Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Römerbrief

Brief des Paulus an die Römer

Röm 16,3-16

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Röm 16,3-16



Übersetzung


Röm 16,3-16:3 Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, 4 die für mein Leben ihren Kopf hingehalten haben, denen nicht nur ich dankbar bin, sondern auch alle Gemeinden der Heiden -, 5 und ihre Hausgemeinde. Grüßt meinen geliebten Epänetus, der die Erstlingsgabe Asiens für Christus ist. 6 Grüßt Maria, die sich viel für euch abgemüht hat. 7 Grüßt Andronikus und Junia, meine Stammesverwandten und (meine) Mitgefangenen, die unter den Aposteln hochangesehen und sogar vor mir Christen geworden sind. 8 Grüßt meinen im Herrn geliebten Ampliatus. 9 Grüßt Urbanus, unseren Mitarbeiter in Christus, und meinen geliebten Stachys. 10 Grüßt den in Christus bewährten Apelles. Grüßt die aus dem Haus des Aristobul. 11 Grüßt meinen Stammesverwandten Herodion. Grüßt die aus dem Haus des Narzissus, die im Herrn sind. 12 Grüßt Tryphäna und Tryphosa, die sich im Herrn abmühen. Grüßt die geliebte Persis, die sich viel im Herrn abgemüht hat. 13 Grüßt Rufus, den im Herrn Erwählten, und seine Mutter, [die] auch meine [geworden ist]. 14 Grüßt Asynkritus, Phlegon, Hermes, Patrobas, Hermas und die Geschwister bei ihnen. 15 Grüßt Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester und Olympas sowie alle Heiligen bei ihnen. 16 Grüßt einander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Gemeinden Christi.



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V. 3


Beobachtungen: Mit V. 3 beginnt eine ungewöhnlich lange Grußliste, die längste der paulinischen Briefe. Sie erstaunt insofern, als Paulus vermutlich noch nie in Rom gewesen ist.


Paulus grüßt nicht direkt die in 16,3-16 genannten Personen, sondern er lässt Grüße ausrichten. Dies passt zum Charakter eines an alle Gemeindeglieder gerichteten Briefes, der allen Anschein eines Privatbriefes vermeidet. Die namentlich Genannten, die gegrüßt werden sollen, können bei der Verlesung des Briefes anwesend sein, müssen es aber nicht. Die Bitte um Weitergabe von Grüßen gewährleistet, dass Abwesenden die Grüße übermittelt werden.


Die ersten Grüße ergehen an Prisca - von einigen Textzeugen Apg 18,2.18.26 entsprechend „Priscilla“ genannt - und Aquila, die als „Mitarbeiter in Christus Jesus“ („synergoi ... en Christô Iêsou“) bezeichnet werden. Der Zusatz „in Christus Jesus“ weist auf den spezifisch christlichen Charakter der Mitarbeit hin. Es geht also nicht um Mitarbeit in beruflichen Angelegenheiten wie der Zeltmacherei. Paulus ist ein reisender Missionar, dessen Hauptaufgabe die Verkündigung ist. Es ist also anzunehmen, dass auch Prisca und Aquila selbst verkündigt oder zumindest die Verkündigung tatkräftig unterstützt haben.

Aus der Mitarbeiterschaft lässt sich kein Dienstverhältnis ableiten, da „synergos“ bei Josephus sogar für Gott als Helfer und Beistand gebraucht wird (vgl. Ios. Ant. 1,268; 7,91; 8,394).


Dass Prisca und Aquila überhaupt in einer Grußliste eines Briefes an die Römer erscheinen, verwundert insofern, weil die beiden Namen zusammen, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, auch in 1 Kor 16,19 erscheinen, und zwar als Grüßende. Geht man davon aus, dass es sich um die gleichen Personen handelt, die auch im Römerbrief genannt werden, dann müssen sich die beiden zur Zeit der Abfassung des ersten Briefes an die Korinther in Ephesus aufgehalten haben, wo der Brief verfasst wurde (vgl. 1 Kor 16,8). In Ephesus waren die beiden nicht auf der Durchreise, sondern als Ansässige, schließlich ist von ihrem Haus und der diesem zugehörigen Gemeinde die Rede. Wie lässt sich also erklären, dass Prisca und Aquila im Brief an die Römer plötzlich als Gegrüßte erscheinen? Verschiedene Erklärungen sind möglich: Die nahe liegendste ist, dass die in 1 Kor 16,19 erwähnten Personen namens Prisca und Aquila von den in Röm 16,3 genannten zu unterscheiden sind. Möglich ist auch, dass Prisca und Aquila sich in Rom nur vorübergehend aufhalten, ihr Wohnsitz aber weiterhin in Ephesus ist. Schließlich können die beiden auch umgezogen sein und als letzte Möglichkeit kommt in Frage, dass sich die Grußliste Röm 16,3-16 ursprünglich nicht an die Römer, sondern an die Epheser gerichtet hat und damit ein Fragment eines anderen Briefes ist, das in den Brief an die Römer nachträglich durch einen Redaktor eingebaut wurde. Gegen die Unterscheidung der Personen spricht die auffällige Nennung von Prisca und Aquila in einem Atemzug und das enge Verhältnis, das Paulus mit ihnen verbindet (vgl. die Beobachtungen zu 1 Kor 16,19). Das besonders enge Verhältnis mag - vielleicht neben einer einflussreichen sozialen Stellung - auch der Grund dafür sein, weshalb Prisca und Aquila ganz am Anfang der Grußliste genannt werden. Bei der Frage, ob Prisca und Aquila sich nur vorübergehend in Rom aufhalten oder dort inzwischen wohnhaft sind, lässt sich nur spekulieren. Zunächst lässt sich ganz allgemein anmerken, dass ein Aufenthalt von Prisca und Aquila in Rom an sich nichts Besonderes ist. Geht man davon aus, dass das in Apg 18,2 erwähnte Ehepaar Aquila und Priscilla mit Aquila und Prisca identisch ist und die historischen Informationen der Apostelgeschichte im Hinblick auf das Ehepaar richtig sind, dann hat es bis zur Vertreibung unter dem Kaiser Claudius in Rom gelebt. Aquila und Prisca wären demnach nur an ihren früheren Wohnort zurückgekehrt. Die Rückkehr mag durch das Erlöschen des Ausweisungsedikts mit dem Tod des Claudius im Jahre 54 n. Chr. ermöglicht worden sein. Angesichts der Mehrzahl der bisher erfolgten Umzüge - von Rom nach Korinth und von Korinth nach Ephesus (oder Umgebung) - ist ein neuerlicher Umzug durchaus wahrscheinlich. Es kann auch sein, dass Prisca und Aquila mehrere Wohnsitze haben. Gut möglich ist aber auch, dass sie in Rom Verwandte und/oder Bekannte haben und diese besuchen. Ebenso können sie berufliche Kontakte aufrecht erhalten haben und sich nun aus beruflichen Gründen vorübergehend in Rom aufhalten. Und schließlich können Prisca und Aquila auch nach Rom gereist sein, um den Aufenthalt des Paulus dort vorzubereiten. Weil ein dauerhafter oder vorübergehender Aufenthalt der beiden in Rom durchaus möglich ist, gibt es keinen Anlass, aus ihrer Erwähnung darauf zu schließen, dass die Grußliste ursprünglich an die Gemeinde in Ephesus gerichtet war.


Weiterführende Literatur: Laut M. Müller 1997, 216-217 bestehe die sog. Grußliste nicht einfach aus einer langen Liste von Grüßen, sondern stelle eine von Paulus sorgfältig zusammengestellte Grußauftragsliste dar.


