Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Titusbrief

Brief des Paulus an Titus

Tit

1,1-4

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Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

Tit 1,1-4



Übersetzung


Tit 1,1-4 : 1 Paulus, Sklave Gottes und Apostel Jesu Christi gemäß [dem] Glauben der Auserwählten Gottes und [der] Erkenntnis der Wahrheit, die zur Frömmigkeit führt, 2 in [der] Hoffnung auf [das] ewige Leben, welches (der) Gott, der nicht lügt, vor ewigen Zeiten verheißen hat - 3 zur rechten Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist gemäß [dem] Auftrag unseres Rettergottes - , 4 an Titus, [mein] echtes Kind hinsichtlich [des] gemeinsamen Glaubens: Gnade und Friede von Gott, [dem] Vater, und Christus Jesus, unserem Retter.



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V. 1


Beobachtungen: Der Briefeingang (Präskript) ist zweiteilig, was der orientalischen Form des Briefanfangs entspricht. Zunächst werden Absender und Adressat angegeben, dann folgt ein Segenswunsch. Die Nennung des Absenders im Nominativ vor dem Adressaten im Dativ entspricht

der hellenistischen Form. Somit handelt es sich bei dem Anfang dieses Briefes wie auch anderer, insbesondere auch gemeinhin für echt gehaltener paulinischer Briefe um eine Mischform.


Dass Paulus als Verfasser genannt wird, bedeutet aber nicht, dass der Brief auch tatsächlich von Paulus verfasst worden ist, denn es kann sich auch um einen falschen Namen (= Pseudonym) handeln. Möglich ist, dass die Nennung des Paulus als angeblicher Verfasser des Briefes der Legitimation und Einordnung der Inhalte des Briefes dient. Wenn jemand anderes als Paulus der Verfasser des Titusbriefes ist, stellen sich die Fragen: Woher nimmt der Verfasser die Autorität, einen solchen Brief zu schreiben? Und welchem Gedankengut fühlt sich der Verfasser verpflichtet? Der Verfasser kann durchaus ein Amt innegehabt haben oder auch ohne ein Amt eine angesehene Person gewesen sein und dennoch unter falschem Namen (= Pseudonym) geschrieben haben. In der Antike war es durchaus nicht ungewöhnlich, dass man sich unter Verwendung eines falschen Namens eine höhere Autorität verschaffte und zu erkennen gab, wessen Gedankengut das Geschriebene angehörte. Der Verfasser hätte seinem Schreiben also so große Bedeutung beigemessen, als sei es von Paulus selbst verfasst worden. Um sicherzustellen, dass seinem Schreiben seitens des Empfängers auch tatsächlich die gewünschte Bedeutung beigemessen wird, hätte er unter falschem Namen geschrieben. So wusste der Empfänger auch gleich, dass der Inhalt dem Gedankengut des Paulus entsprach. Wenn er den Verfasser kannte, dann dürfte ihm natürlich klar gewesen sein, dass es nicht der leibhaftige Paulus war, der ihm den Brief geschrieben hatte. Es kann sein, dass der leibhaftige Paulus bei der Abfassung des Titusbriefes bereits gestorben war und der Empfänger des Briefes das auch wusste. Sollte Paulus ein falscher Name sein, so ist dies also nicht im Sinne einer Fälschung zu deuten und sicherlich von dem Empfänger auch nicht so gedeutet worden.


„Paulus“ bezeichnet sich als „Knecht/Sklave Gottes“. Es fällt auf, dass es nicht „Knecht/Sklave Jesu Christi“ oder „Knecht/Sklave des Herrn“ heißt. Ein Sklave muss seinem Herrn dienen, ob er will oder nicht. Der Herr, dem „Paulus“ zu dienen hat, ist Gott. Dieser wird allerdings nicht als „Herr“ bezeichnet, womit die Betonung darauf liegt, dass „Paulus“ Knecht/Sklave ist, nicht darauf, dass Gott der Herr ist. Doch warum muss „Paulus“ überhaupt Gott dienen? Zunächst einmal ist an die Taufe zu denken, durch die sich „Paulus“ Gott untergeben hat. Allerdings unterstellt sich ein Mensch genaugenommen bei der Taufe Jesus Christus und wird so zum Christen. Gott ist zwar der Gott der Christen, aber das wird hier nicht betont, wie das Fehlen eines bestimmten Artikels vor „Gott“ (> „der Gott“) zeigt. Gott kann auch der Gott der Juden oder – unwahrscheinlicher – auch ein heidnischer Gott sein. Dass der Gott der Christen gemeint ist, geht aus dem gesamten Inhalt des Titusbriefes hervor. Neben der Taufe könnte der Sklavenstatus auch in der Bekehrung bzw. Berufung zum christlichen Glauben und zur christlichen Mission begründet liegen. Allerdings sieht sich „Paulus“ nicht als Apostel (= Gesandter) Gottes, sondern als Apostel Jesu Christi. Und – anders als in 1 Tim 1,1 bzw. 2 Tim 1,1, also im Präskript der anderen beiden Pastoralbriefe – unterstreicht er auch nicht, dass er Apostel Jesu Christi gemäß dem Auftrag Gottes bzw. durch Gottes Willen ist, obwohl das zu erwarten wäre. Halten wir fest: „Paulus“ spricht allgemein von Gott, ohne zu betonen, dass er der Gott der Christen ist. Es ist also von einem universalen Gott die Rede, der für „Paulus“ eine besondere Bedeutung haben muss. Die Bedeutung, die „Paulus“ Gott beimisst, geht aus den V. 2-4 hervor. Diese Verse sind für die Deutung von V. 1 deshalb von besonderem Interesse, weil sie ebenfalls dem Präskript angehören, in denen „Paulus“ grundsätzliche Aussagen zum Absender und zum Adressaten und zu denjenigen, denen die beiden dienen bzw. zu dienen haben, macht.


