, ohne von irgendeinem Wesen beeinflusst zu werden.


Weiterführende Literatur: A. Valentini 2004, 345-359 legt in seiner Auslegung von Röm 8,28-30 und Eph 1,3-14 dar, dass der göttliche Plan hinsichtlich aller Gläubigen seine volle Bedeutung und endgültige Erfüllung in der Person Maria, der Mutter Jesu, erlange. A. Valentini schenkt der einzigartigen Beziehung zwischen Maria und der Kirche besonderes Augenmerk.


Nach dem "wir" der V. 3-12 werden in den V. 13-14 mit "ihr" unvermittelt die Adressaten angesprochen. S. Schneider 2012, 167-195 fragt: Wie ist dieser Wechsel zu verstehen? Anders gefragt: Wen bezeichnet der Verfasser mit den "wir" und wen mit den "ihr"? Laut S. Schneider seien die V. 11-14 als gleichberechtigter Teil des Lobpreises anzusehen. Somit sei der Ausweg, den problematischen Wechsel durch den vermeintlichen Anhangscharakter der V. 12-14 zu einer vernachlässigbaren Nebensache zu erklären, verwehrt. Andererseits zeige die Gattungsbestimmung Briefeingangseulogie, dass das "ihr" kaum jemand anderes als die Adressaten meinen kann. Bei der Frage gehe es daher eigentlich nur noch darum, wen das "wir" der V. 3-12 bezeichnet. Da man davon ausgehen könne, dass die mit dem "ihr" angesprochenen Adressaten Heidenchristen waren, vertrete eine nicht geringe Anzahl Autoren die Auffassung, in den V. 11-12 bezeichne das "wir" Judenchristen. Dem werde indes zu Recht entgegengehalten, dass bei einer derart gewichtigen Einschränkung des Personenkreises von V. 3b-10 zu V. 11-12 ein Hinweis auf diese zu erwarten wäre. Folglich sei davon auszugehen, dass es sich bei den "wir" der V. 3b-10 und V. 11-12 um dieselbe Gruppe handelt. Stets werde angenommen, dass es sich bei den "wir" der V. 3b-10 um alle Christen handele. Das lege nahe, dies auch im Hinblick auf die V. 11-12 anzunehmen. Das aber mache es schwierig, den Wechsel zum "ihr" in V. 13 zu erklären. Daher sei wahrscheinlicher, dass das "wir" der V. 3-12 nur die Judenchristen meint.


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V. 6


Beobachtungen: V. 6 nennt das Ziel der Erwählung: Sie geschieht "zum Lob". Es bleibt offen, wer lobt. Da der Vers einem Lobpreis angehört, und zwar einem Lobpreis von Menschen - konkret Christen -, ist davon auszugehen, dass es sich bei den Lobenden um Menschen - konkret Christen - handelt. Darüber hinaus lässt die allgemeine Formulierung aber auch daran denken, dass das Lob universal ist und letztendlich das Lob seitens aller Lebewesen und Dinge angemessen ist.

Das Gelobte wird mit einem doppelten Genitiv ausgedrückt; es wird "die Herrlichkeit seiner Gnade" gelobt. Doppelte Genitive kommen im Eph häufig vor, sie sind typisch für ihn.


Gelobt wird wohl in erster Linie die Gnade, nicht die Herrlichkeit, auch wenn beide Genitive als Objekt des Lobes verstanden werden können. Vermutlich handelt es sich bei dem ersten Genitiv um ein Attribut des zweiten Genitivs, d. h. die Herrlichkeit bestimmt die Gnade genauer. Gemeint dürfte also sein: "herrliche Gnade".

Der Begriff "doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden. Alle diese Übersetzungen lassen erkennen, wie der Verfasser des Eph die Gnade versteht: Er verbindet sie mit Ehre, Ruhm, Glanz und Herrlichkeit. Typisch für die Gnade ist, dass sie nicht durch gute Werke verdient, sondern von Gott geschenkt ist. Gott selbst kommt Ehre zu, er ist ruhmreich, er ist glänzend und herrlich. Wenn die Gnade von Gott geschenkt wird, dann liegt es nahe, die Gnade im Lichte Gottes zu verstehen: Sie ist Ausdruck seiner Ehre, seines Ruhmes, seines Glanzes und seiner Herrlichkeit. Und schließlich liegt es auch nahe, die Empfänger der Gnade im Lichte Gottes und der Gnade zu sehen: Die Menschen, die vor der Annahme des christlichen Glaubens so niedrig und von Sünden befleckt in der Finsternis wandelten, werden mit der Sündenvergebung aufgrund des Kreuzestodes Christi - das Heilsgeschehen in Christus haben die V. 7-10 zum Thema - erhöht, von den Sünden gereinigt und wandeln von nun an im Licht. Grund genug, die "Herrlichkeit seiner Gnade" zu loben.


