Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Apostelgeschichte (9-12)

Die Anfänge der Heidenmission

Apg 10,44-48

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Apg 10,44-48

 

 

Übersetzung

 

Apg 10,44-48:44 Noch während (der) Petrus diese Worte redete, fiel der heilige Geist auf alle, die das Wort hörten. 45 Und die Gläubigen aus [der] Beschneidung, die mit Petrus gekommen waren, gerieten darüber außer sich, dass auch auf die Heiden die Gabe des heiligen Geistes ausgegossen war. 46 Sie hörten sie nämlich in Zungen reden und (den) Gott preisen. Da hielt Petrus ihnen entgegen: 47 "Kann etwa jemand das Wasser verweigern, dass diese nicht getauft würden, die den heiligen Geist empfangen haben wie auch wir?“ 48 Und er ordnete an, dass sie im Namen Jesu Christi getauft würden. Da baten sie ihn, einige Tage zu bleiben.

 

 

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V. 44

 

Beobachtungen: Der Begriff "logos“ meint in V. 44 wohl nicht das einzelne Wort, sondern eine Rede. Eine solche Rede, die Rede des Petrus, findet sich im vorhergehenden Abschnitt Apg 10,34-43. In dieser Rede war die Geistausschüttung nicht vorhergesagt worden. Diese erfolgte also unvorhergesehen und möglicherweise auch unvorhersehbar.

 

Eigentliche Adressaten der Rede waren Kornelius und die von ihm zusammengerufenen engsten Freunde und die Verwandten (vgl. 10,24). Außerdem waren vermutlich Angehörige des Hauses des Kornelius, der fromme, Kornelius treu ergebene Soldat und die judenchristlichen Begleiter des Petrus anwesend (vgl. 10,2.7.23b.45). Der Rede des Petrus bedurften eigentlich nur die Nicht-Christen unter den Anwesenden. Deshalb dürften die Nicht-Christen auf jeden Fall zu "allen, die das Wort hörten“ gehören. Die judenchristlichen Begleiter des Petrus bedurften der Rede, die im Licht der Heidenmission zu verstehen ist, nicht unbedingt. Deshalb gehörten sie vermutlich nicht zu "allen, die das Wort hörten“. Petrus selbst hörte zwar auch sich selbst reden, doch war er kein Zuhörer im eigentlichen Sinn. Somit dürfte der heilige Geist sicher auf alle anwesenden Nicht-Christen, gefallen sein, vermutlich nicht jedoch auf die judenchristlichen Begleiter des Petrus und erst recht nicht auf Petrus selbst.

 

Weiterführende Literatur: R. Pesch 1981, 105-122 geht von den Thesen F. Mußners in dessen Kommentar von 1974 aus, dass trotz der zahlreichen Unterschiede kein Grund zu der Annahme bestehe, Gal 2,1-10 und Apg 15 würden von zwei verschiedenen Ereignissen berichten, und dass vermutlich das "Aposteldekret“ erst einige Zeit nach dem "Apostelkonzil“ zustande gekommen und von Lukas in den Bericht über dasselbe hineingenommen worden sei. R. Pesch stellt nun die Frage, wie Lukas überhaupt dazu kommt, das "Aposteldekret“ in seinen Bericht über das "Apostelkonzil“ hineinzunehmen. Ergebnis: Lukas habe (aus Antiochenischer Tradition) neben dem Bericht über die dortige Gemeindegründung (Apg 11,19-26) einen Bericht über das Jerusalemer Abkommen (Apg 11,27-30; 12,25; 15,1-4.12b) und das Zustandekommen des Aposteldekrets (Apg 10,1-11,18; 15,5-12a.13-33) gekannt. Da ihm daran gelegen sei, die Heidenmission ganz in die Kontinuität der urchristlichen Gemeinde einzubetten und an Jerusalem zurückzubinden, lasse er sie im Werk des Petrus grundgelegt sein. Weil er die Eröffnung der beschneidungsfreien Heidenmission Petrus zuschreibe, dessen Initiative durch die Jerusalemer gebilligt werde, könne er die Berichte über das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konflikts zusammenziehen, wobei er freilich die mit dem Jerusalemer Abkommen zusammenfallende Kollekte der Antiochener ablöse und im (vielleicht ursprünglichen) Anschluss an die Erzählung von der Gründung der Gemeinde kurz erwähne; den knappen Bericht schachtele er um die Überlieferung von der Verfolgung durch Agrippa I.