G. K. Barr 1998, 98-113 befasst sich mit dem Handel und der Zeltmacherei, um so zu einem besseren Verständnis der Ortswechsel von Aquila und Priscilla zu kommen. Seiner Meinung nach könne Aquila ein junger Zeltmacher und Unternehmer gewesen sein, der mit Priscilla, einem Mädchen aus einem wohlhabenden und einflussreichen, im Handel tätigen Elternhaus, verheiratet war. Vermutlich habe er nach Rom Ziegenfell importiert und die Armee und Marine mit Zelten beliefert. Aquila und Priscilla seien – anders als Timotheus und Titus – nicht von Paulus angewiesen worden, sondern hätten als selbstständig Handelnde die geschäftlichen Notwendigkeiten mit dem christlichen Gemeindedienst verbunden. Möglicherweise hätten sie als Auftragsarbeiter in Korinth und Ephesus Lager unterhalten, von denen aus die Ware versandt wurde. Eine Vertreibung aus Rom durch Claudius habe die Vertreibung aus der Stadt, aber nicht unbedingt aus dem ganzen Land, bedeutet. Dennoch hätten Aquila und Priscilla es wohl für ratsam gehalten, sich mit ihren Mitarbeitern entlang der Handelswege zu ihrem nächsten Warenlager in Korinth zurückzuziehen, um ihre Arbeit dort fortzusetzen. In Rom sei ein „procurator“ zurückgelassen worden, der sich um die Güter kümmern sollte. Nach dem Tod des Claudius 54 n. Chr. sei der Weg für die Rückkehr nach Rom frei gewesen (vgl. H.-J. Klauck 1998, 14). Dieses Ereignis habe den Anlass für die Abfassung des Römerbriefes gegeben: Paulus habe sich vergewissern wollen, dass die römischen Gemeindeglieder tatsächlich die korinthischen Wirren hinter sich gelassen haben und fest im Glauben verankert sind.

Mit der Herkunft der Namen der in 16,1-16 genannten Personen und mit deren Schichtzugehörigkeit befasst sich P. Lampe 1987, 124-153 (vgl. P. Lampe 1991, 216-230). Auf S. 156-164 beschäftigt er sich ausführlich mit Prisca und Aquila. Aquila habe wohl im hochsommerlichen Rom für Privatleute Sonnenplanen aus Leinen zusammengenäht. Dass er als kleiner selbstständiger Handwerker das Militär belieferte, sei weniger wahrscheinlich. In der jüngeren exegetischen Literatur sei Aquila und seiner Frau immer wieder ein höherer gesellschaftlicher Status zugeschrieben worden: Aquila habe in Rom ein Geschäft besessen, das während seiner Abwesenheit nach dem Claudiusedikt von einem seiner Sklaven weiterbetrieben worden sei. Nicht nur in Rom, auch in Ephesus habe er ein Haus besessen. Aquila sei Herr eines Gewerbebetriebes mit Filialen gewesen, in denen nicht nur Paulus beschäftigt worden sei. Die Hausgemeinde des Ehepaares in Röm 16,5a habe sich v. a. aus dem Gesinde des Aquila zusammengesetzt, denn dass Paulus bereits wieder neue Nachrichten über die Gründung einer neuen Aquila-Prisca-Hausgemeinde in Rom erhalten habe, sei unwahrscheinlich; auch sei Epänetus einer aus Aquilas Gesinde. P. Lampe bezweifelt, dass Prisca und Aquila tatsächlich einen solch hohen gesellschaftlichen Status besessen haben.


Als eine durchaus bedeutende Mitarbeiterin des Apostels Paulus sieht Y.-M. Lee 2006, 249-256 Prisca an. Die Nennung ihres Namens vor demjenigen ihres Ehemannes in Apg 18,18.26; Röm 16,3; 2 Tim 4,19 weise auf die Anerkennung ihrer Mitarbeit hin, da es nicht üblich gewesen sei, die Frau zuerst zu nennen. Dabei ließen sich die beiden Ausnahmen aus dem jeweiligen Kontext verständlich machen: So würden in Apg 18,2 die beiden zum ersten Mal erwähnt und vorgestellt. Hinsichtlich 1 Kor 16,19 könnte der Grund dagegen in der besonderen Situation der korinthischen Gemeinde liegen (vgl. z. B. 1 Kor 14,33-36).


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V. 4


Beobachtungen: Prisca und Aquila haben für Paulus’ Leben ihren Kopf - genau genommen meint der Begriff „trachêlos“ den Hals oder Nacken - riskiert, also ihr eigenes Leben gefährdet. Es wird nicht genauer dargelegt, um welche Situation es sich handelte und wann sich das Geschehen abgespielt hat.. Auch lässt sich nicht überprüfen, ob diese Angabe eine Übertreibung ist oder nicht. Dass sich Christen, insbesondere auch reisende Missionare wie Paulus, in einer mehrheitlich heidnischen Umgebung mancherlei Gefahren ausgesetzt sahen, ist nicht von der Hand zu weisen. Daher ist die Angabe nicht voreilig als übertrieben abzutun.

Fraglich ist, ob der Einsatz von Prisca und Aquila für das Leben des Paulus mit ihrer zufälligen Anwesenheit in der Gefahrensituation oder mit ihrer besonders angesehenen sozialen Stellung zu erklären ist. Fraglich ist ebenso, ob der Einsatz ein Grund dafür war, weshalb das Ehepaar Ephesus (möglich ist auch ein anderer Wohnort zur Zeit des Geschehens) verlassen wollte oder musste.


Nicht nur Paulus ist dem Ehepaar wegen seines Einsatzes dankbar, sondern auch alle Gemeinden der Heiden, wobei mit „Heiden“ nur Heidenchristen gemeint sein können. Auch bei dem Hinweis auf die Dankbarkeit aller heidenchristlichen Gemeinden handelt es sich nicht unbedingt um eine Übertreibung. Es ist nämlich zu bedenken, dass Paulus in heidnischen Regionen eine Vielzahl Gemeinden gegründet hat, die sicherlich dankbar sind, wenn das Leben ihres Gemeindegründers gerettet wird. Auch heidenchristliche Gemeinden, die Paulus nicht gegründet hat, dürften dankbar sein, hat der Heidenapostel Paulus doch erst die Heidenmission ermöglicht. Weil die Heidenmission aber nicht unumstritten ist und von manchen Judenchristen abgelehnt wird, ist nachvollziehbar, dass Paulus nicht vom Dank der „Gemeinden der Juden (im Sinne von Judenchristen)“ spricht.


Weiterführende Literatur: R. E. Oster 1998, 39-52 legt dar, dass sich der Ausdruck „Gemeinden der Heiden“ in 16,4 auf die Kultur und nicht die Rassenzugehörigkeit der Glieder der verschiedenen Gemeinden beziehe. Die Kultur sei durchaus verschieden gewesen, wobei Paulus diese Verschiedenartigkeit nicht zu beseitigen gesucht habe.


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V. 5


Beobachtungen: Dass Aquila und Prisca in Rom eine sozial angesehene Stellung genießen, lässt die Erwähnung einer Hausgemeinde annehmen, die ebenfalls gegrüßt wird. Wie die Hausgemeinde beschaffen ist, bleibt offen. Vermutlich gehören ihr die Angehörigen des Haushalts des Ehepaars an, die gemeinsam ihren Glauben ausüben. In welchem Umfang sich jedoch weitere Gemeindeglieder zur Glaubensausübung im Hause des Ehepaars einfinden, ist fraglich. Unklar ist auch, wie die dort betriebene Glaubensausübung konkret erfolgt. Ebenso lässt sich nicht erkennen, ob und wie die Hausgemeinde in die Gesamtorganisation einer übergeordneten römischen Stadtgemeinde eingegliedert ist. Im Präskript des Römerbriefes ist überhaupt nicht von einer Gemeinde in Rom die Rede, sondern nur von „Heiligen, die in Rom sind“. Die Christen in Rom erscheinen also als eine Menge Einzelpersonen. Die Nennung von Hausgemeinden in 16,3-16 zeigt aber, dass es ein Mindestmaß an Gemeindestrukturen gibt. Ungewiss ist allerdings, ob es in Rom schon eine übergeordnete Stadtgemeinde gibt, der die Hausgemeinden zugehören. Eine Hausgemeinde hatten Prisca und Aquila schon in Ephesus (vgl. 1 Kor 16,19).


Den Hintergrund der Bezeichnung „Erstling/Erstlingsgabe“ („aparchê“) bildet die atl. Vorschrift, die ersten Früchte der Ernte und die ersten Abkömmlinge des Viehs Gott als Erstlingsgabe darzubringen (vgl. Lev 23,9-14 u. a.). Die Erstlinge galten nämlich als Gottes Eigentum, wobei sie - wie die Menschen - teils auszulösen waren. Die Darbringenden sollten durch diesen Ritus bei ihrem Gott Gefallen finden (vgl. Lev 23,11). Die Erstlingsgabe hat somit Heilsbedeutung.

