Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Epheserbrief

Der Brief des Paulus an die Epheser

Eph 6,5-9

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Eph 6,5-9



Übersetzung


Eph 6,5-9 : 5 Ihr Sklaven, gehorcht den Herren nach dem Fleisch mit Furcht und Zittern, mit (eurem) aufrichtigem Herzen, wie dem Christus, 6 nicht mit äußerlichem Dienst, um Menschen zu gefallen, sondern als Sklaven Christi, indem ihr den Willen (des) Gottes von Herzen tut, 7 indem ihr bereitwillig dient, als [würdet ihr] dem Herrn [dienen] und nicht Menschen, 8 im Wissen darum, dass jeder, wenn er etwas Gutes tut, es vom Herrn zurückerhalten wird, sei er Sklave oder Freier. 9 Und ihr Herren, tut das Gleiche ihnen gegenüber und lasst das Drohen, denn ihr wisst, dass sowohl ihr als auch euer (der) Herr in [den] Himmeln ist und dass es bei ihm kein Ansehen der Person gibt.



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V. 5


Beobachtungen: Der Abschnitt 6,5-9 schließt die christliche "Haustafel" (5,21/22-6,9) ab. Bei der „Haustafel“ handelt es sich um Anweisungen bezüglich des Verhaltens der Angehörigen einer Hausgemeinschaft, die in der Antike sowohl eine Wohn- als auch eine Wirtschaftsgemeinschaft darstellt.

Es werden - im Gegensatz zum sonstigen Eph - einzelne soziale Gruppen angeredet. Nach der einleitenden allgemeinen Forderung der Unterordnung (5,21) wendet sich der Verfasser des Eph an die Ehefrauen (5,22-24), dann an die Ehemänner (5,25-33), dann an die Kinder (6,1-3), dann an die Eltern (6,4), dann an die Sklaven (6,5-8) und schließlich auch noch an die Sklavenbesitzer (6,9).


Die christlichen "Haustafeln" (Kol 3,18-4,1; Eph 5,21/22-6,9; 1 Tim 2,8-15; 6,1-10; Tit 2,1-10; 1 Petr 2,18-3,7) kennzeichnet eine ganz bestimmte Struktur: Zunächst wird eine bestimmte soziale Gruppe angeredet, dann wird diese ermahnt und schließlich wird die Ermahnung begründet.


Der Verfasser des Eph redet die Sklaven direkt an. Geht man davon aus, dass Briefe an Gemeinden im Gottesdienst vorgelesen wurden, so ist anzunehmen, dass die Sklaven an Gottesdiensten teilnahmen. Dort hätten sie dann ohne den Umweg über ihre Besitzer die Weisungen gehört.


Bei dem Substantiv „douloi“ ("Sklaven") handelt es sich zwar um eine maskuline Form, jedoch sind vermutlich nicht nur Sklaven, sondern auch Sklavinnen eingeschlossen. Dass diese unkenntlich bleiben, liegt an der männerzentrierten Sprache, die gemischtgeschlechtliche Gruppen als reine Männergruppen erscheinen lässt.

Der Verfasser des Eph schreibt nicht, dass sich die Sklaven den irdischen Herren unterordnen sollen, sondern dass sie ihnen gehorchen sollen. Er setzt also als selbstverständlich voraus, dass die Sklaven den irdischen Herren untergeordnet sind. Das ist in einer Welt, in der die Sklaven als Sachen und als Besitz ihrer irdischen Herren gelten, nicht verwunderlich. Die selbstverständliche Unterordnung ist denen der Kinder unter ihre Eltern ähnlich. Auch bei den Kindern wird die Unterordnung unter ihre Eltern als selbstverständlich vorausgesetzt (vgl. 6,1). Somit fordert der Verfasser des Eph von den Sklaven - wie von den Kindern - Gehorsam, und zwar gegenüber ihren Besitzern.


Die Sklavenbesitzer werden zwar als "Herren" bezeichnet, aber es wird sogleich hinzugefügt, dass sie es nur "dem Fleische nach" sind. Als Besitzer der Sklaven stehen sie zwar über diesen und können über diese befehlen, jedoch sind sie nur irdische, aus Fleisch und Blut bestehende Herren. Wahrer, nicht irdischer und nicht aus Fleisch und Blut bestehender Herr ist Gott bzw. Jesus Christus (der auferstandene, gen Himmel gefahrene und zur Rechten Gottes thronende).