 

J. H. Elliott 1991, 102-108 legt das, dass der Korneliuserzählung 10,1-11,18 eine Diskussion innerhalb der Jesusbewegung zugrunde liege, ob die Jesusbewegung an das Judentum gebunden bleiben soll und inwieweit jüdische Reinheitsgebote für das Verhalten aller Christen gelten sollen. Die Korneliuserzählung mache deutlich, dass auch Heiden in die Jesusbewegung aufgenommen werden sollten, für die die Reinheitsgebote nicht gelten. Lukas stelle dem Tempel samt seinen Satzungen und (Reinheits-)Geboten das Haus und die Gastfreundschaft gegenüber. In diesem häuslichen Rahmen würden die soziale Abgrenzung und die jüdischen Satzungen und Gebote überwunden und den Heiden das Evangelium, das Reich Gottes und die christliche Gemeinschaft eröffnet. Ähnlich D. J. Scholz 2002, 47-61, der eine Analyse erzählerischer Gesichtspunkte bietet.

 

C. A. Miller 2002, 302-317 geht der Frage nach, ob Petrus gemäß der Korneliuserzählung vor seinem Aufsuchen der Heiden erst von der Befolgung des Gesetzes (= Tora) Abstand nahm, oder ob Petrus einfach den Heiden das Evangelium brachte. In ersterem Fall ginge es in der Vision um die Aufhebung des Gesetzes, in letzerem Fall um die gleichberechtigte Aufnahme der Heiden in das Haus Gottes. Ergebnis: Trotz der Mehrdeutigkeit der Vision sei doch offensichtlich, dass sie nicht auf die Speise bzw. Speisegebote, sondern auf Menschen bezogen werden soll.

 

W. Cyran 1993/94, 15-36 bietet eine exegetische und theologische Untersuchung von Apg 10,44-48, wobei der Schwerpunkt auf dem Zusammenhang zwischen dem Wort und dem heiligen Geist liegt. Der heilige Geist sei der erste Zeuge der Evangelisation, die Apostel als Diener des Wortes seien aber zum Gehorsam gegenüber dem heiligen Geist verpflichtet.

 

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V. 45

 

Beobachtungen: "Gläubige aus der Beschneidung“ sind (Christus-)Gläubige, die beschnitten sind, also Judenchristen. Diese "Gläubigen aus der Beschneidung“ befolgten die Satzungen und Gebote der Tora und damit auch das Beschneidungsgebot. Sie hielten die Beschneidung für ein äußerliches Kennzeichen der Zugehörigkeit zum Volk Gottes, Israel.

Das Entsetzen über die Geistausgießung über Nichtjuden zeigt an, dass die "Gläubigen aus der Beschneidung“ meinten, der heilige Geist werde nur über die Angehörigen des Gottesvolkes, die Israeliten/Juden, ausgegossen.

 

Der heilige Geist erscheint nicht als Verdienst der Heiden oder anderer Anwesender, sondern als Gabe/Geschenk (dôrea), und zwar als Gabe/Geschenk des nachfolgend (vgl. V. 46) gepriesenen Gottes. Insofern liegt es in Gottes Vollmacht, den heiligen Geist auszugießen oder nicht.

 

Weiterführende Literatur:

 

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V. 46

 

Beobachtungen: Das Zungenreden und das Preisen Gottes waren Beweise für die Geistausgießung, die zum Entsetzen der judenchristlichen Begleiter des Petrus führten. Ohne diese Beweise hätten sie die Geistausgießung möglicherweise nicht bemerkt. Dabei ist unklar, wie die Zungenrede beschaffen war.

 

Die judenchristlichen Begleiter des Petrus erscheinen als Hörer der Zungenreden und Lobpreisungen, nicht jedoch als an den Zungenreden und Lobpreisungen Beteiligte. Das spricht dafür, sie nicht zu "allen, die das Wort hörten“ zu zählen.