„Paulus“ hat den Brief nicht als reine Privatperson verfasst, sondern als „Knecht/Sklave Gottes“ und „Apostel Christi Jesu“. Ein „Apostel“ ist zunächst einmal ein Gesandter, wie sie von Gemeinden geschickt werden. Paulus ist nicht von einer Gemeinde gesandt, sondern von Jesus Christus. Als Beauftragung mag die in Apg 9,1-9 geschilderte, von einer Audiovision bewirkte Bekehrung des Paulus vom Christenverfolger zum Christen verstanden sein, denn seit dieser wirkte Paulus als Missionar. Erschienen ist in dieser Audiovision Jesus Christus, weshalb dieser wohl als Auftraggeber genannt wird. Ausdrücklich von einem „Auftrag“ („epitagê“) ist jedoch nur im Hinblick auf Gott die Rede (siehe V. 3). Gott wird wohl deswegen ausdrücklich als Auftraggeber genannt, weil das Geschehen auf Gottes Willen oder Heilsplan zurückgeht (vgl. 1 Kor 1,1; 2 Kor 1,1).

Die Formulierung „Apostel Jesu Christi“ macht wohl auch deutlich, was der Inhalt der Verkündigung war: Jesus Christus. Jesus ist dabei nicht einfach nur als Mensch verstanden, sondern als „Christus“. „Christus“ ist nicht ein Name im Sinne eines Vor- oder Nachnamens, sondern ein Heilstitel. „Christus“ bedeutet „Gesalbter“ (griechisch: „christos“). Im AT werden Könige, Priester, Propheten und auch kultische Gegenstände gesalbt. Durch die Salbung mit dem Salböl werden sie der rein profanen Welt enthoben und in den Dienst Gottes gestellt, womit sie in die Sphäre des Heils treten. Wenn Jesus als „Christus“ bezeichnet wird, dann wird er als Heilsbringer (Messias, hebr.: māschiaḥ) verstanden. Jesus Christus ist gemäß Paulus insbesondere deshalb Heilsbringer, weil er für die Menschen gestorben und von den Toten auferstanden ist. Er bewirkt Sündenvergebung und ewiges Leben.


Die Partikel „de“ kann (leicht) gegensätzlich im Sinne von „aber“ zu verstehen sein, aber auch verbindend im Sinne von „und“. In ersterem Fall wäre ausgesagt, dass „Paulus“ zwar Sklave Gottes ist, aber nicht Apostel Gottes, sondern Apostel Jesu Christi. In letzterem Fall wäre ausgesagt, dass „Paulus“ Sklave Gottes und Apostel Jesu Christi ist. Hier ist eher eine verbindende Bedeutung anzunehmen, denn die Unterscheidung von Gott und Jesus Christus ist sicherlich nicht überzubetonen. Allerdings mag durchaus durchschimmern, dass mal von Gott und mal von Jesus Christus die Rede ist.


Die Präposition „kata“ (plus Akkusativ) ist in Tit 1,1 doppeldeutig: Zum einen kann sie die Gemäßheit, also die Übereinstimmung mit etwas, zum anderen den Zweck, die Bestimmung angeben. Wählt man erstere Bedeutung, dann lautet die Übersetzung des Verses „… gemäß [dem] Glauben der Auserwählten Gottes und [der] Erkenntnis der Wahrheit ...“. Wählt man letztere Bedeutung, dann lautet die Übersetzung „… zum Glauben der Auserwählten Gottes und zur Erkenntnis der Wahrheit …“, im Sinne von „… bestimmt zum Dienst am Glauben der Auserwählten Gottes und an der Erkenntnis der Wahrheit …“. Eine Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten ist nicht unbedingt nötig, weil bewusste Doppeldeutigkeit vorliegen kann: Es kann gleichermaßen ausgedrückt sein, dass der Dienst des „Paulus“ im Einklang mit dem christlichen Glauben und der Erkenntnis der Wahrheit erfolgt, und dass er zum Zwecke der Verbreitung und Stärkung des christlichen Glaubens und der Erkenntnis der Wahrheit erfolgt.