Die Formulierung "mit Furcht und Zittern" lässt zunächst an Angst denken, womit die Sklaven ihren Besitzern voller Angst gehorchen sollen. Eine solche Deutung würde jedoch ein auf Angst gegründetes Verhältnis den Sklavenbesitzern gegenüber voraussetzen und die Sklavenbesitzer als Menschen darstellen, die mit den Sklaven, ihrem Besitz, nach Gutdünken umspringen können. Dies ist aber überhaupt nicht im Sinne des Verfassers des Eph, der in V. 9 deutlich macht, dass die Sklavenbesitzer mit den Sklaven ordentlich umgehen sollen. Insofern ist die Formulierung "mit Furcht und Zittern" sicherlich nicht im Sinne der Angst zu deuten, sondern eher im Sinne der Hochachtung, des Respektes. Und die Hochachtung bzw. der Respekt dürfte sich in einem respektvollen Verhalten den Sklavenbesitzern gegenüber und in einer verantwortungsbewussten Durchführung der anvertrauten Arbeiten niederschlagen.


Zur Formulierung "en haplotêti tês kardias hymôn" ("mit [eurem] aufrichtigen Herzen"; wörtlich: "in [der] Aufrichtigkeit eures Herzens"): "Haplotês" ist als "Aufrichtigkeit/Lauterkeit" zu deuten. Es geht also um einen Gehorsam, der aufrichtig erfolgt. Das Herz steht für das Innere, das dem Äußerlichen entgegengesetzt ist. Der Genitiv "des Herzens" ("kardias") gibt an, dass sich die Aufrichtigkeit auf das Herz, auf das Innere des Gehorsamen, bezieht.


Das adverbiale "hôs" ("wie/als") dürfte im Sinne eines Vergleiches zu verstehen und mit "wie" zu übersetzen sein. Gemeint ist also wohl, dass die Sklaven den irdischen Herren gehorchen sollen, wie sie Christus gehorchen (oder: als gälte der Gehorsam Christus). Der Verfasser zieht also einen Vergleich zwischen dem Gehorsam den irdischen Herren gegenüber und dem Gehorsam Christus gegenüber.

Wenn in V. 5 der Gehorsam den irdischen Herren gegenüber mit dem Christi gegenüber gleichgestellt wird, stellt sich die Frage, was die Sklaven tun sollen, wenn ihre irdischen Herren etwas verlangen, was Christus und dem Willen Gottes zuwider läuft. V. 5 lässt diese Frage offen, die Antwort lässt sich erst aus den folgenden Versen erschließen.


„Christus“ ist nicht ein Name im Sinne eines Vor- oder Nachnamens, sondern ein Heilstitel. „Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist gemäß Paulus insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.


Weiterführende Literatur: D. K. Darko 2008 legt dar, dass oftmals 4,17-5,21 als Aufforderung an die Adressaten, sich von der nichtchristlichen Umwelt abzugrenzen, verstanden werde. Die „Haustafel“ 5,22-6,9 werde dagegen im Sinne einer Aufforderung zur Anpassung an die nichtchristliche Umwelt verstanden. Tatsächlich sei es so, dass 4,17-5,21 die Christen als klar von der nichtchristlichen Umwelt unterschiedene soziale Gruppe definiere.. 5,22-6,9 allerdings sei nicht im Sinne der Anpassung zu verstehen. Die „Haustafel“ enthalte allgemein anerkannte Traditionen und moralische Ideale. Es gehe in ihr weder um Abgrenzung noch um Anpassung. Es gehe um Stärkung der inneren Geschlossenheit der Christen als „Haushalt Gottes“, indem sie sich an allgemein anerkannte Traditionen und moralische Ideale halten.


Zu den ntl. Haustafeln Kol 3,18-4,1 und Eph 5,22-6,9 siehe G. Strecker 1989, 349-375, der sich der Definition und dem Textbefund, der Forschungsgeschichte, der Geschichte der Tradition, den Frauen und Männern, den Kindern und Vätern und abschließend auch den Sklaven und Herren widmet.

E. Best 1994, 146-160 geht der Stellung der Haustafel in der Argumentation des Eph als Ganzem und der Relevanz der an die christlichen Haushalte der Antike gerichteten Lehre der Haustafel nach. Außerdem fragt er nach einer möglichen Existenz der Haustafel vor dem Eph. Die Haustafel des Eph gebe rein christlichen Haushalten verlässlichen und vertrauenswürdigen Rat. Beziehungen zu nichtchristlichen Familienmitgliedern oder zum nichtchristlichen Staat kämen – anders als in der Haustafel 1 Pet 2,13-3,7 (speziell 2,13-17 zum Verhältnis zum Staat) - nicht in den Blick. Die Haustafel des Eph und Kol habe vermutlich einen nichtchristlichen Ursprung, und zwar entweder im Judentum oder im Heidentum, bei anschließender Übermittlung durch das Judentum an das Christentum. In den Eph habe sie unabhängig vom Kol Aufnahme gefunden.