 

Weiterführende Literatur: Laut P. Esler 1992, 136-142 sei die Ausgießung des Geistes, die sich in der Zungenrede geäußert habe, die endgültige und unwiderlegbare Legitimation der Aufnahme der Heidenchristen in die frühen judenchristlichen Gemeinden gewesen.

 

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V. 47

 

Beobachtungen: Der Geistempfang ging der Taufe voraus. Er war eine Erfahrung, die die noch nicht Getauften und die Getauften einte. Sie war Voraussetzung für die Taufe und Zugangsberechtigung zum Christentum zugleich. Aufgrund der Geistausgießung konnte den anwesenden Heiden die Taufe und damit der Eintritt in die Gemeinschaft der Christen nicht verweigert werden.

Das Wasser erscheint als ein bei der Taufe unerlässliches Element. Die Ausgießung des heiligen Geistes stellte noch keine Taufe dar.

 

Weiterführende Literatur: A. Barbi 1996, 277-295 untersucht, auf welchem Weg der Heide Kornelius in die Kirche aufgenommen und vollständig integriert wird. Dabei geht er auf die Person des Kornelius, auf die Überwindung der jüdischen Vorurteile bezüglich rein und unrein, die die Heidenmission ermöglicht, auf die Gleichstellung von Juden- und Heidenchristen sowie auf die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen ein. Der Weg der Aufnahme und Integration des Kornelius in die Kirche werde durch die Initiative Gottes und durch die Erfahrung des gesetzestreuen Juden Petrus, der gehorsam ist und die Vorbehalte überwindet, eröffnet.

 

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V. 48

 

Beobachtungen: Die Annahme des christlichen Glaubens seitens der gottesfürchtigen Heiden war kein intellektueller Akt, sondern folgte aus dem Handeln Gottes, der den heiligen Geist ausgegossen hat. Daher wird auch nicht die Annahme des Glaubens beschrieben, sondern es werden die Glaubensäußerungen genannt: Zungenrede und Lobpreis Gottes.

 

Geistempfang und Taufe der gottesfürchtigen Heiden erscheinen als Bestätigung der Lehre, die Petrus aus der Offenbarung der Tiere auf dem Leinentuch gezogen hat: "Gott sieht die Person nicht an. Vielmehr ist ihm in jedem Volk der willkommen, der ihn fürchtet und Gerechtigkeit übt.“ (vgl. V. 34-35). Entscheidend ist nicht, ob jemand Jude oder Heide ist, sondern ob er sich zum Gott Israels und Vater Jesu hingewandt hat. Ist diese Voraussetzung gegeben, so kann durch Gott der Glaube an Jesus Christus und somit die Taufe bewirkt werden.

 

Die Taufhandlung an sich kommt nicht in den Blick. Weil aber von keinem Widerstand gegen die Taufanordnung die Rede ist, ist anzunehmen, dass die Taufe tatsächlich vollzogen wurde.

 

Fraglich ist, ob Kornelius und die weiteren Angehörigen des Hauses des Kornelius Petrus noch vor der Taufe baten, einige Tage zu bleiben. Wahrscheinlicher ist, dass die Taufe am Tag der Taufanordnung vollzogen wurde und die bisherigen gottesfürchtigen Heiden noch vor dem Aussprechen der Einladung zu (Heiden-)Christen wurden. Bei Heidenchristen zu bleiben dürfte dem Judenchristen Petrus nach der Offenbarung der Tiere auf dem Leinentuch (vgl. 10,11-16) nicht mehr schwer gefallen sein, weil er nicht mehr - wie vor der Offenbarung - Angst haben musste, sich bei den Heiden zu verunreinigen. Petrus hatte gelernt, dass er keinen Menschen gemein oder unrein nennen sollte (vgl. 10,28). Insbesondere gegenüber einem Aufenthalt bei Heidenchristen dürfte er keine Hemmungen mehr verspürt haben. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Kornelius und seiner Hausgemeinschaft um Gottesfürchtige handelte, ist anzunehmen, dass diesen die jüdischen Speisegebote bekannt waren. Ob sie diese auch befolgten, ist zwar fraglich, doch ist durchaus wahrscheinlich, dass sie bezüglich der Speisen auf ihren judenchristlichen Gast Rücksicht nahmen. Dies ist insofern von Belang, als aus Petrus' Deutung der Offenbarung der Tiere auf dem Leinentuch nicht zu entnehmen ist, dass die Offenbarung die grundsätzliche Aufhebung der Speisegebote aussagte (vgl. 10,28.34-35). Allerdings machte die Offenbarung deutlich, dass den Speisegeboten keine zu große Bedeutung beizumessen ist und sie in bestimmten Situationen missachtet werden dürfen (vgl. 10,13-15). Weil die Gottesfürchtigen nicht als unrein anzusehen ist, sind auf jeden Fall die von ihnen aufgetischten Speisen nicht verunreinigt.