Da nicht ausdrücklich gesagt wird, dass vom Gott der Christen die Rede ist, könnten die „Auserwählten Gottes“ auch die Juden sein. Der Gott der Juden ist ja nicht vom Gott der Christen unterschieden. Gemäß dem AT sind die Juden das auserwählte Volk Gottes, und zwar des Gottes Israels. Auch die Christen verehren den Gott Israels, mit der Besonderheit, dass sie Jesus als den Christus, also als den Messias, anerkennen. Das tun die Juden nicht. Und weil sich das Christentum nicht nur unter den Juden, sondern auch unter den Heiden verbreitete, hat der Gott Israels einen universaleren Charakter bekommen. Er wird nun meistens schlicht als „der Gott“ oder als „Gott“ bezeichnet, also ohne ausdrücklichen Bezug auf Land und Volk Israel. Und die von Gott Erwählten sind auch nicht mehr die Juden, sondern die Christen. Diese christliche Deutung der Erwählten ist auch für den Titusbrief anzunehmen.


Mit „Erkenntnis der Wahrheit“ ist sicherlich nicht philosophische Erkenntnis infolge sorgfältigen Nachdenkens gemeint, auch nicht wissenschaftlicher Fortschritt durch Forschung, sondern das Verstehen und gläubige Annehmen des Evangeliums. Es geht also nicht um philosophische oder wissenschaftliche Gelehrsamkeit, sondern um das Heil des Menschen, um die „Rettung“ durch den Glauben an Jesus Christus.


Es wird nicht gesagt, was mit der Frömmigkeit gemeint ist. Da sich die Frömmigkeit wohl auf Menschen und nicht auf Engel, Jesus Christus oder Gott bezieht, ist wohl der rechte Glaube und/oder das rechte Verhalten gemeint (vgl. die Bedeutung in 1 Tim und 2 Tim). Doch wie verhalten sich der rechte Glaube und das rechte Verhalten zur Erkenntnis der Wahrheit? Das Verhältnis wird mittels der Präposition „kata“ ausgedrückt, die zunächst einmal mit „gemäß/nach“ zu übersetzen ist. Demnach entspricht die Erkenntnis der Wahrheit der Frömmigkeit, also dem rechten Glauben und/oder dem rechten Verhalten. Diese naheliegende Bedeutung ist jedoch nicht wirklich logisch, denn die Wahrheit richtet sich nicht nach dem rechten Glauben und/oder dem rechten Verhalten, sondern der rechte Glaube und/oder das rechte Verhalten richten sich nach der Wahrheit aus: Es gibt einen göttlichen Heilsplan und das Heilsgeschehen, das Inhalt der frohen Botschaft, des Evangeliums, ist. Dieser Inhalt des Evangeliums dürfte die „Wahrheit“ sein. Diese „Wahrheit“ gilt es zu verstehen und gläubig anzunehmen. Die gläubige Annahme des Inhaltes des Evangeliums führt, sofern das Evangelium richtig verkündigt wird, was von einem Sklaven Gottes und Apostel Jesu Christi zu erwarten ist, zum rechten Glauben. Und da der Glaube eng mit dem Verhalten zusammenhängt, führt der rechte Glaube auch zum rechten Verhalten. Dies dürfte die vorrangige Bedeutung sein. Ebenfalls dürfte aber als nachrangige Bedeutung auch gemeint sein, dass der rechte Glaube und das rechte Verhalten der Erkenntnis der Wahrheit entsprechen – und umgekehrt.


Weiterführende Literatur: Zur Bedeutung von "Sklave Christi" im NT siehe ausführlich M. J. Harris 1999, 139-156. Auf S. 177-179 geht er auf die enge Beziehung zwischen den beiden Begriffen "doulos" ("Sklave"; die Vorkommen des Begriffs werden auf den S. 20-24 aufgeführt) und "diakonos" ("Diener") ein. Alle Sklaven seien Diener, aber nicht alle Diener Sklaven. "Diakonos" sei also der weiter gefasste Begriff. Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den beiden Begriffen sei, dass der Diener seinen Dienst im Rahmen eines ausgehandelten Vertrages versehe, wogegen sowohl die Arbeit als auch die Person des Sklaven jemand anderem gehöre. Der Begriff "diakonos" weise also auf einen höheren Status hin.


K. Löning 2008, 131-150 befasst sich mit Paulus als soteriologischer Schlüsselfigur in den Pastoralbriefen. Zu Tit 1,1: Paulus werde in den Pastoralbriefen nicht als historische Gestalt der vergangenen apostolischen Ära dargestellt, sondern als in der Glaubenswelt der „Auserwählten Gottes“ gegenwärtige Figur. Bei den Rollenzuweisungen „Sklave Gottes“ und „Apostel Jesu Christi“ (V. 1) gehe es nicht darum, die Autorität des Paulus aktuell zur Geltung zu bringen, sondern zu erklären, welchen Stellenwert der Apostolat des Paulus in der Glaubenswelt der Glaubenden aufgrund seines apostolischen Verkündigungsauftrags ein für allemal hat.