Zur Gattung Haustafel im Kol und Eph, zu ihrer Position innerhalb der Paränese-Abschnitte und zu ihrem Hintergrund in der spätantiken Gesellschaft siehe D. Hellholm 2009, 103-128. Die Haustafeln des Kol und Eph könnten sowohl deskriptive als auch präskriptive Funktion haben. Einerseits seien sie idealisierte Konstrukte, die es gegen vorhandene Missverhältnisse in der Familienstruktur zu verwirklichen gelte, andererseits spiegelten sie aber zuweilen zweifellos auch eine existierende Vorbildlichkeit im Haushalt. Deswegen seien die Haustafeln in erster Linie präskriptive Sprechakte. Sie zeugten aber zumindest indirekt von familiären Verhältnissen unterschiedlicher sozialer und ethischer Art und hätten somit gewissermaßen auch deskriptiven Charakter.

Gemäß J. Woyke 2000 frage die ntl. Haustafelethik nach den Konsequenzen des Herrseins Jesu Christi für das Beziehungsgefüge der antiken Hausgemeinschaft. Gibt es eine dem christlichen Glauben angemessene Rollenverteilung oder sollen gesellschaftliche Unterordnungsstrukturen, durchdrungen vom Evangelium, von innen her aufgelöst werden? Diese an der zeitüberdauernden Bedeutung der Haustafeln orientierte Leitfrage präge die Haustafelforschung des 20. Jh.s bis in die exegetischen Detailfragen hinein. Die Studie von J. Woyke versucht, die zum Teil unübersichtliche Forschungsgeschichte anhand der einzelnen exegetischen Kontroversen systematisch darzustellen und kritisch zu diskutieren, um schließlich zu einem begründeten Urteil über die bleibende theologische Bedeutung der ntl. Haustafelethik zu kommen.

Mit den Haustafeln befasst sich D. L. Balch 1988, 25-50, und zwar unter folgenden Gesichtspunkten: der Ursprung der Form, seine soziale Funktion und die Charakteristika der einzelnen Ermahnungen; Arius Didymus zur "Hausverwaltung" und zur "Politik"; Anmerkungen zum Text des Arius Didymus; Haustafeln im NT und in der frühchristlichen Literatur.


L. T. Stuckenbrock 357-366 legt dar, dass in der Forschung weitgehend Konsens herrsche, dass die Anordnungen der „Haustafeln“ auf dem Hintergrund der griechisch-römischen Umwelt zu verstehen seien. Es werde auf eine Tradition verwiesen, die ihren Ursprung in den klassischen griechischen Philosophen wie Plato und Aristoteles habe, die bereits das Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau, Vater und Kind sowie Herr und Sklave diskutiert hätten. Ihnen sei es um die Stabilität des Idealstaates mit dem Haushalt als kleinerer sozialer Einheit gegangen, die sie durch Autorität und Unterordnung gewährleistet gesehen hätten. Diese Tradition sei auch in späterer römischer Zeit diskutiert und interpretiert worden. Auch griechisch-jüdische Schriftsteller wie Philo von Alexandrien und Josephus hätten sie im Hinblick auf ihre Erläuterungen zur mosaischen Tora aufgegriffen. Wenig beachtet werde jedoch eine nichtqumranische Schrift unter den Schriftrollen vom Toten Meer mit Namen Musar le Mevin. Schon J.-S. Rey 2009, 231-255 habe darauf hingewiesen, dass diese Schrift eine neue Gesprächspartnerin im Hinblick auf die Deutung der „Haustafeln“ sein könne. Gemäß J.-S. Rey handele Musar le Mevin in viererlei Weise vom Verhältnis zwischen Ehemann und Ehefrau, wie es im Eph anklinge: a) Betonung der ehelichen Einheit durch wiederholte Anspielungen auf Gen 2,24; b) Betonung der Frau als Fleisch des Mannes; c) die Definition der Beziehung des Ehemannes zu seiner Ehefrau als Herrschaft; d) die Weisungen an den Ehemann gründeten in dem „Geheimnis des Seins“. Die Unterschiede zwischen Eph 5,21-6,4 und Kol 3,18-21 hätten Parallelen in der Schrift Musar le Mevin. L. T. Stuckenbrock zieht den Schluss, dass der Verfasser des Eph bei seinem Rückgriff auf die jüdische Tradition nicht auf die innerbiblische Tradition begrenzt sei, sondern auch die Deutungstradition berücksichtige, die in hebräischer Sprache kursierte. Für den Eph sei ein komplexer kultureller, sozial-religiöser und politischer Hintergrund anzunehmen.