 

Weiterführende Literatur: B. R. Gaventa 1986, 107-129 befasst sich mit 10,1-11,18. Sie bespricht die einzelnen Szenen und legt dar, auf welche Weise die Wiederholungen den dramatischen Effekt steigern. Sie zeigt, dass nicht nur Kornelius, sondern auch Petrus bekehrt werde. Petrus erkenne, dass er nicht das Recht hat zu bestimmen, was Gott rein gemacht hat und was nicht. Die Aufhebung von Speisegeboten und die Aufnahme von Heiden in die Kirche seien untrennbar miteinander verbunden. Die Aufnahme der Heiden geschehe nicht nur formal durch die Taufe, sondern auch durch die Gewährung von Gastfreundschaft in den Häusern.

 

A. E. Arterbury 2002, 53-72 zeigt anhand von griechischen Novellen, dass Apg 10,1-11,18 auf dem Hintergrund der besonderen Bedeutung der Gastfreundschaft in der Antike zu verstehen sei. In 10,23 empfange Petrus mit den drei von Kornelius gesandten Männern Kornelius selbst. Später würden die Gäste zum Gastgeber und der Gastgeber zum Gast (vgl. Apg 10,48), womit die Gastfreundschaft auf Gegenseitigkeit beruhe.

 

Laut A. Ruck-Schröder 1999, 176 werde über die Glaubenden der heilige Geist ausgegossen, und als Geistbegabte empfingen sie die Taufe auf den Namen Jesu. Es sei anzunehmen, dass die Glaubenden auf ihre Geistbegabung und neue Erkenntnis Jesu als Gottgesandten antworten, indem sie Jesu Namen nennen und seine Bedeutung in dem die Taufe begleitenden Singen und Loben zum Ausdruck bringen.

 

 

Literaturübersicht

 

Arterbury, Andrew E.; The Ancient Custom of Hospitality, the Greek Novels and Acts 10:1- 11:18, PRSt 29/1 (2002), 53-72

Barbi, Augusto; Cornelio (At 10,1-11,18): percorsi per una piene integrazione dei pagani nella chiesa, RicStBib 8/1-2 (1996), 277-295

Cyran, W.; Rola Ducha Świętego w dziele ewangelizacji, CzSt 21-22 (1993-1994), 15-36

Elliott, John H.; Household Meals vs. Temple Purity: Replication Patterns in Luke-Acts, BTB 21/3 (1991), 102-108

Esler, Philip F.; Glossolalia and the Admission of Gentiles into the Early Christian Community, BTB 22/3 (1992), 136-142

Gaventa, Beverly Roberts; From Darkness to Light: Aspects of Conversion in the New Testament (Overtures to Biblical Theology 20), Philadelphia, Pennsylvania 1986

Miller, Chris A.; Did Peter’s Vision in Acts 10 Pertain to Men or the Menu?, BS 159/3 (2002), 302-317

Pesch, Rudolf; Das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konflikts. Ein Versuch über Gal 2, Apg 10,1-11,18, Apg 11,27-30; 12,25 und Apg 15,1-41, in: P.-G. Müller [Hrsg.], Kontinuität und Einheit, FS F. Mußner, Freiburg i. Br. 1981, 105-122

Ruck-Schröder, Adelheid; Der Name Gottes und der Name Jesu: eine neutestamentliche Studie (WMANT 80), Neukirchen-Vluyn 1999

Scholz, Daniel J.; "Rise, Peter, kill and eat.“ Eating Unclean Food and Dining with Unclean People in Acts 10:1-11:18, Proceedings EGL&MWBS 22 (2002), 47-61

 

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