Aus dem Zusatz „Asiens für Christus“ geht hervor, dass Epänetus eine Gabe ist, und zwar eine Gabe Asiens für Christus. Folglich ist die Übersetzung „Erstlingsgabe“ am passendsten. Die Übergabe dürfte bei der Taufe erfolgt sein, die ja einen Übertritt in den Machtbereich Christi hinein darstellt. Durch die Taufe wird Christus zum „Herr“ des Getauften, der gleichsam sein Eigentum wird und ihm zu dienen hat. Epänetus’ Bekehrung bewirkt zwar nicht wie der Tod und die Auferstehung des „Erstlings“ Jesu Christi (vgl. 1 Kor 15,20) das Heil aller (christusgläubigen) Menschen, doch ist sie ein Hinweis darauf, dass Epänetus selbst und auch andere Menschen Heil erlangen. Epänetus als „Erstlingsgabe“ findet nämlich bei Gott ebenso Gefallen, wie alle anderen Menschen, die sich taufen lassen. Möglicherweise hatte Epänetus’ Taufe Signalwirkung.

Wenn Epänetus „Erstlingsgabe“ ist, so kann er als allererster Mensch „Asiens“ getauft worden sein, muss es jedoch nicht. Es ist nämlich nicht gesagt, dass nur ein einziger Mensch die „Erstlingsgabe“ darstellt, wie ja auch von den Ackerfrüchten nicht nur eine einzige Frucht dargebracht wird. Es lässt sich nur sicher sagen, dass Epänetus zu den ersten gehörte. Ob die Taufe auf die Verkündigung des Heidenapostels zurückgeht und dieser ihn vielleicht sogar selbst getauft hat, bleibt offen.

Mit „Asien“ ist vermutlich die römische Provinz „Asia minor“ in der heutigen Westtürkei gemeint, nicht der Kontinent. Die Hauptstadt dieser Provinz ist Ephesus. Es wird also nach dem Ehepaar Prisca und Aquila eine dritte Person genannt, die sich in Rom aufhält, obwohl sie eigentlich eher in Ephesus zu erwarten wäre. Für sie gilt das gleiche wie für das Ehepaar, doch ist es unmöglich, eine Antwort bezüglich der Deutung des Sachverhaltes zu finden, weil Epänetus nur in Röm 16,5 genannt wird.


Warum Epänetus direkt nach Prisca und Aquila genannt wird, ist fraglich. Gehört er zu deren „Haus“? Oder arbeitet er im gleichen Gewerbe, nämlich in der Zeltherstellung (vgl. Apg 18,3)? Beides würde dafür sprechen, dass - ein Umzug vorausgesetzt - Epänetus mit Prisca und Aquila zusammen umgezogen ist.


Epänetus ist von Paulus „geliebt“, was aber schon allein wegen der negativen Bewertung der Homosexualität seitens des Apostels (vgl. Röm 1,26-27) nicht auf eine homoerotische oder homosexuelle Beziehung verweist. Vielmehr wird ein besonderes Vertrauensverhältnis ausgedrückt. Als „Geliebte“, nämlich „Geliebte im ‘Herrn’“, könnten zwar aufgrund der Gleichheit aller „(Glaubens-)Schwestern und Brüder“ alle Christen bezeichnet werden, doch erscheint das Attribut hier als Auszeichnung, weil es nur wenigen Personen in einer nur bestimmte Personen umfassenden Grußliste zukommt.


Weiterführende Literatur:


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V. 6


Beobachtungen: Im NT wird eine Vielzahl Marias erwähnt, doch dürfte die in Röm 16,6 genannte Maria nur hier auftauchen und mit keiner anderen Maria zu identifizieren sein. Über ihre Herkunft ist nichts bekannt. Einige Textzeugen nennen sie „Mariam“, was ebenso wie die Form „Mirjam“ die hebräische Entsprechung des Namens ist und auf eine jüdische Herkunft verweist. Ebenso kann aber angenommen werden, dass „Maria“ auf eine Abstammung vom Geschlecht des Marius verweist. Dann käme Maria aus dem römisch-hellenistischen Kulturkreis.


Inwiefern sich Maria für die Adressaten abgemüht hat, bleibt offen. Das Verb „kopiaô“ kann körperliches oder geistiges Abmühen meinen. Wahrscheinlich ist das Abmühen auf die Gemeindearbeit begrenzt. Es können Verkündigung zwecks Gemeindeaufbau, dienende Tätigkeiten wie Krankenbesuche und -pflege oder Speisung von Armen, Küsterinnenaufgaben wie die Herrichtung des Gottesdienstraumes oder die Vorbereitung von Taufen, aber auch leitende Aufgaben wie Entscheidungsfindung oder Streitschlichtung im Blick sein. Das Verb steht in der Zeitform Aorist, der auf ein einmaliges und abgeschlossenes Geschehen hinweist. Sollte das Abmühen also nur kurzzeitig in der Vergangenheit geschehen sein, nicht jedoch über einen längeren Zeitraum hinweg? Dann müsste das Abmühen besonders intensiv gewesen sein, denn sonst wäre es nicht der Rede wert. Auf jeden Fall ist das Abmühen den Adressaten zugute gekommen, was für eine Tätigkeit in Rom spricht.


Weiterführende Literatur: S. Schreiber 2000, 204-226 stellt fest, dass heute die Bedeutung des Verbs „kopiaô“ („sich abmühen“) allgemein und unspezifisch als missionarische Arbeit und Wirken innerhalb der Gemeinde verstanden werde (zu dieser Deutung vgl. W.-H. Ollrog 1979, 71.75). S. Schreiber meint, unter Berücksichtigung der Wortverwendung an sachlich und formal verwandten Stellen der Paulusbriefe eine präzisere Denotation der Begrifflichkeit erheben zu können: die Terminologie des „kopian“ in Röm 16,6.12 bedeute eine in der Urchristenheit praktizierte Gemeindeleitung durch Frauen. Es seien mehrere Frauen gewesen, die innerhalb der römischen Gemeinde eine leitende Funktion ausübten. Demnach habe es sich noch nicht um ein in seinen Ausübungsformen institutionell festgeschriebenes Amt in monepiskopaler Struktur gehandelt, sondern um eine charismatisch geprägte Leitungstätigkeit, die sich an aktuellen Fähigkeiten, Begabungen und Notwendigkeiten orientiere, je neu auftrete und situativ um die konkrete Form zu ringen habe.


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V. 7


Beobachtungen: Erneut werden mit Andronikus und Junia zwei Personen in einem Atemzug genannt. Ob es sich bei den beiden um ein Ehepaar handelt, ist fraglich. Erstens ist nämlich unklar, ob „Junia“ oder „Junias“ zu lesen ist, es sich bei der zweiten Person also um eine Frau oder um einen Mann handelt, zweitens ist nicht gesagt, dass Andronikus und Junia - geht man von einer Frau aus - verheiratet sind. Die Nennung in einem Atemzug besagt nur, dass beide Personen hinsichtlich der gleichen Sache mit Paulus bekannt sind und in einem besonderen Verhältnis stehen.


Beide Personen sind Paulus’ Stammesverwandte, also wie Paulus gebürtige Juden. Sie waren auch beide Paulus’ Mitgefangene, wobei die Gefangenschaft nicht genauer erläutert wird. Es bleibt also offen wo und unter welchen Umständen sie sich ereignet hat. Die Mitgefangenschaft kann als Gefangenschaft im gleichen Gefängnis oder auch als Gefangenschaft gedeutet werden, die derjenigen von Paulus ähnelte, aber getrennt von ihr stattfand. Selbst wenn eine Gefangenschaft zusammen mit Paulus in einem Gefängnis angenommen wird, lässt sich zum Ort und zu den Umständen der Gefangenschaft nichts sagen, weil Paulus vielmals gefangen war (vgl. 2 Kor 6,5; 11,23). Es kann auch sein, dass Andronikus und Junia „Mitgefangene“ im übertragenen, nicht im eigentlichen Sinne sind. Sie wären dann wie Paulus in ihrem Tun als aktive Christen gebunden (= gefangen), und zwar an das Evangelium Christi. Diese übertragene Bedeutung ist allerdings unwahrscheinlich, weil zu erwarten wäre, dass Paulus zumindest anmerkt, worin Andronikus und Junia „gefangen“ sind. Ein solcher Zusatz ist nur bei einer Gefangenschaft im eigentlichen Sinn unnötig.