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V. 6


Beobachtungen: Das Substantiv "ophthalmodoulia", das nur in Kol 3,22 und Eph 6,6 belegt ist, bedeutet wörtlich "Augendienerei". Diese kann einen Dienst meinen, der ausschließlich darauf bedacht ist, was die Augen der anderen Menschen sehen, oder einen Dienst, der ausschließlich dann erfolgt, wenn der "Herr nach dem Fleisch" hinsieht, oder einen Dienst, der nur geleistet wird, um Aufmerksamkeit zu erheischen.


Bei den "anthrôpareskoi" handelt es sich wörtlich übersetzt um "Menschengefällige", also um Menschen, die Menschen gefallen wollen. Bei den Menschen kann es sich um die "Herren nach dem Fleisch" handeln oder auch um andere Menschen.

"Hôs" kann ein Adverb des Vergleiches sein und "wie" bedeuten. Die Bedeutung wäre dann "wie Menschengefällige". "Hôs" kann aber auch eine Konjunktion sein, die angibt, was das Ziel des Handelns ist. Die Bedeutung wäre dann "um Menschen zu gefallen".


V. 6 führt bei der Beantwortung der Frage, was die Sklaven tun sollen, wenn ihre irdischen Herren etwas verlangen, was Christus und dem Willen Gottes zuwider läuft, weiter. Die angeredeten Sklaven sind Christen und somit ist Christus ihr "Herr". Sie sind Sklaven Christi, deren Aufgabe es ist, Christus zu dienen und den Willen Gottes zu tun. Folglich dürfen sie nichts tun, was Christus und dem Willen Gottes zuwider läuft. Aber wenn das so ist, dann müsste der Wille der Sklavenbesitzer immer dem Willen Gottes entsprechen, damit es nicht zu einem Loyalitätskonflikt der Sklaven ihnen oder Christus oder Gott gegenüber kommt. Ein solcher Loyalitätskonflikt kommt in Eph 6,5-9 aber überhaupt nicht in den Blick. Ist der Verfasser des Eph so naiv anzunehmen, dass die Sklavenbesitzer stets nur das Beste wollen und ihr Wille somit immer Christus bzw. dem Willen Christi entspricht? Eine Antwort darauf gibt V. 9.


Das Substantiv "psychê" hat verschiedene Bedeutungen: Insbesondere in der antiken griechischen Philosophie bezeichnet es die "Seele", die als vom Körper unterschieden gedacht ist. Daneben sind ihm aber auch noch weitere Bedeutungen eigen: So kann es auch die Lebenskraft bezeichnen oder das Gemüt oder Herz. Und schließlich kann es auch "Trieb" oder "Verlangen" bedeuten. In 6,6 ist wohl die innere Lebenskraft des Menschen gemeint, aus der das Denken und Handeln hervorgeht. Folglich passt wohl die Übersetzung "von Herzen", "mit [Leib und] Seele" oder "von [ganzer] Seele" am besten.


Weiterführende Literatur: Gemäß J. Diognon 1984, 201-211 werde die Wendung „ek psychês“ („von Herzen“) von allen Manuskripten der Vetus Latina und der Vulgata mit „ex animô“ übersetzt. Diese Übersetzung habe bei den Kommentatoren der alten lateinischen Kirche zu zwei Arten der Auslegung geführt: Die eine (von Ambrosius und Hieronymus) sei das Produkt einer spirituellen und moralischen Exegese, die zu einem Überschreiten der realen Wirklichkeit führe. Die andere (von Augustinus) neige mittels einer philosophischen Analyse dazu, die Institution der Sklaverei zu relativieren. Augustinus umgehe aber – anders als seine lateinischen Vorgänger - die Institution der Sklaverei nicht einfach geschickt und er rechtfertige auch nicht nachträglich den Zustand zu seiner Zeit, sondern er nehme die Wendung „ex animô“ zum Anlass, die Institution aus der Perspektive der eschatologischen Neuerung zu betrachten.