Zur „eusebeia“ („Frömmigkeit“) als Beispiel für die Adaption, Transformation und Inkulturation hellenistisch-römischer Vorstellungen in den Pastoralbriefen siehe J. Herzer 2007, 309-329. Der Begriff werde in den Pastoralbriefen unterschiedlich verwendet und ein kohärentes „Konzept“ von „eusebeia“ sei nicht zu erweisen. Während er im 1 Tim eine deutliche Affinität zum römischen Pietas-Begriff im Sinne der Loyalität gegenüber gesellschaftlichen Strukturen und Gegebenheiten und einem entsprechend angemessenen Verhalten habe, umschreibe der Begriff im 2 Tim und im Tit die christologisch begründete Lebenshaltung.


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V. 2


Beobachtungen:Ep’ elpidi“ ist hier wohl mit „in der Hoffnung“ zu übersetzen. Dabei ist „in“ nicht im Sinne eines Wirk-, Macht- und Heilsraumes zu verstehen, sondern im Sinne eines Grundes, einer Grundlage. Genaugenommen lautet die Übersetzung „aufgrund von Hoffnung“. An einen Raum lässt eher eine schwach bezeugte Variante, die „epi“ („in / aufgrund von“) durch „en“ („in“, „durch“) ersetzt, denken. Es wäre ein Raum, der von Hoffnung geprägt ist.

Die Hoffnung wird genauer bestimmt, nämlich als „Hoffnung auf [das] ewige Leben“. Es stellt sich jedoch die Frage, worauf sich „Hoffnung auf [das] ewige Leben“ bezieht. Dient „Paulus“ in der Hoffnung auf das ewige Leben? Das ist sicherlich der Fall, denn die Hoffnung ist eine allgemein christliche und der bedeutendste Missionar wird sich ganz sicher nicht von der Hoffnung ausgenommen haben (vgl. 2 Tim 1,1). Und durch seine Mission und Verbreitung des christlichen Glaubens hat er die Hoffnung auf das ewige Leben weiter verbreitet, und durch seinen Gemeindeaufbau hat er die Hoffnung auf das ewige Leben gestärkt. Möglich ist aber auch ein Bezug auf den „Glauben der Auserwählten Gottes“ und auf die „Erkenntnis der Wahrheit“. Dieser Bezug ist aber eher weniger wahrscheinlich, weil die Hoffnung auf das ewige Leben eher im christlichen Glauben und in der „Erkenntnis der Wahrheit“ begründet liegt als umgekehrt. Man muss ja erst die Wahrheit erkennen und zum christlichen Glauben kommen, um überhaupt auf den Gedanken des – zumindest christlich verstandenen und mit Christi Auferstehung und mit der Sündenvergebung begründeten – ewigen Lebens zu kommen.


Das ewige Leben ist also keine hundertprozentige Gewissheit und es ist auch noch nicht verwirklicht. Vielmehr ist das ewige Leben verheißen, und zwar von Gott. Auch der „Zeitpunkt“, wann Gott das ewige Leben verheißen hat, wird genannt: vor ewigen Zeiten. „Vor ewigen Zeiten“ ist allerdings keine Zeitangabe im eigentlichen Sinn. Vielmehr weist die Formulierung über die menschliche Zeitrechnung und wohl auch über die Existenz der Erde hinaus.

Eine Verheißung Gottes ist kein hohles Gerede und es ist auch keine Lüge. Gott ist nämlich wahrhaftig (apseudês), d. h. er redet nicht irgendwas daher und er lügt nicht. Das Verheißene wird also eintreffen, allerdings erst in der Zukunft. Der Begriff „Hoffnung“ macht die Ausrichtung auf die Zukunft deutlich.

Offen bleibt, wem das ewige Leben verheißen ist. Da sich keine Einschränkung findet, ist davon auszugehen, dass allen Menschen das ewige Leben verheißen ist. Aber werden auch Heiden und Juden ewig leben? Und werden auch Christen, die vom rechten Glauben abfallen und/oder sich schweren Fehlverhaltens schuldig machen, ewig leben? Aus der Bedeutung, die dem (rechten) christlichen Glauben und dem rechten Verhalten beigemessen wird, lässt sich folgern, dass das ewige Leben an Voraussetzungen geknüpft ist, und zwar an den (rechten) christlichen Glauben und an das rechte Verhalten. Die Verheißung gilt es zu glauben und ihr entsprechend zu leben. Wer dies befolgt, hat mit Gewissheit das ewige Leben zu erwarten. Über die anderen wird nichts ausgesagt, denn sie stehen nicht im Fokus. Insofern lässt sich nur sagen, dass bei ihnen mindestens die Sicherheit des ewigen Lebens nicht gegeben ist. Die Tatsache, dass auch Christen vom rechten Glauben abfallen und sich falsch verhalten und so das ewige Leben gefährden können, mag ebenfalls in der „Hoffnung“, die keine hundertprozentige Gewissheit ist, mitschwingen. Aber dem Abfall vom rechten Glauben und dem Fehlverhalten entgegenzuwirken, ist ja die Aufgabe des Sklaven Gottes und Apostels Jesu Christi. „Paulus“ ist also Werkzeug Gottes hinsichtlich der Verwirklichung der Verheißung.