Bezeichnet der Akkusativ „Iounian“ einen Mann namens Junias oder eine Frau namens Junia? „Junias“ könnte eine Kurzform von „Junianus/Junianius/Junilius/Junius“ sein. Auf eine solche Kurzform würde die Schreibweise mit Zirkumflex („Iouniãn“) hinweisen. Allerdings finden sich in den ältesten und bedeutendsten Handschriften keine Akzente, so dass auch die Schreibweise mit einem Akut („Iounían“), die auf einen Frauennamen „Junia“ hinweist, in Frage kommt. Außerdem bieten einige Textzeugen die Schreibweise „Ioulian“, die entweder eine Frau namens Julia oder einen Mann namens Juliam bezeichnen könnte. Gegen die Annahme, dass in Röm 16,7 von einem Mann namens Junias die Rede ist, spricht, dass es weder in der antiken Literatur noch in den lateinischen oder griechischen Inschriften Belege für den Männernamen „Junias“ gibt. Nun kann man dagegen einwenden, dass dafür oftmals die Langformen des Namens erwähnt werden. Allerdings werden lateinische Namen im Normalfall nicht durch Kürzung zu Spitznamen, sondern durch Verlängerung; gekürzt werden griechische Namen. Auch lässt die Tatsache, dass es höchst ungewöhnlich wäre, dass ein lateinischer Name mit einer griechischen Endung (-as) endet, Zweifel an der These von der Kurzform eines lateinischen, ähnlich lautenden Namens aufkommen. Eher dürfte es sich bei Andronikus (griechisch: Andronikos) und Junia(s) um hellenistische Namen handeln. Andronikus und Junia(s) könnten gebürtige Juden des hellenistischen Kulturkreises sein. Für die These, dass der Akkusativ „Iounian“ als Frauenname „Junia“ zu deuten ist, spricht schließlich auch noch, dass bis ins Mittelalter hinein die Ausleger von einer Frau ausgegangen sind.


Andronikus und Junia(s) werden als „hochangesehen unter den Aposteln“ bezeichnet. „Unter den Aposteln“ kann so verstanden werden, dass Andronikus und Junia(s) zu den Aposteln gehören, aber auch so, dass sie „in den Augen der Apostel“ hochangesehen, aber selbst keine Apostel sind. Selbst wenn tatsächlich von einer Frau namens Junia die Rede sein sollte, wäre diese nicht unbedingt eine Apostelin.

Warum die beiden hochangesehen sind, wird nicht gesagt. Versteht man die beiden als Apostel, so könnte das hohe Ansehen mit dem Aposteldasein zu begründen sein. Dann wäre jedoch zu fragen, was denn unter dem Begriff „Apostel“ zu verstehen ist und was ein besonderes Ansehen im Vergleich zu anderen Aposteln begründen könnte. Zunächst zum Begriff „Apostel“: Bei den Aposteln handelt es sich dem Wort nach um Abgesandte (apostelloi). Diese waren gewöhnlich von einer Gemeinde zur Erledigung bestimmter Aufgaben entsandt, dürften aber auch - zumindest in bestimmten Fällen - missionarische Funktionen ausgeübt und damit zusammenhängend wie Paulus Gemeinden gegründet haben. Die Bezeichnung „Apostel“ beschreibt aber nicht nur eine Funktion, sondern ist auch als Ehrentitel zu verstehen. Allerdings ist unklar, was die Voraussetzung dafür ist, dass jemand als „Apostel“ bezeichnet wird. Ein Apostel kann wie der engste Jüngerkreis, die Zwölf, Jesus zu Lebzeiten gesehen haben, muss es jedoch nicht, denn sonst wäre Paulus kein Apostel. Außerdem wären dann alle Menschen, die Jesus zu Lebzeiten gesehen haben, Apostel. Auch das ist nicht der Fall. Ausschließlich Christen werden als Apostel bezeichnet. Über die reine Augenzeugenschaft hinausgehend muss ein besonderes Verhältnis zu Jesus gegeben sein, sei es eine besondere Nähe und Vertrautheit wie bei dem Kreis der Zwölf oder eine persönliche Beauftragung wie bei Paulus. Eine Beauftragung kann in verschiedener Form erfolgt sein, nämlich durch den noch lebenden Jesus selbst oder in einer Audition, Vision oder Audiovision. Ob Andronikus und Junia(s) Jesus persönlich gesehen haben oder ob sie persönlich beauftragt worden sind, bleibt offen, weil wir über Röm 16,7 hinausgehend nichts über die beiden wissen und eine Identifikation von Junia(s) mit der in Lk 8,3; 24,10 erwähnten Johanna, der Frau des unter Herodes Antipas dienenden Verwalters Chuzas, auf Spekulation beruht. Folglich tappen wir auch bezüglich der Frage im Dunkeln, warum Andronikus und Junia(s) so angesehen sind. Am ehesten ist angesichts der Tatsache, dass die Mission eine wesentliche Tätigkeit der Apostel dargestellt hat, anzunehmen, dass sich Andronikus und Junia(s) durch den Umfang und die Intensität der Verkündigung und/oder des Gemeindeaufbaus ausgezeichnet haben. Eine solche intensive missionarische Tätigkeit wird den Widerstand der Andersgläubigen hervorgerufen haben, der den/die Gefängnisaufenthalt(e) von Andronikus und Junia(s) erklären würde.


Andronikus und Junia(s) sind vor Paulus „im Herrn“, also Christen geworden. Das bedeutet, dass sie nicht in einem Gebiet getauft worden sein können, in dem Paulus als erster Missionar gewirkt oder wo sich das Christentum anderweitig erst spät ausgebreitet hat. Schon wegen der von Jerusalem weit entfernten Lage ist anzunehmen, dass Rom zu diesen Ausschlussgebieten gehört. Weil aber auch der Balkan und die heutige Türkei nicht vor der Bekehrung des Paulus missioniert worden sein dürften, sind Andronikus und Junia(s) wahrscheinlich im östlichen Mittelmeerraum, möglicherweise sogar in Israel oder gar Jerusalem selbst mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen und getauft worden. Sofern sie sich dort nicht nur vorübergehend aufgehalten haben, dürften sie auch aus dem östlichen Mittelmeerraum stammen. Dafür spricht auch, dass sie gebürtige Juden sind, wobei sich Juden allerdings schon zu Beginn des 1. Jh.s n. Chr. nicht nur in Jerusalem, Israel oder dem östlichen Mittelmeerraum finden, sondern auch in anderen Weltgegenden wohnhaft sind; sonst hätten sie nämlich von Kaiser Claudius nicht aus Rom vertrieben werden können. Gleich ob man davon ausgeht, dass die Grußliste tatsächlich an die römischen Christen gerichtet ist oder sich ursprünglich an die Christen in Ephesus gerichtet hat und erst nachträglich durch einen Redaktor in den Römerbrief eingearbeitet wurde, sind Andronikus und Junia(s) doch mit großer Wahrscheinlichkeit Zugezogene oder Gäste. Das besondere Ansehen kann mit der geographischen Herkunft aus der Nähe von Jerusalem oder der Stadt selbst zusammenhängen, aber auch mit der frühen Taufe. Es ist aber auch möglich, dass das besondere Ansehen unabhängig von Herkunft und früh erfolgter Taufe erlangt wurde.


Weiterführende Literatur: U.-K. Plisch 1996, 477-478 untersucht den textkritischen Apparat der 27. Aufl. des Novum Testamentum Graece von Nestle-Aland und die sahidische Überlieferung und kommt zu dem Schluss, dass die Entscheidung (wie in der 26. Aufl.) „Iouniãn“ zu lesen und einen Männernamen „Junias“ anzunehmen, keinen oder zumindest keinen erwähnenswerten Anhalt in der Textüberlieferung habe.