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V. 7


Beobachtungen: Der Begriff "eunoia" taucht im gesamten NT nur hier auf. Als Bedeutungen kommen in diesem Vers "Zuneigung", "Wohlwollen" und "Ergebenheit" infrage. Er beinhaltet also sowohl den Aspekt der Unterordnung als auch den Aspekt der Zuneigung. Er macht deutlich, dass der Verfasser des Eph nicht an einen erzwungenen und widerwillig durchgeführten Dienst für die Sklavenbesitzer oder für Christus oder für Gott denkt, sondern an einen, der gerne geschieht. Die Formulierung "met' eunoias" kann also am besten mit "gerne", "bereitwillig" oder mit "mit Hingabe" übersetzt werden. Eine Übersetzung, die die Zuneigung besonders betont, ist "mit Lust und Liebe".


Der Titel „Herr“ gibt ein Herrschaftsverhältnis an: Der „Herr“ herrscht über seine Diener/Sklaven, die ihm bedingungslos zu dienen haben. Im Römischen Reich galt der Sklave als Sache. Der „Herr“ konnte also am Sklaven Willkür walten lassen. Allerdings erscheint Jesus Christus (oder: Gott; gemäß 1,2 dürfte in 6,7 (ebenso in den beiden folgenden Versen) mit dem "Herrn" jedoch Jesus Christus gemeint sein) nicht als ein willkürlicher „Herr“, sondern vielmehr als einer, der seinen Sklaven für ihren Dienst Heil zukommen lässt. Der Sklave/Diener Jesu Christi (oder: Gottes) gehört also zu den sozial privilegierten Sklaven/Dienern. Der Aspekt der Gegenseitigkeit, wie er für das römische Klientelverhältnis typisch ist, spielt eine entscheidende Rolle: Der „Herr“ übt über seine Untergebenen (= Klienten) Macht aus, ist zugleich aber deren Schutzherr. Die Untergebenen wiederum sind dem „Herrn“ dafür zum Dienst verpflichtet. Die Christen befinden sich demnach also in der machtvollen Heilssphäre Jesu Christi, dem sie untergeben sind und dienen.

Diese privilegierte Stellung der Christen erklärt auch, warum der Dienst für Christus in 6,7 mit einer besonderen Bereitwilligkeit verbunden wird - mit einer Bereitwilligkeit, die über die Bereitwilligkeit des Dienstes für Menschen hinausgeht. Insofern ist ein Dienst für den Menschen, der so erfolgt, als würde er für Christus erfolgen, bereitwilliger als ein Dienst für Menschen.


Weiterführende Literatur:


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V. 8


Beobachtungen: "Gutes" ist nicht nur auf eine gute Handlung im Rahmen des Sklavendienstes für irdische Herren bezogen, denn es kann sowohl von Sklaven als auch von Freien getan werden. Es ist vielmehr auf eine gute Handlung im Rahmen des Sklavendienstes für den "Herrn", Christus, bezogen, denn sowohl der Sklave als auch der Freie sind als Christen gedacht und somit als Sklaven Christi. Im Sinne des Tun-Ergehen-Zusammenhangs vergilt der "Herr" Gutes mit Gutem. Da spielt es keine Rolle, ob der Sklave Christi auf Erden den Status des Sklaven oder des Freien innehat.

Dieser Aspekt ist der erste von zwei Aspekten, die erklären, warum der Verfasser des Eph kein sozialrevolutionäres Programm auflegt: Nicht der irdische Status ist entscheidend, sondern der geistliche. Und wer seinen Sklavendienst für Christus bereitwillig, mit Hingabe durchführt und Gutes tut, der erhält von Christus, dem "Herrn", letztendlich Gutes zurück. Der zweite Aspekt geht aus V. 9 hervor: Auch der christliche Sklavenbesitzer hat einen "Herrn", dem er zu dienen hat, nämlich Christus. An ihm hat sich sein Verhalten dem Sklaven gegenüber auszurichten, weshalb er nicht als ein Tyrann gedacht ist, sondern als wohlwollender irdischer "Herr" und zugleich Glaubensgenosse des Sklaven.


Weiterführende Literatur:


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V. 9


Beobachtungen: Auch die "Herren", die Sklavenhalter, werden direkt angeredet und Mahnungen an sie gerichtet. Auch sie haben als Christen also nicht nur Rechte über die Sklaven, sondern auch Pflichten. Das ist aus antiker Sicht durchaus ungewöhnlich, galten die Sklaven doch als Sache und Besitz der Sklavenhalter.