Die Bezeichnung "Geliebter" dürfte sich auf Jesus Christus beziehen. Dabei bleibt offen, von wem er geliebt wird. Da in V. 4 offen geblieben war, wer liebt, kann von V. 4 her keine Entscheidung getroffen werden. Liebende können die Christen sein, die Christus innig verbunden, ja "in ihm" sind. Ebenso kann aber auch Gott der Liebende sein, der aus Liebe zu den Menschen gehandelt hat und handelt und seinen Sohn Jesus Christus liebt. Weil der Schwerpunkt der V. 3-6 auf Gott und seinem Handeln liegt und in Kol 1,13 Jesus Christus als "Sohn seiner (= Gottes) Liebe" bezeichnet wird, ist eher anzunehmen, dass Jesus Christus Gottes "Geliebter" ist.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Baldanza, Giuseppe; La funzione del processo trinitario di Ef 1,3-14 nell'argomentazione della lettera, Laur. 55/2-3 (2014), 231-252

Barkhuizen, J. H.; The Trophic Structure of the Eulogy of Ephesians 1:3-14, HTS 46/3 (1990), 390- 413

Best, Ernest; Fashions in Exegesis: Ephesians 1,3, in: B. P. Thompson [ed.], Scripture: Meaning and Method, FS A. T. Hanson, Hull 1987, 79-91

Best, Ernest; The Use of Credal and Liturgical Material in Ephesians, in: M. J. Wilkins et al. [eds.], Worship, Theology and Ministry in the Early Church (JSNT.SS 87), FS R. P. Martin, Sheffield 1992, 53-69

Brannon, M. Jeff; The Heavenlies in Ephesians. A Lexical, Exegetical and Conceptual Analysis (LNTS 447), London - New York 2011

de Klerk, Ben; Lofliedere - basisteoretiese elemente uit Efesiërs 1:3-14, IDS 36/1 (2002), 1-18

De Virgilio, Giuseppe; Primato cosmico di Cristo ed esistenza cristiana: Aspetti letterari e teologici di Ef 1,3-14, StMor 55/1 (2017), 121-140

Grelot, Pierre; La structure d'Éphésiens 1:3-14, RB 96/2 (1989), 193-209

Harris III, W. Hall; "The Heavenlies" Reconsidered: Uranos and Epuranos in Ephesians, BS 148/589 (1991), 72-89

Louw, Johannes P.; A Discourse Reading of Ephesians 1.3-14, in S. E. Porter et al. [eds.], Discourse Analysis and the New Testament (JSNT.S 170), Sheffield 1999, 308-315

Marenco, Mariarita; 1 QS XI,2b-22: una berakah alle origini di Ef 1,3-10, in: S. Grasso, E. Manicardi [eds.], Generati da una parola di verità (Gc 1,18) (SRivBib 47), FS R. Fabris, Bologna 2006, 261-277

Radloff, Matthias; L'élection, un sujet unificateur en Ephésiens 1, RRef 65/271 (2014), 1-18

Ramaroson, Léonard; "La grande bénédiction" (Ep 1,3-14), ScEs 33/1 (1981), 93-103

Reynier, C.; La bénédiction en élection, filiation, rédemption, NRT 118/2 (1996), 182-199

Robbins, Charles J.; The Composition of Eph 1:3-14, JBL 105/4 (1986), 677-687

Schneider, Sebastian; Lobpreis der an Christus glaubenden Israels. Exegetische Überlegungen zum "Wir" in Eph 1,3-14, SNTU 37 (2012), 167-195

Valentini, Alberto; Lettura esegetica di Rm 8,28-30 e Ef 1,3-14, EphMar 54/3-4 (2004), 345-359

Witulski, Thomas; Gegenwart und Zukunft in den eschatologischen Konzeptionen des Kolosser- und Epheserbriefes, ZNW 96/1-2 (2005), 211-242

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