E. J. Epp 2002, 227-291 kommt in seiner ausführlichen textkritischen Studie zu dem Ergebnis, das in V. 7 von einer Apostelin namens Junia die Rede sei. Der Frage, wie es dazu kommen konnte, dass diese Apostelin aus dem kirchlichen Bewustsein verschwunden ist, spürt E. J. Epp 2005 anhand von Handschriften des NT, antiken Schriftstücken und Bibelübersetzungen nach.

Laut A. Schröder 2006, 272-276 würden mit dem Titel „Apostel“ Menschen bezeichnet, die für die Entstehung und Ausbreitung des Christentums von entscheidender Bedeutung waren. Im NT werde keine Frau mit dem Aposteltitel ausgezeichnet – außer Junia, und auch sie werde im Laufe der Zeit hinter einem männlich verstandenen Namen versteckt.


R. S. Cervin 1994, 464-470 setzt sich eingehend mit der These auseinander, dass der Akkusativ „Iounian“ als Männername „Iunias“ zu deuten sei. Ergebnis: Der Name sei feminin und nicht maskulin. Die maskuline Form des Namens sei „Iunius“ im Lateinischen und „Iounios“ im Griechischen. Auch sei die Annahme, dass „Iunias“ eine Kurzform eines längeren Namens sei, anhand des Quellenmaterials nicht belegbar. Der Name „Iunias“ sei weder in einem griechischen noch in einem lateinischen Schriftstück der ntl. Umwelt belegt.

R. R. Schulz 1987, 108-110 legt dar, dass die Stellung des Akzents, Akut oder Zirkumflex, hinsichtlich der Frage, ob in V. 7 von einem Mann namens Junias oder von einer Frau namens Junia die Rede ist, eine entscheidende Rolle spiele. Diese entscheidende Rolle führt ihn zu einer eingehenden Untersuchung der Geschichte der Stellung des Akzents. Darüber hinaus nennt R. R. Schulz Argumente, die eine Frau annehmen lassen. Abschließend unterstreicht er, dass die Kirchenväter nicht gefragt hätten, ob es sich bei Junia(s)/Julia um eine Frau und Apostelin handelt, denn dies habe für sie festgestanden. Ihre Frage habe anders gelautet: Wie lässt sich Röm 16,7 mit anderen neutestamentlichen Texten in Einklang bringen, die eine negativere Haltung den Frauen gegenüber erkennen lassen?


L. Belleville 2005, 231-249 wendet sich gegen die Annahme, dass die griechische Formulierung „episêmoi en“ plus einen pluralen Dativ „angesehen in den Augen von…“ bedeute. Eine Analyse der hellenistisch-griechischen Schriftwerke, Papyri, Inschriften und kunsthandwerklichen Gegenstände unterstütze die These, dass „Iounían“ zu lesen sei und es sich somit um eine Frau namens Junia handele und dass „episêmoi en“ plus einen pluralen Dativ ausnahmslos „angesehen unter…“ bedeute. Junia gehöre also zu den hochangesehenen Aposteln.


P. Lampe 1985, 132-134 legt dar, dass beide Namen, das weibliche „Iunia“ und das männliche „Iunianus“, auf eine unfreie Herkunft hinwiesen. Es handele sich vermutlich um eine(n) Freigelassene(n), die/der früher einem Patron namens Iunius gedient hat.


Laut A. Wolters 2008, 397-408 sei nicht ausgemacht, dass der Name „Iounian“ auf einen lateinischen Namen zurückgeht. Zu denken sei auch an einen semitischen, konkret hebräischen, Personennamen. Die Argumentation sei einfach und lasse sich in drei Schritten zusammenfassen: Erstens sei ein hebräischer Name yḥwny mit der Bedeutung „möge er gnädig sein“ in der Zeit des Paulus belegt. Zweitens sei dieser Name wahrscheinlich „yeḥunnī” ausgesprochen worden. Drittens sei dieser Name zu “Iounias“ (= 1. Pers. Sing.) hellenisiert worden.


J.-M. Salamito 1999,191-210 geht der Frage nach, wie das Substantiv „synaichmalôtos“ („Mitgefangener“) zu verstehen ist. Die wörtliche Bedeutung sei „gemeinsamer Kriegsgefangener“. Es sei nicht nur eine Gefangennahme durch Jesus Christus im Blick, also eine rein metaphorische, geistliche Gefangennahme, sondern eine reale. Doch warum benützt Paulus im Hinblick auf seine Mitgefangenen nicht den Begriff „desmos“ („Gefangener/Gefesselter“), mit dem er sich ja selbst bezeichnet? J.-M. Salamito weist darauf hin, dass in der griechischen, römischen und hellenistisch-jüdischen Kultur die Gefangenschaft dauerhafte Erniedrigung mit sich gebracht habe. Positiver sei die Kriegsgefangenschaft bewertet worden. Hellenistische Inschriften zeigten, dass Kriegsgefangene nicht ihren freien Status verloren und die Städte diejenigen ehrten, die in ihre Mitte zurückkehrten. Indem Paulus seine Mitgefangenen als „synaichmalôtoi“ bezeichnet, verkläre er mittels einer militärischen Metapher deren materiell prekäre und sozial erniedrigende Lage.


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V. 8


Beobachtungen: Ampliatus wird nur hier erwähnt, sodass wir nicht mehr über ihn wissen, als in V. 8 ausgesagt ist. Der Name „Ampliatus“ kommt insbesondere bei Sklaven und Freigelassenen häufig vor und ist auch in Rom verbreitet. Ampliatus kann also ein aus Rom stammender Sklave oder Freigelassener sein, doch ist dies nicht sicher. Ob er in irgendeiner Verbindung mit dem Kaiserhaus steht, ist fraglich.


Auch Ampliatus ist von Paulus geliebt. Für ihn gilt diesbezüglich das gleiche wie für Epänetus (vgl. Beobachtungen zu V. 5).


Weiterführende Literatur: F. Refoulé 1990, 409-420 listet zunächst die Argumente auf, die für eine Zugehörigkeit des Abschnittes 16,3-16 zum Römerbrief sprechen, und führt dann die Gegenargumente an. Dann widmet er sich den Schwierigkeiten, die entstehen, wenn man den Text für einen Bestandteil des Römerbriefes hält, wobei er insbesondere der Frage nachgeht, ob Sklaven oder Freigelassene aus Kleinasien überhaupt nach Rom auswandern konnten. F. Refoulé hält dies - zumindest in der Größenordnung der in der Grußliste erwähnten vermutlich ephesinischen Sklaven und Freigelassenen - für unwahrscheinlich.


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V. 9


Beobachtungen: Urbanus ist wie Ampliatus ein römischer Name und auch bei Sklaven und Freigelassenen bezeugt. „Urbanus“ bedeutet übersetzt „der Städter“, passt also bestens zu Rom, der Stadt (urbs) schlechthin. Eine weitere Übersetzungsmöglichkeit ist „der Gebildete/Geistreiche“.


Urbanus wird wie Prisca und Aquila als „Mitarbeiter in Christus (Jesus)“ bezeichnet. Auch er dürfte wie diese selbst verkündigt oder zumindest die Verkündigung tatkräftig unterstützt haben.


Über 16,7 hinausgehend wissen wir nichts über Urbanus. Das gilt auch für den von Paulus geliebten Stachys. Dass mit Stachys nun schon die dritte Person als „geliebt“ bezeichnet wird, zeigt, dass die Liebe keine exklusive Auszeichnung ist. Alle Personen, mit denen Paulus eine gewisse Vertrautheit verbindet, über die er aber anscheinend sonst nichts herauszuheben weiß, werden als „geliebt“ bezeichnet.


Stachys ist ein Name von griechischer Herkunft, der auch in Rom vorkommt. Träger griechischer Namen waren im Rom des 1. Jh.s n. Chr. meist unfreier Abstammung, also Sklaven oder Freigelassene. Beispielsweise ist ein Sklave der kaiserlichen Familie bekannt, der Stachys heißt. Stachys ist also möglicherweise ein Sklave oder Freigelassener, vielleicht der kaiserlichen Familie. Allerdings finden sich auch im Vorderen Orient, wo auch Freigeborene griechisch benannt werden, Träger des Namens Stachys. Insofern ist nicht sicher, dass Stachys Sklave oder Freigelassener ist.