Der Eph ist in irdischer Hinsicht nicht revolutionär: Die irdische soziale Schichtung wird nicht infrage gestellt, sondern vielmehr bestätigt. Die Abschaffung der Sklaverei ist also in keinster Weise Ziel des Verfassers des Eph. Dennoch gibt es zwei Aspekte, die ungewöhnlich sind und revolutionären Charakter haben: Erstens, dass sowohl an die Sklaven als auch an die Sklavenhalter Mahnungen bezüglich des rechten Verhaltens gerichtet werden und zu den Sklavenhaltern gesagt wird, sie sollten "das Gleiche" den Sklaven gegenüber tun wie die Sklaven ihnen gegenüber. Zweitens, dass es bei Christus kein Ansehen der Person gibt. Diese Gleichstellung von armen, rechtlosen Sklaven mit wohlhabenden, auf Erden angesehenen Sklavenbesitzern musste letzteren geradezu schockierend vorkommen.


Die "Herren" werden in der Anrede nicht als "Herren nach dem Fleisch" bezeichnet. In der Anrede gibt es also keine Einschränkung ihres Status' als "Herren". Die Anrede ist also uneingeschränkt würdevoll. Aber aus den vorhergehenden Versen ist ausreichend deutlich geworden, dass sie "Herren nach dem Fleisch" sind und der Verfasser des Eph macht noch in V. 9 deutlich, dass der eigentliche "Herr" - von Sklaven und Sklavenbesitzern gleichermaßen - der "Herr in den Himmeln", Christus, ist.


Christus wird "in den Himmeln" lokalisiert. Der Plural „Himmeln“ lässt auf den Himmel als einen Ort schließen, der aus verschiedenen Sphären besteht. Allerdings ist der Plural nicht überzubewerten, weil Paulus den Plural "Himmel" im Wechsel mit dem Singular „Himmel“ benutzt (in besonders enger Abfolge in 2 Kor 5,1-2). Eine dogmatisch ausgefeilte Himmelsvorstellung scheint Paulus nicht zu haben. Auch für den Fall, dass der Epheserbrief nicht von Paulus selbst, sondern von einem (oder mehreren) seiner Schüler verfasst worden ist, dürfte diese Beobachtung maßgeblich sein.


Was ist mit "das Gleiche" gemeint? Streng genommen müsste ja gemeint sein, dass die Sklavenbesitzer das Gleiche wie die Sklaven tun sollen, also den "Herren nach dem Fleisch" wie dem Christus dienen. Diese nahe liegende Deutung kann aber nicht richtig sein, denn die Sklavenbesitzer haben keine weiteren Sklavenbesitzer über sich, denen sie zu dienen haben. Auch dienen sie sich sicherlich nicht gegenseitig im Sinne einer Genossenschaft, in der ein Sklavenbesitzer dem anderen bei bestimmten Tätigkeiten beisteht. Es geht ja schließlich auch nicht um das Verhältnis der Sklavenbesitzer untereinander, sondern um das Verhältnis zwischen Sklave und Sklavenbesitzer. Sollen die Sklavenbesitzer etwa den Sklaven dienen, wie es die Sklaven den Sklavenbesitzern gegenüber tun sollen? Auch dieser Gedanke, dass Sklavenbesitzer Sklaven dienen, ist ausgeschlossen, denn völlig unrealistisch. Also, welches mögen die Vergleichspunkte bezüglich des angemahnten Verhaltens der Sklaven sein, bezüglich derer die Sklavenbesitzer "das Gleiche" tun sollen? Der erste Vergleichspunkt ist, dass Sklaven und Sklavenbesitzer gleichermaßen Christus dienen sollen, denn Christus ist von beiden gleichermaßen der "Herr". Sklaven und Sklavenbesitzer sind somit gleichermaßen Sklaven Christi. Der zweite Vergleichspunkt ist, dass die Sklavenbesitzer wie die Sklaven den Willen Gottes von Herzen tun sollen. Der dritte Vergleichspunkt ist, dass die Sklavenbesitzern den Sklaven ebenso Respekt bezeugen sollen, wie es die Sklaven den Sklavenbesitzern gegenüber tun sollen. Dieser Respekt ist christlich motiviert, und zwar der Respekt von Sklaven Christi untereinander.