Weiterführende Literatur: G. M. Wieland 2009, 338-354 geht der Frage nach, warum Kreta im Tit eine solch herausragende Bedeutung zukommt. Er legt dar, dass eine ganze Reihe einzigartiger Aspekte des Tit den ganz spezifischen sozialen und kulturellen Realitäten der Insel Kreta zu römischer Zeit entspreche. Dies lege nahe, dass eine kretische Herkunft des Tit nicht ganz so unwahrscheinlich ist, wie oft angenommen. Es gehe offensichtlich um mehr als nur um die rechte Ordnung der christlichen Gemeinden. Der Tit sei wohl als Produkt früher christlicher Mission und als interessantes Beispiel kreativer missionarischer Auseinandersetzung mit einer spezifischen Umgebung zu verstehen. Zu 1,2.12: Der Gott, der nicht lügt, werde wohl nicht nur den stets lügenden Kretern, sondern auch ihrem für Täuschung und Betrug bekannten Gott Zeus gegenübergestellt.


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V. 3


Beobachtungen: Bei der Formulierung „kairois idiois“ handelt es sich um einen Plural, womit wörtlich „zu rechten Zeiten“ zu übersetzen ist. Es handelt sich um Zeiten, die eigentümlich sind, die ihre ganz eigene Prägung haben und in denen etwas ganz Bestimmtes geschieht. Es handelt sich also im Hinblick auf ein bestimmtes Geschehen um rechte Zeiten. Das entspricht in etwa dem, was wir mit der Redewendung „die Zeit ist reif“ ausdrücken. Gott hat also zu „rechten Zeiten“ sein Wort offenbart.

Gott hat sein Wort in der Predigt bzw. durch die Predigt offenbart. Es ist von „Predigt“ (ohne bestimmten Artikel!) die Rede, nicht von „der Predigt“. Es ist folglich wohl nicht von einer ganz bestimmten Predigt die Rede, sondern von Predigt ganz allgemein. Durch Predigt offenbart Gott also „sein Wort“. Die Predigt ist kein einmaliges Geschehen, sondern ein ständiges. Allerdings handelt es sich bei der Verbform „ephanerôsen“ um einen Aorist, der gewöhnlich ein einmaliges, abgeschlossenes Geschehen ausdrückt. Das Gewicht der Aussage scheint also nicht darauf zu liegen, dass Gott immer wieder durch Predigt sein Wort offenbart, sondern darauf, dass er es durch Predigt offenbart hat und es nun bekannt ist. Dass es nun bekannt ist, ist zwar eine Tatsache, aber auch auf dieser liegt nicht das Gewicht, denn sonst hätte „Paulus“ eine Verbform im Perfekt verwendet. Wie ist der Aorist nun also zu verstehen? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Predigt „Paulus“ anvertraut worden ist. Bedeutet das nun, dass „Paulus“ sich als einen Prediger neben anderen ansieht? Oder bedeutet das, dass er sich als den entscheidenden Prediger ansieht? Letzteres ist wahrscheinlicher, weil „Paulus“ im Präskript keine Aussagen über alle möglichen Prediger macht, sondern Aussagen zu seiner eigenen Person und Funktion im Hinblick auf Gott. Wir haben also davon auszugehen, dass Gott „sein Wort“ durch die Predigt des „Paulus“ offenbart hat. Nun macht V. 1 glauben, dass Paulus selbst der Verfasser des Titusbriefes ist. Das würde bedeuten, dass der Apostel Paulus seine Aussagen aus der missionarischen Situation heraus tätigt. Dass er seine Missionstätigkeit zwischenzeitlich abgeschlossen hat, ist nicht anzunehmen, auch wenn er sich wohl am Ende seiner Missionstätigkeit befindet. Also könnte er eine Verbform im Präsens benutzen und „offenbart er“ schreiben. Der Aorist zeigt aber, dass es nicht um eine gegenwärtige Mission geht, sondern „Paulus“ auf seine Tätigkeit zurückblickt. Entweder fasst er seine Predigttätigkeit und die dadurch erfolgte Offenbarung Gottes zusammen (historischer Aorist) oder er stellt sie fest und misst ihr besondere Bedeutung bei (konstatierender Aorist).

Paulus hat nicht nur ein einziges Mal gepredigt, sondern viele Male. Insofern kann man den Plural „zu rechten Zeiten“ auf die vielen Gelegenheiten beziehen, bei denen eine Predigt angesagt war. Allerdings kann es auch sein, dass dem Plural keine besondere Bedeutung beizumessen ist und wir ihn im Sinne von „zur rechten Zeit“ zu deuten haben. Ausgesagt wäre, dass grundsätzlich durch die Predigt des „Paulus“ „Gottes Wort“ offenbart wurde. Und dieses Predigtgeschehen hat „zur rechten Zeit“ stattgefunden.


Das „Wort Gottes“ kann ein einzelnes Wort sein, eine bestimmte Aussage, eine Rede oder das Evangelium. Da das „Wort Gottes“ durch die Predigt erfolgt und der Inhalt der Predigt nicht weiter konkretisiert wird, ist vermutlich der Inhalt der Predigt gemeint, nämlich das Evangelium.