Weiterführende Literatur:


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V. 10


Beobachtungen: Auch Apelles ist ein griechischer Name. Auch er ist nicht nur in Griechenland verbreitet, sondern kommt auch bei Juden und Römern vor. Daher gilt für ihn das Gleiche wie für den Namen Stachys. Es ist auch ein Mitglied des kaiserlichen Hauses unter diesem Namen bekannt. Ist auch der erwähnte Apelles Mitglied des kaiserlichen Hauses?


Apelles ist „in Christus bewährt“. Deutet diese Formulierung darauf hin, dass der Mann schon vor langer Zeit den christlichen Glauben angenommen hat und deshalb in ihm bewährt ist? Oder ist Apelles durch ein besonderes Geschehnis im christlichen Glauben geprüft worden, wobei er die Prüfung bestanden hat?


Fraglich ist, ob Apelles etwas mit den nachfolgend genannten Leuten aus dem Haus des Aristobul zu tun hat oder ihnen gar zugehört. Zumindest befindet Paulus Apelles für würdig, getrennt namentlich genannt zu werden.


Gegrüßt wird nicht Aristobul selbst, sondern die Personen, die ihm zugehören. Die ihm Zugehörigen dürften die engeren Familienmitglieder sein, aber auch alle anderen Personen, die der Hausgemeinschaft angehören, wobei insbesondere auch an Sklaven zu denken ist. Dass Aristobul nicht auch selbst gegrüßt wird, dürfte damit zusammenhängen, dass er kein Christ und somit auch nicht der christlichen Gemeinschaft angehört, an die der Brief samt den Grüßen gerichtet ist.

Der Name Aristobul ist nur selten belegt. Häufig wird er allerdings von vornehmen Juden getragen, was darauf hinweist, dass es sich um einen vornehmen, wohlhabenden Juden handelt, der nach Rom gezogen oder dort aufgewachsen ist. Auch ist der Name in besonderem Maße mit Herrscherhäusern im Osten des Reiches verbunden. So nennt Josephus gleich drei Glieder des hasmonäischen und vier Glieder des herodeischen Herrscherhauses, die Aristobul heißen. Am ehesten könnte ein Enkel Herodes d. Gr. und Bruder Agrippas I. gemeint sein, der kein politisches Amt bekleidete und - vermutlich von seinem Bruder überwacht - in Rom lebte und dort in der zweiten Hälfte der 40er Jahre auch starb. Selbst wenn der Römerbrief erst einige Jahre nach dem Tod des Aristobul geschrieben wurde, können die Angehörigen seines Hauses weiterhin als „diejenigen des Aristobul“ bezeichnet worden sein.


Weiterführende Literatur:


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V. 11


Beobachtungen: Auch Herodion ist ein „Stammesverwandter“ des Paulus, also ein gebürtiger Jude. Vom Namen her zu schließen handelt es sich bei Herodion um einen Sklaven oder Freigelassenen des herodianischen Königshauses. Für eine solche Herkunftsbestimmung spricht auch die Tatsache, dass Paulus Herodion unmittelbar nach „denen aus dem Hause des Aristobul“ nennt. Fraglich ist, ob Herodion vor seiner Taufe der in Rom bezeugten „Synagoge der Herodier“ angehörte.

Es fällt auf, dass Paulus zu Herodion nichts weiter zu sagen weiß, als dass er sein „Stammesverwandter“ ist. Ist diese Beobachtung so zu deuten, dass Paulus Herodion nicht besonders gut kennt, oder ist es für Paulus ein besonders erwähnenswertes Merkmal, wenn jemand wie er jüdischer Herkunft ist? Wie die Dinge wirklich liegen, lässt sich kaum erschließen, weil unbekannt ist, wo und bei welcher Gelegenheit Paulus Herodion kennen gelernt hat und wie eng der weitere Kontakt war. Sollte tatsächlich die letztere Annahme stimmen, dann wäre zu erwarten, dass ohne Ausnahme alle gegrüßten Personen, die jüdischer Abstammung sind, als „Stammesverwandte“ bezeichnet werden. Alle anderen Personen wären demnach keine gebürtigen Juden. Dass Paulus überhaupt die jüdische Herkunft hervorhebt, zeigt, dass eine solche Herkunft bei den Christen in Rom keine Selbstverständlichkeit ist. Judenchristen dürften unter den römischen Christen eine Minderheit darstellen (vgl. Röm 1,5-6).


Ebenso wie Aristobul wird auch Narzissus selbst nicht gegrüßt, sondern nur die Angehörigen seines „Hauses“, also seiner Hausgemeinschaft. Diese sind „im ‘Herrn’“, d. h. im Machtbereich Christi und damit Christen, ganz im Gegensatz zu Narzissus.


Weiterführende Literatur: G. N. Uzukwu 2009, 779-786 vertritt die Ansicht, dass gemäß Röm 16,1-16 in der römischen Gemeinde das erfüllt sei, was in Gal 3,28 vorhergesagt werde: „Es gibt nicht mehr Juden noch Griechen, nicht mehr Sklaven noch Freien, nicht mehr männlich noch weiblich; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“ Die Namen in Röm 16,1-16 veranschaulichten gut die in 3,22; 5,1 ausgedrückte theologische Botschaft, dass alle Gläubigen durch den Glauben durch Christus gerechtfertigt worden sind. So gebe es zwischen ihnen keine Unterscheidung mehr, denn sie seien alle in Christus und Kinder Gottes (vgl. 1,16; 8,14.16-17.21; 9,26; Gal 3,28).


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V. 12


Beobachtungen: Tryphäna und Tryphosa sind Trägerinnen griechischer Namen, die nicht im Vorderen Orient verbreitet waren. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass beide unfreier Abstammung sind. Beide werden in der Bibel nur in Röm 16,12 genannt, weshalb sich nichts weiter über ihre Person sagen lässt. Die Nennung in einem Atemzug lässt nur darauf schließen, dass beide in irgendeiner Form zusammengehören. Am wahrscheinlichsten ist, dass es sich um Schwestern handelt, vielleicht sogar um Zwillingsschwestern. Es kann sich aber auch um gute Freundinnen handeln. Ob beide auch zusammen wohnen ist unklar. Die Nennung der beiden Namen in einem Atemzug muss jedoch nicht mit einer besonderen Beziehung der Frauen zueinander - sei es Verwandtschaft oder Freundschaft - zusammenhängen. Es ist auch möglich, dass der Gleichklang der Namen zu einer Nennung in unmittelbarer Folge geführt hat.


Die Namen sind vom Verb „tryphaô“ oder vom Substantiv „tryphê“ hergeleitet, was „schwelgen“ oder „im Überfluss leben“ bzw. „Schwelgerei“ oder „Luxus“ bedeutet. Die Bedeutung der Namen steht in einem bemerkenswerten Gegensatz zum Tun der Frauen, die sich „abmühen“.


Mit der nach Tryphäna und Tryphosa genannten Persis werden in Röm 16,3-16 insgesamt vier Frauen genannt, die sich „im Herrn“ abmühen, also in irgendeiner Form im Gemeindeleben aktiv sind und so Gemeindeaufbau betreiben. Dabei fällt der Wechsel der Zeitform des Verbs „kopiaô“ auf: Bei Maria (V. 6) handelt es sich ebenso wie bei Persis um einen Aorist, bei Tryphäna und Tryphosa dagegen um ein Präsens. Ist damit ausgesagt, dass sich nur Tryphäna und Tryphosa auch gegenwärtig noch einsetzen, wogegen sich Maria und Persis „nur“ in der Vergangenheit (einmalig?) außergewöhnlich abgemüht haben? Sollte tatsächlich eine bewusste Differenzierung vorliegen, so wäre die gute Gemeindekenntnis des Apostels bemerkenswert.


Persis ist ein griechischer Name, der in Rom nur selten vorkommt. Vermutlich ist Persis also zugezogen. Persis bedeutet „Persierin“, was jedoch nicht heißt, dass Persis auch tatsächlich aus Persien stammt. Sklavinnen wurden als Ware oft nach ihrem Herkunftsland bezeichnet, wobei auch eine römische Sklavin nach einem der gängigen Herkunftsländer benannt sein konnte. Der Name Persis sagt also in erster Linie aus, dass es sich bei der so Benannten um eine Sklavin (oder Freigelassene) handelt. Diese kann aus Persien stammen, muss es jedoch nicht.