Die Aufforderung, das Drohen zu unterlassen, entspricht der Forderung nach gegenseitigem Respekt. Wenn die Sklaven das beherzigen, was der Verfasser des Eph anmahnt, dann gibt es für die Sklavenbesitzer auch keinen Grund mehr zu drohen. Das Drohen bezieht sich vermutlich auf das Androhen von Strafen bei Ungehorsam oder nachlässiger Erledigung von Arbeiten, nicht auf das Drohen mit dem Gericht Christi. Die Mahnungen beziehen sich darauf, von einem profanen Verständnis von Sklave und Sklavenbesitzer abzulassen und stattdessen das christliche anzunehmen. Das Drohen mit dem Gericht Christi passt weder zu einem profanen Verständnis noch zu einem wahrhaft christlichen Verständnis, weshalb es in V. 9 nicht im Blick sein dürfte.


Weiterführende Literatur: Mit der Übersetzung und Bedeutung von "alla" (5,24) und "plên" (5,33) befasst sich H. Maillet 1980, 566-574, der einführend einen Überblick über verschiedene Übersetzungen gibt. Beide Begriffe bedeuteten gewöhnlich "aber" ("mais"), was im Falle des "plên" auf "dennoch/trotzdem" ("néanmoins") hinauslaufe. Eher zu erwarten wäre jedoch eine Schlussfolgerung, also "deshalb" oder "folglich" ("donc"). H. Maillet macht deutlich, dass nicht von einer christlichen Ehe ausgegangen werde, als könne es daneben eine nichtchristliche Ehe geben. Vielmehr sei die Ehe eine menschliche Institution Diese gelte es auf christliche Weise zur Ehre Gottes zu leben. Es werde kein sozialrevolutionäres Programm entworfen, sondern für Ehemann und Ehefrau, für Vater, Mutter und Kind sowie für Sklave und Herr gelte gleichermaßen: In der sozialen Stellung, in der sie sich befinden, sollen sie ihr Leben christlich führen und den Nächsten bzw. die Nächste wie sich selbst lieben. So werde die Aussage, dass Christus die Kirche liebe, recht verstanden.


Zur Funktion der „Haustafel“ in der gesamten Argumentation des Eph siehe T. G. Gombis 2005, 317-330. Gewöhnlich werde angenommen, dass die „Haustafel“ eine apologetische Intention habe. Christen würden vor dem Verdacht in Schutz genommen, sie würden die zeitgenössischen sozialen Strukturen untergraben und auf diese Weise letztendlich die Stabilität des Römischen Reiches gefährden. Diese Deutung sei jedoch weniger überzeugend als man auf den ersten Blick annehmen könnte. So gebe keinen wirklichen Hinweis auf eine apologetische Intention der „Haustafel“. Der Eph interessiere sich eher für das Leben im Inneren der Gemeinden als für die Beziehungen nach außen. Angesichts der harschen Kritik des Paulus im betreffenden Abschnitt des Briefes sei kaum anzunehmen, dass er eine gemeinsame Basis der christlichen Gemeinden und der sie umgebenden Kultur sucht. Paulus sei weit davon entfernt, die Unterschiede zwischen dem „Alten Menschen“ (4,22) und dem „Neuen Menschen“ (2,15; 4,24) herunterzuspielen, betone vielmehr, dass die beiden Sphären nicht miteinander vereinbar seien. Richtig verstanden sei die „Haustafel“ als Manifest hinsichtlich eines radikal neuen Menschen zu verstehen. Es gebe konkrete Anordnungen bezüglich der Gestaltung der Beziehungen des Gottesvolkes in der neuen Schöpfung. Paulus sei nicht sozial konservativ, indem er einen Ort der Hierarchie bewahre. Ebenfalls versuche er nicht nur die christliche Gemeinschaft vor dem gesellschaftlichen Druck im Römischen Reich zu schützen. Vielmehr seien seine Anordnungen insofern radikal, als sie direkt mit den sozialen Strukturen der zeitgenössischen Gesellschaft auf Konfrontationskurs gingen. Zu 6,5-9: In der Antike sei die Lage der Sklaven durchaus verschieden gewesen. Oft seien sie jedoch als Eigentum ihrer Herren angesehen und dementsprechend behandelt worden. Paulus dagegen weise auf Christus als den eigentlichen Herrn hin. Befugnisse über einen anderen Menschen dürften nicht als Gelegenheit für Ausbeutung und Manipulation verstanden werden. Vielmehr seien sie mit Verantwortung auszuüben, und zwar im Sinne des Schutzes, der Fürsorge und der würdigen Behandlung von jemandem, der ebenfalls der Herrschaft Christi untersteht.