Jesus Christus scheint nicht aus eigenem Gutdünken Heil zu bewirken, sondern einem göttlichen Heilsplan zu folgen. Diesem Heilsplan entspringt auch der Begriff „Verheißung“, der einen Willen Gottes ausdrückt, nämlich den Willen, dass der Mensch ewig leben soll. Die Menschen müssen dieser Verheißung nur vertrauen, was sich im christlichen Glauben zeigt. Letzten Endes ist es also Gott, der das Heil, die „Rettung“ – gemeint dürfte die Rettung vor dem ewigen Tod und Verderben sein -, bewirkt; daher wohl die Formulierung „unser Rettergott“. Dabei ist „unser“ wohl konkret auf die Christen zu beziehen, auch wenn sich die Verheißung im Grunde an alle Menschen richtet. Weil auch Paulus im Rahmen dieses Heilsplanes predigte und so zur Verwirklichung des Heilsplans beitrug, erscheint sein Predigen letztendlich nicht als von Jesus Christus, sondern von „unserem Rettergott“ beauftragt.


Weiterführende Literatur: Laut K. Löning 2008, 131-150 werde in Tit 1,2-3 das traditionelle Revelationsschema um eine auf den Apostolat des Paulus bezogene Aussage erweitert. Danach sei die Botschaft, die Paulus als Apostel verkündet, das Medium, durch das Gott sein Wort offenbart. Die Ausgestaltung des Revelationsschemas in 2 Tim 1,9-11 weise in V. 11 ebenfalls eine auf Paulus zielende Erweiterung auf. Anders als in Tit 1,1-2 werde das Revelationsschema hier aber zuerst christologisch gefüllt, bevor der Verkündigungsauftrag des Paulus zur Sprache kommt.


W. Eisele 2012, 468-491 spürt in den Pastoralbriefen den Ansatzpunkten für ein spezifisches Verständnis von Zeit und Ewigkeit im Rahmen der universalen Heilsgeschichte nach. Er geht von der Beobachtung aus, dass in den Pastoralbriefen ein Paar von geprägten Zeitbegriffen begegne, das wir so und in dieser Zuordnung seines Wissens nirgendwo anders fänden. Gott handele einerseits „vor ewigen Zeiten“ („pro chronôn aiôniôn“; Tit 1,2; 2 Tim 1,9) und andererseits „zu seinen eigenen Zeiten“ („kairois idiois“; Tit 1,3; 1 Tim 2,6; 1 Tim 6,15). Dies werfe die Frage auf, wie sich die beiden Zeitbestimmungen zueinander verhalten und mit welchen heilsgeschichtlichen Daten sie jeweils verbunden sind. Dabei nähert er sich dem Problem in drei Schritten: Zunächst gelte es, ein allgemeines Verständnis der beiden Zeitbegriffe zu gewinnen, um anschließend nach ihrer Verwendung im konkreten Kontext zu fragen. Im Ergebnis solle schließlich das soteriologische Verhältnis geklärt werden, in welches Zeit und Ewigkeit mittels der beiden spezifischen Zeitbegriffe in den Pastoralbriefen gesetzt werden. Zu 1 Tim 2,1-7: Der unmittelbar nach dem Traditionsstück eingeführte Ausdruck „das Zeugnis zu seinen eigenen Zeiten“ („to martyrion kairois idiois“) sei vom Tituspräskript her zu erklären. Bei dem „Zeugnis“ handele es sich um das Zeugnis Gottes und „zu seinen eigenen Zeiten“ beziehe sich auf das Christusgeschehen, angegeben durch die Rahmendaten von Inkarnation und Tod Jesu. Zu Tit 1,1-4: Es seien drei kairoi auszumachen: Verkündigung des Paulus, Beauftragung des Apostels zum Verkündigungsdienst und Christusgeschehen. Alle drei kairoi seien Gottes eigene Zeiten, von ihm festgesetzt und erfüllt, um den Menschen das ewige Leben zu offenbaren.


R. F. Collins 2000, 56-72 legt dar, dass der Tit im Vergleich zu den anderen beiden Pastoralbriefen eine besonders ausgeprägte Theologie aufweise: Vor ewigen Zeiten habe Gott ewiges Leben verheißen. Dieser Gott sei der Gott, der nie lügt. Er habe seine Verheißung verwirklicht und seine Güte in drei besonderen Augenblicken zu erkennen gegeben. Der erste Augenblick sei ein Gnadenerweis gewesen, nämlich das Erscheinen des Retters Jesus Christus. Der zweite Augenblick sei die Berufung des Paulus, Diener Gottes und Apostel par excellence, zur Verkündigung des Wortes Gottes der Rettung gewesen. Der dritte Augenblick habe mit der Reinigung des Christen in der Taufe stattgefunden, bei der der Christ neu geboren und durch die Gabe des heiligen Geistes erneuert worden sei. Mit der Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus werde die selige Hoffnung der Christen vollständig verwirklicht.