Die Formulierung „die geliebte Persis“ statt „meine geliebte Persis“ kann auf eine gewisse Distanz des Apostels Persis gegenüber hinweisen oder - eher noch - auf ein allgemein hohes Ansehen der Gegrüßten.


Weiterführende Literatur: Laut S. Bieberstein 2008, 92-95 würden in der Grußliste Röm 16,1-16 Frauen in unterschiedlichen verantwortlichen Funktionen sichtbar, die sie offensichtlich mit großer Selbstverständlichkeit ausgeübt hätten und darin von Paulus und anderen vorbehaltlos anerkannt worden seien. So lasse sich diese Liste wie eine Veranschaulichung der Charismenlisten lesen, in denen Paulus die verschiedenen geistgewirkten Gaben zusammenstelle, die er in den Gemeinden erlebe und die für die Gemeinde eingesetzt würden. Würden diese Charismenlisten mit der Grußliste kombiniert gelesen, zeige sich, dass sowohl Männer als auch Frauen Träger und Trägerinnen dieser Geistesgaben sein können, und dass alle diese Gaben sowohl von Frauen als auch von Männern wahrgenommen und verwirklicht werden. Zu V. 12: Das Verb „kopiaô“ („sich abmühen“) meine eigentlich die schwere körperliche Arbeit. Interessanterweise verwende Paulus dieses Verb aber ausschließlich als Ausdruck für die umfassende Arbeit in der Verkündigung und im Gemeindeaufbau.


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V. 13


Beobachtungen: Rufus, der „Rothaarige“, taucht in der Bibel zusätzlich zu Röm 16,13 auch in Mk 15,21 auf, wo es sich um einen der beiden Söhne des Simon von Kyrene handelt. Da biblischerseits nichts auf eine Identität der beiden Gleichnamigen hinweist und Rufus zumindest in Rom ein häufiger Name ist, sollte nicht vorschnell davon ausgegangen werden, dass beide Stellen von derselben Person sprechen.

Rufus ist ein lateinischer Name, der noch zu Ciceros Zeit (1. Jh. v. Chr.) ein gängiger Sklavenname war, jedoch etwa ein Jahrhundert später zur Zeit des Apostels Paulus (1. Jh. n. Chr.) vor allem Freigeborenen zukommt.


In Röm 8,33 kommt die Ehrenbezeichnung „Erwählter“ („eklektos“) allen Gläubigen zu, die als „Erwählte Gottes“ erscheinen. In 16,13 dagegen scheint die Ehrenbezeichnung „Erwählter“ den so titulierten Rufus aus der Masse der Christen herauszuheben. Er scheint sich in irgendeiner Form, vermutlich entweder durch Gemeindeaufbau oder durch besonders vorbildliche Lebensführung, gegenüber den anderen Christen auszuzeichnen. Vielleicht übt er auch eine besondere Tätigkeit aus oder hat gar ein bestimmtes Amt inne. Als „Erwählter“ kann er sich dafür jedoch nicht selbst rühmen, sondern der Ruhm kommt demjenigen zu, der ihn erwählt hat, nämlich Gott oder Jesus Christus.

Die Präposition „en“ kann mit „in“ oder mit „durch“ übersetzt werden. „En kyriô“ kann also „durch [den] Herrn“ oder „im Herrn“ bedeuten. In ersterem Fall wäre betont, dass es der „Herr“, also Gott oder Jesus Christus, ist, der Rufus erwählt hat, in letzterem Fall wäre ausgesagt, dass die Erwählung im Machtbereich des „Herrn“ stattgefunden hat, also in irgendeiner Weise das christliche Leben betraf und betrifft.


Unklar ist, was Paulus meint, wenn er die gegrüßte Mutter von Rufus auch als seine eigene Mutter bezeichnet. Wörtlich genommen wären Rufus und Paulus Brüder oder Halbbrüder, je nachdem, ob sie vom selben Vater abstammen oder nicht. Bei Bruderschaft im eigentlichen verwandtschaftlichen Sinne würde Paulus sein besonderes verwandtschaftliches Verhältnis zu Rufus aber sicherlich direkter ausdrücken und diesen deutlicher als seinen (Halb-)Bruder hervorheben. Wahrscheinlicher ist also, dass Paulus aussagt, dass Rufus’ Mutter seine eigene Mutter geworden ist. Das Mutter-Kind-Verhältnis wäre ein besonderes Vertrauensverhältnis, ohne dass leibliche Abstammung vorausgesetzt wäre. Dieses Vertrauensverhältnis kann dadurch aufgebaut worden sein, dass Rufus’ Mutter Paulus wie ihr eigenes Kind aufgezogen und erzogen hat, aber sich auch in einer besonderen Fürsorge dem erwachsenen Paulus gegenüber gezeigt haben und auch noch zeigen. Am nahe liegendsten ist die Annahme, dass Paulus eine wie auch immer beschaffene Fürsorge im Rahmen seiner Missionstätigkeit angediehen bekam. Das dadurch entstandene Mutter-Kind-Verhältnis dürfte sich nicht allein auf den materiellen Bereich beschränken, sondern auch emotionale und spirituelle Aspekte umfassen.


Weiterführende Literatur:


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V. 14


Beobachtungen: Auch Asynkritus, der „Unvergleichbare“, ist ein griechischer Name, der aber auch orientalischen Einwanderern zukommen kann. Diese können durchaus freigeboren sein, auch wenn griechische Namen in Rom meistens unfrei Geborenen, also Sklaven oder Freigelassenen, zukamen.


Bei dem griechischen Namen Hermes gibt es kein Anzeichen östlicher Herkunft. Folglich ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Hermes Sklave oder Freigelassener ist. Hermes ist im antiken Rom der meistgebrauchte Göttername und zugleich der Sklavenname schlechthin.

Ähnliches gilt für den durch Suffix von Hermes abgeleiteten Namen Hermas, der allerdings auch im Vorderen Orient vorkommt, jedoch in Rom bei weitem seltener als Hermes ist.


Patrobas ist die Kurzform von Patrobius. Im Gegensatz zur Kurzform ist die Langform des Namens für Zeitgenossen des Apostels in Rom belegt. Auch bei Patrobas bzw. Patrobius handelt es sich um einen griechischen Namen, der auch orientalischen Zuwanderern zukommt.


Die Formulierung „tous syn autois adelphous“ kann sowohl mit „die Brüder mit ihnen“ als auch mit „die Geschwister mit ihnen“ übersetzt werden. Auch hier sind wahrscheinlich nicht leibliche Brüder oder Geschwister gemeint, sondern Glaubensbrüder oder –geschwister. Zwar sind es nur Männer, die namentlich genannt werden, jedoch können sich unter den Brüdern oder Geschwistern auch Frauen befinden. Daher ist die Übersetzung „Geschwister“ vorzuziehen. Dabei ist unklar, wie „bei ihnen“ zu verstehen ist. Wahrscheinlich bezeichnet es nicht nur die räumliche Nähe, sondern eine Nähe im Sinne der Zugehörigkeit zur Hausgemeinschaft der fünf namentlich genannten Männer. Ob Paulus die Namen der „Geschwister mit ihnen“ kennt, ist fraglich. Zumindest hat er zu ihnen keine solch enge Beziehung, dass er sie namentlich nennt.


Die fünf in V. 14 genannten Männer erscheinen in der Bibel nur hier, weshalb sich über ihre Persönlichkeit nichts weiter aussagen lässt, als dass ihr Verhältnis zu Paulus enger ist als das der anderen Glaubensbrüder, die nicht der namentlich genannt werden.


Phlegon erscheint im alten Griechenland auch als Hundename, bezeichnet im alten Rom oftmals unfrei Geborene.