E. Mouton 2014, 163-185 legt dar, dass es sich bei dem Haushalt um den Kern der christlichen Gemeinden gehandelt habe. Sie untersucht die Dynamik ntl. Haushalte und deren Verhaltensregeln. Dabei nimmt sie insbesondere die „Haustafel“ Eph 5,21-6,9 in den Blick und untersucht deren ambivalentes Verhältnis zum Rest des Briefes. Die Dokumente aus der Gründungszeit des Christentums seien in einer patriarchalisch geprägten Zeit entstanden und würden auch oft in patriarchalisch geprägten Gesellschaften gelesen. Zudem spiegele sich in ihnen die hierarchische Gesinnung des Römischen Reiches wider. Da dränge sich die Frage auf, wie die „Haustafel“ – konkret auch in Afrika - in der heutigen Zeit gelesen werden kann. Ergebnis: Die „Haustafel“ nehme nicht einfach nur zeitgenössische patriarchalische und hierarchische Vorstellungen auf, sondern modifiziere diese mit Blick auf die umwälzende Kraft und hingebungsvolle Liebe Christi. Diese christologische Perspektive sei für das Verständnis der „Haustafel“ entscheidend. Von der neuen Identität „in Christus“ her würden auch Selbstverständnis und Gesinnung der Gemeinden in Kleinasien herausgefordert. E. Mouton greift die feministische und postkoloniale Kritik auf und vertritt die These, dass die „Haustafel“ eine ständige Aufforderung sei, sich ausbeuterischer Macht zu widersetzen.


Gemäß W. H. Harris III 1991, 85-86 bezeichnen die „Himmel“ in Eph 6,9 den Ort des erhöhten Christus und auch der Gläubigen „in ihm“.



Literaturübersicht


Balch, David L.; Household Codes, in: D. E. Aune [ed.], Greco-Roman Literature and the New Testament: Selected Forms and Genres (SBL.SBS 21), Atlanta, Georgia 1988, 25-50

Best, Ernest; The Haustafel in Ephesians (Eph. 5:22-6:9), IBS 16 (1994), 146-160

Darko, Daniel K.; No longer Living as the Gentiles: Differentiation and Shared Ethical Values in Ephesians 4.17-6.9 (LNTS 375), London 2008

Diognon, Jean; Servi ... facientes voluntatem Dei ex animo (Eph 6,6). Un éclatement de la notion de servitude chez Ambroise, Jérôme, Augustin?, RSPhTh 68/2 (1984), 201-211

Gombis, Timothy G.; A Radically New Humanity: The Function of the Haustafel in Ephesians, JETS 48/2 (2005), 317-330

Harris III, W. Hall; "The Heavenlies" Reconsidered: Uranos and Epuranos in Ephesians, BS 148/589 (1991), 72-89

Hellholm, Lars; Die Gattung Haustafel im Kolosser- und Epheserbrief. Ihre Position innerhalb der Paränese-Abschnitte und ihr Hintergrund in der spätantiken Gesellschaft, in: P. Müller [Hrsg.], Kolosser-Studien (BThSt 55), Neukirchen-Vluyn 2009, 103-128

Maillet, Henri, Alla...plen. Métaphore et pédagogie de la soumission dans les rapports conjugaux, familiaux, sociaux et autres selon Ephésiens 5,21-6,9, ETR 55/4 (1980), 566-574

Mouton, Elna; Reimagining Ancient Household Ethos? On the Implied Rhetorical Effect of Ephesians 5:21-33, Neotest. 48/1 (2014), 163-185

Rey, Jean-Sébastian; Family Relationships in 4QInstruction and in Eph 5:21-6:4, in: F. García Martínez [ed.], Echoes from the Caves: Qumran and the New Testament, Leiden 2009, 231- 255

Strecer, Georg; Die neutestamentlichen Haustafeln (Kol 3:18-4:1 und Eph 5:22-6:9), in: H. Merklein [Hrsg.], Neues Testament und Ethik, FS R. Schnackenburg, Freiburg i. Br. - Basel - Wien 1989, 349-375

Stuckenbrock, Loren T.; Traveling Ethics. The Case of the Household Codes in Ephesians 5:21-6:9 in Cross-Cultural Perspective, in: P. Wick, V. Rabens [eds.], Religions and Trade. Religious Formation, Transformation and Cross-Cultural Exchange between East and West (DHR 5), Leiden - Boston 2014, 357-366

Woyke, Johannes; Die neutestamentlichen Haustafeln: Ein kritischer und konstruktiver Forschungsüberblick (SBS 184), Stuttgart 2000

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