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V. 4


Beobachtungen: Titus ist gemäß den Paulusbriefen und gemäß der Apostelgeschichte ein enger Mitarbeiter des Paulus. In 2 Tim 4,10 ist ebenfalls von ihm die Rede, und zwar heißt es von ihm, dass er ebenso wie andere Mitarbeiter Paulus vor dessen Tod (mit Ziel Dalmatien) verlassen hat und dieser schließlich vereinsamt ist. Dass Titus Paulus verlassen hat, muss aber nicht als Untreue gedeutet werden, denn das Verlassen wird nur sachlich festgestellt. Es kann durchaus einen wichtigen Grund gegeben haben, weshalb Titus abreisen musste, und dieser kann auch mit Gemeindeleitung zu tun gehabt haben. Blicken wir auf Tit 1,4, so erscheint Titus als treuer Mitarbeiter, nicht als Untreuer. „Paulus“ scheint also von dem Vorfall (noch) keine Kenntnis gehabt zu haben. Möglich ist auch, dass er vom Vorfall zwar Kenntnis hatte, diesen jedoch nicht negativ bewertete oder besonders gewichtete.


„Titus“ wird als „Kind hinsichtlich [des] gemeinsamen Glaubens“ bezeichnet. Es geht also um ein geistliches, im gemeinsamen Glauben gründendes Verwandtschaftsverhältnis. Die Bezeichnung „Kind im Glauben“ mag darauf hinweisen, dass Paulus Titus selbst zum christlichen Glauben bekehrt und ihn möglicherweise auch selbst getauft hat. Auch kann die Bezeichnung aussagen, dass „Paulus“ dem „Titus“ im Glauben Vorbild und Stärkung ist. Das Verhältnis des Kindes seinem Vater gegenüber ist von Unterordnung und Gehorsam geprägt. Außerdem lernt der Sohn von seinem Vater. Auf die missionarische Arbeit bezogen bedeutet das, dass „Titus“ nicht nach eigenem Gutdünken predigt und lehrt, sondern sich nach der Verkündigung und Lehre seines „Vaters“ richtet. „Paulus“ kann „Titus“ Weisungen erteilen und ihm so in Mission und Gemeindeleitung hilfreich beiseite stehen. Möglicherweise geht aus dem Begriff „Kind“ auch hervor, dass „Titus“ jünger als „Paulus“ ist. Das ist aber höchstens ein Nebenaspekt, da die Zahl der Lebensjahre hinsichtlich des Glaubens keine besondere Rolle spielt.

Bemerkenswert ist, dass „Paulus“ zwar „Titus“ als sein „Kind“ bezeichnet, dann aber nicht von sich selbst als „Vater“ spricht, sondern von Gott. Dabei kann Gott „Vater“ Jesu Christi und/oder der Christen sein. Auch bei der Vorstellung, dass Gott der „Vater“ der Christen ist, können die Aspekte religiöser Autorität (Gott als „Herr“ gedacht), Unterordnung, Gehorsam (der Christen als „Kinder“ des „Vaters“ bzw. Klienten des „Herrn“) und Fürsorge anklingen.


Die Formulierung „Kind hinsichtlich [des] gemeinsamen Glaubens“ wird mittels des vorausgehenden Adjektivs „gnêsios“ näher bestimmt. „Gnêsios“ bedeutet „echt“ oder „wahrhaftig“. Das mag man so deuten, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass „Titus“ „Kind hinsichtlich [des] gemeinsamen Glaubens“ ist. Er ist wirklich ein „Kind hinsichtlich [des] gemeinsamen Glaubens“. Es können darüber hinaus auch Bedeutungsnuancen des Adjektivs „gnêsios“ anklingen, nämlich „aufrichtig“ und „bewährt“. „Titus“ wäre demnach aufrichtig, was eine Voraussetzung für enge Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen ist. Und „Titus“ wäre bewährt, und zwar im Glauben und in der Zusammenarbeit, die im gemeinsamen Glauben und in der geistlichen Autorität des Paulus gründet.


Das Präskript wird von einem Segenswunsch abgeschlossen. Der Segenswunsch enthält den Wunsch, Gnade und Friede sollten bei „Titus“ bzw. der Gemeinde sein. Dabei handelt es sich nicht um die Gnade und den Frieden von Menschen, sondern von Gott, dem Vater, und von Christus Jesus (= Jesus Christus), „unserem Retter“. Mit dem Frieden ist vermutlich kein seelischer Zustand gemeint, aus dem der Friede der Christen untereinander resultiert, sondern das durch Jesus Christus bereinigte Verhältnis zu Gott.

Eine Variante liest „Gnade, Barmherzigkeit, Friede“ statt „Gnade und Friede“. Diese Variante bietet jedoch vermutlich nicht den ursprünglichen Text, denn zum einen ist sie vergleichsweise schlecht bezeugt, zum anderen lässt sie sich als Anpassung an 1 Tim 1,2 und 2 Tim 1,2 erklären.


Nicht nur Gott ist unser „Retter(gott)“, sondern auch Jesus Christus. Es wird zwar nicht konkretisiert, inwiefern Jesus Christus „Retter“ ist, aber wir haben mit einer Vorstellung ähnlich derjenigen von 2 Tim 1,10 zu rechnen, wo von „Christus Jesus, der den Tod zunichtegemacht, aber Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium“ die Rede ist. Entscheidend im Hinblick auf die „Rettung“ dürften Kreuzestod, Sündenvergebung, Auferstehung, ewiges Leben und Verkündigung des Evangeliums, also der „frohen Botschaft“, sein.