Weiterführende Literatur: S. Witetschek 2009, 811-825 geht der Frage nach, warum keine Grüße an Petrus ausgerichtet werden. Alle im Aufsatz vorgestellten Denkmöglichkeiten hätten ihre Schwächen, so dass die Entscheidung für eine Möglichkeit nicht ganz leicht falle. Die „radikale“ Lösung, Röm 16 aus dem Römerbrief herauszutrennen, scheide aus text- und literarkritischen Gründen aus. Dass Petrus in einer der römischen Hausgemeinden „mitgemeint“ gewesen sein sollte, werde der Bedeutung, die Paulus ihm sonst – im Ersten Korintherbrief und im Galaterbrief - beimesse, nicht gerecht. Ebenso sprächen diese beiden Briefe gegen die Annahme, Paulus habe nach dem antiochenischen Zwischenfall dauerhaft mit Petrus gebrochen und ignoriere ihn deswegen im Römerbrief. Mehr spreche für die beiden letzten Möglichkeiten: Wenn Petrus erst im Sommer oder Herbst 55 in Rom eingetroffen sein sollte, könnte Paulus im Winter 55/56 noch nicht gewusst haben, dass sein Römerbrief auch diesen erreichen würde. Wahrscheinlicher sei jedoch in der Tat, dass Petrus erst nach Rom kam, nachdem Paulus den Römerbrief geschrieben hatte. Dass die beiden sich später in Rom persönlich begegneten, sei zwar nicht hieb- und stichfest zu belegen, aber dennoch nicht ausgeschlossen.


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V. 15


Beobachtungen: Alle in V. 15 genannten Personen tauchen in der Bibel nur hier auf, weshalb sich über sie nichts sagen lässt, was über die Informationen, die sich aus den Namen schließen lassen, hinausgeht.


Philologus heißen in Rom oftmals Sklaven oder Freigelassene. Der Name ist griechisch und bedeutet „Gelehrter“, „Freund gelehrter Gespräche“.


Der Name Julia ist in Rom sehr häufig bezeugt. Genau genommen handelt es sich um ein nomen gentile, also um einen Namen, der die Namensträgerin einem bestimmten Geschlecht zuordnet. So kann die genannte Person eine hohe Dame des iulisch-claudischen Hauses sein oder zu den vielen Freigelassenen oder den Nachkommen eines Freigelassenen des iulischen Geschlechtes gehören. Julia könnte auch den Provinzialen zugerechnet werden, die von Caesar oder Augustus das Bürgerrecht erhalten haben, doch ist dieser Personenkreis nicht so umfangreich wie derjenige der iulischen Freigelassenen.


Nereus ist wie Hermes ein (griechischer) Göttername und kommt somit ebenso vor allem Sklaven und Freigelassenen zu. Er ist in Rom nicht so verbreitet wie der Name Hermes.


Auch die Schwester von Nereus wird von Paulus gegrüßt. Es fällt auf, dass Paulus in V. 15 die Gegrüßten als zwei Paare aufzählt, zu denen er Olympas und die weiteren „Heiligen“ hinzufügt. Aus der engen verwandtschaftlichen Beziehung von Nereus und seiner Schwester kann man schließen, dass auch zwischen Philologus und Julia ein besonderes verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis besteht. Am wahrscheinlichsten ist, dass es sich bei Philologus und Julia um ein Ehepaar handelt. Dann könnten Nereus und seine Schwester deren Kinder sein. Solche Schlussfolgerungen sind jedoch hypothetischer Art, die sich nicht belegen lassen. Gänzlich unklar bleibt auch, in welchem Verhältnis Olympas zu Philologus, Julia, Nereus und dessen Schwester steht.

Die Formulierung „alle ‘Heiligen’ bei ihnen“ dürfte die Hausgemeinde der zuvor genannten fünf, möglicherweise einer Familie angehörenden Personen meinen. Dass Philologus, Julia, Nereus und dessen Schwester sowie Olympas möglicherweise alle dem Kreise der Freigelassenen (und derer Nachkommen) angehören, schließt nicht aus, dass ihnen eine Hausgemeinschaft zugeordnet ist, denn Freigelassene können in Rom durchaus Sklaven halten. Die Bezeichnung „Heilige“ kommt allen Christen zu, es dürfte somit nicht das spätere Verständnis von Heiligen als besonders vorbildlich lebend oder wundertätig zugrunde liegen.


Auch Olympas ist ein griechischer Name, der allerdings in Rom nur sehr selten bezeugt ist. Es handelt sich um die Kurzform eines mit Olymp- beginnenden Namens, deren Inhaber meist Sklaven oder Freigelassene sind.


Die Vielzahl griechischer Namen - immerhin zwei Drittel aller in 16,3-16 genannten Namen - spricht nicht für eine ursprüngliche Zugehörigkeit der Grußliste zu einem Brief an die Epheser. Ein Teil dieser griechischen Namen ist in Rom durchaus verbreitet und kann auch von Römern getragen werden. Außerdem gibt es zahlreiche Gründe, weshalb die genannten Menschen nach Rom gezogen sein können.


Weiterführende Literatur:


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V. 16


Beobachtungen: Paulus belässt es nicht bei Grüßen, sondern fordert die Adressaten auch zu Grüßen auf. Wen die Adressaten grüßen sollen, sagt Paulus nicht konkret - sie sollen „einander“ grüßen. Da sich die Adressaten ja in einer einzigen Gemeinde befinden und sie sich ohne Schwierigkeiten persönlich sehen können, hat Paulus anscheinend keine Grüße über eine weite Distanz hin im Blick, wie sie in seinem eigenen Brief erfolgen.


Der Gruß soll untereinander mit dem „heiligen Kuss“ erfolgen. Der Gruß hat nicht wie ein Begrüßungskuss rein weltlichen Charakter, sondern er entspringt dem Wirken des heiligen Geistes. Er ist symbolischer oder ritueller Art. Er verdeutlicht die Zuneigung aller Gemeindeglieder untereinander und damit die Einheit der einzelnen Gemeinde und darüber hinaus aller Gemeinden als Kirche Christi. Der „heilige Kuss“ hebt nicht einzelne Personen hervor, denen Ehrerbietung entgegengebracht wird, sondern er betont vielmehr die Gleichheit aller Christen. Dass die Formulierung auf einem tatsächlich körperlich ausgetauschten Kuss beruht, ist anzunehmen, jedoch nicht sicher.

Sofern der Kuss tatsächlich körperlich ausgetauscht wird und nicht nur im übertragenen Sinn gemeint ist, stellt sich die Frage, in welchem Rahmen der Austausch erfolgt. Gibt man einander den „heiligen Kuss“ nur im Gottesdienst oder (auch) außerhalb? Nahe liegend wäre es, den „heiligen Kuss“ nach der Verlesung des Paulusbriefes auszutauschen. Dass dies tatsächlich so geschieht und der Erwartung des Paulus entspricht, ist jedoch nicht gesagt.


Paulus richtet auch Grüße von allen Gemeinden aus. Eine geographische Begrenzung nennt er nicht. Es ist also vermutlich nicht an Grüße von Gemeinden einer einzigen Provinz gedacht, sondern an Grüße von Gemeinden der ganzen Erde. Nicht geographische Zusammengehörigkeit ist hier wesentlich, sondern die Glaubenszugehörigkeit zu Christus. Da kaum alle Gemeinden zum Gruß aufgefordert haben dürften, handelt es sich vermutlich um einen stellvertretenden Gruß, mit dem Paulus die Einheit der gesamten Christenheit unterstreichen will.

Dass die Christen in der Hauptstadt des Römischen Reiches von allen Gemeinden gegrüßt werden, ist durchaus nachvollziehbar. Dass ihnen ein solcher Gruß an erster Stelle zukommt, ist ein weiteres Argument gegen die Annahme, dass die Grußliste 16,3-16 ursprünglich an die Gemeinde in Ephesus gerichtet gewesen sei.


Schließlich ist noch anzumerken, dass es keine Abschrift des Römerbriefes gibt, die allein 16,3-16 auslässt - auch dies ein Argument für die Zugehörigkeit von 16,3-16 zum Römerbrief.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


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Bieberstein, Sabine; „Töchter Gottes in Christus Jesus“ (Gal 3,26)? Überlegungen zum neutestamentlichen Befund, in: J. Kügler, L. Bormann [Hrsg.], Töchter (Gottes), Münster 2008, 83-100

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