Weiterführende Literatur: A. Mayer-Haas 2008, 11-30 befasst sich mit Titus im Zeugnis des NT. Paulus erwähne Titus stets im Zusammenhang mit schweren Krisen seiner Mission. Dabei zeichne er das Bild eines ihm und seinem Evangelium vollkommen untergeordneten Mannes, dem er kritische Aufträge überlassen kann.


M. Villalobos Mendoza 2014, 39-42.53-56 liest den vertrauten Tonfall des Verfassers der Pastoralbriefe Titus (und auch Timotheus) gegenüber auf dem Hintergrund des unbedingten Gehorsams und antiken Männlichkeitsideals. Titus erscheine (wie Timotheus, der in 1 Tim und 2 Tim noch weniger männlich dargestellt werde) als „Kind“, das strenger Disziplin und rigider Erziehung bedürfe, um ein wahrer Mann zu werden.


Insofern sich die Pastoralbriefe selbst in eine paulinische Traditionslinie stellten, müssten sie sich laut W. Eisele 2008, 81-114 den Vergleich mit der paulinischen Vorstellung vom Glauben gefallen lassen. Dabei ergäben sich zwei Fragen: a) Wie lässt sich der Ausfall des Glaubensbegriffs im Rahmen der von Paulus überkommenen Rechtfertigungslehre erklären? b) Woher gewinnt der Glaube der Pastoralbriefe nach dem Verlust des unmittelbaren paulinischen Bezugssystems seine spezifische Bedeutung? Zu a) Die erste Frage lasse sich mit der veränderten geschichtlichen Situation erklären. Der Streit um die Heilsrelevanz des jüdischen Gesetzes und der dadurch gebotenen Werke des Gesetzes scheine eine Generation nach Paulus in den Gemeinden der Pastoralbriefe grundsätzlich entschieden zu sein. Zu b) Die zweite Frage sei schwerer zu beantworten. In den Pastoralbriefen sei eine formelhafte Rede vom Glauben üblich. Formeln hätten es an sich, dass ihr Inhalt nicht erklärt, sondern als bekannt vorausgesetzt wird. Die spezifische Bedeutung des Glaubens müsse daher jeweils aus dem Kontext erschlossen werden. W. Eisele fragt im Folgenden nicht allgemein nach dem Glaubensbegriff in den Pastoralbriefen, sondern konzentriert sich auf das Präskript des Tit, dem im Hinblick auf den Glaubensbegriff der Pastoralbriefe eine besondere Bedeutung zukomme. Nach dem Präskript des Tit gebe der Glaube den entscheidenden Maßstab und Zweck sowohl für den Knechts- und Aposteldienst des Paulus als auch für das Kindschaftsverhältnis seines Schülers Titus zu ihm an. Mit dem Glauben eng verbunden sei die Erkenntnis der Wahrheit, die zugleich das Bindeglied zwischen Hoffnung und Glaube darstelle. Die ethischen Weisungen des Tit stünden unter dem Vorzeichen dieses Glaubensbegriffs.


Laut T. Söding 1999, 149-192 sei das Erscheinen Jesu Christi als Retter aller Menschen das Leitmotiv der Pastoralbriefe. In Gott, dem Vater, habe das christologische Heilsgeschehen seinen Ursprung.



Literaturübersicht


Collins, Raymond F.; The Theology of the Epistle to Titus, ETL 76/1 (2000), 56-72

Eisele, Wilfried; Der gemeinsame Glaube der Auserwählten Gottes. Zum Glaubensbegriff der Pastoralbriefe nach Tit 1,1-4, in: H.-U. Weidemann, W. Eisele [Hrsg.], Ein Meisterschüler: Titus und sein Brief (SBS 214), FS M. Theobald, Stuttgart 2008, 81-114

Eisele, Wilfried; Chronos und Kairos. Zum soteriologischen Verhältnis von Zeit und Ewigkeit in den Pastoralbriefen, EChr 3/4 (2012), 468-491

Harris, Murray J.; Slave of Christ: A New Testament Metaphor for Total Devotion to Christ (NSBT 8), Downers Grove, Illinois 1999

Herzer, Jens; "Das Geheimnis der Frömmigkeit" (1 Tim 3,16). Sprache und Stil der Pastoralbriefe im Kontext hellenistisch-römischer Popularphilosophie - eine methodische Problemanzeige, ThQ 187/4 (2007), 309-329

Löning, Karl; "Von ihnen bin ich der Erste" (1 Tim 1,15). Paulus als soteriologische Schlüsselfigur in den Pastoralbriefen, in: T. Schmeller [Hrsg.], Neutestamentliche Exegese im 21. Jahrhundert. Grenzüberschreitungen, Freiburg i. Br. 2008, 131-150

Mayer-Haas, Andrea; Titus im Zeugnis des Neuen Testaments. Eine Einführung, in: H.-U. Weidemann, W. Eisele [Hrsg.], Ein Meisterschüler: Titus und sein Brief (SBS 214), FS M. Theobald, Stuttgart 2008, 11-30

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