2 Tim 2,1-7
Übersetzung
2 Tim 2,1- 7 : 1 Du nun, mein Kind, sei stark in der Gnade, die in Christus Jesus ist. 2 Und was du von mir durch viele Zeugen gehört hast, das vertraue zuverlässigen Menschen an, die fähig sind, wieder andere zu lehren. 3 Leide mit als tapferer Soldat Christi Jesu. 4 Keiner, der in den Krieg zieht, lässt sich in Alltagsgeschäfte verwickeln, denn er will den zufrieden stellen, der [ihn] angeworben hat. 5 Und wer an einem Wettkampf teilnimmt, erhält den Siegeskranz nicht, wenn er nicht nach den Regeln kämpft. 6 Der Bauer, der sich abmüht, soll als erster Anspruch auf die Früchte haben. 7 Bedenke, was ich sage! Denn der Herr wird dir Einsicht in allem geben.
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Beobachtungen: Nachdem „Paulus“ „Timotheus“ zu furchtlosem Zeugnis nach seinem Vorbild bzw. nach dem Vorbild des Paulus ermahnt hat (vgl. 1,6-14), folgt nun eine zweite Ermahnung, nämlich eine Ermahnung zur Leidensnachfolge. Diese gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil 2,1-7 ermahnt „Paulus“ zu Glaubensstärke, zur Weitergabe des Evangeliums gemäß „paulinischer“ (für paulinisch gehaltene) Theologie und Lehre und zu vollem Einsatz für Glaube und „paulinische“ Theologie und Lehre trotz aller Bedrängnis. Im zweiten Teil (2,8-13) macht „Paulus“ deutlich, dass für den vollen Einsatz „Rettung“ und „ewige Herrlichkeit“ verheißen sind.
In 2 Tim 1,1 hatte „Paulus“ „Timotheus“ als „[mein] geliebtes Kind“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ließ ein besonderes, von Liebe geprägt persönliches Verhältnis erkennen, das von Liebe geprägt ist. In 2,1 bezeichnet „Paulus“ „Timotheus“ als „mein Kind“. An dieser Stelle ist es ihm anscheinend nicht so wichtig, die Beziehung zu „Timotheus“ als eine Herzensangelegenheit darzustellen. Die Betonung liegt nun eher auf dem verwandtschaftlichen Verhältnis, wobei wohl nicht leibliche Verwandtschaft, sondern geistliche im Blick ist. Es geht um das Vater – Sohn – Verhältnis. Das Verhältnis des Kindes seinem Vater gegenüber ist von Unterordnung und Gehorsam geprägt. Außerdem lernt der Sohn von seinem Vater. Auf die missionarische Arbeit bezogen bedeutet das, dass „Timotheus“ nicht nach eigenem Gutdünken predigt und lehrt, sondern sich nach der Verkündigung und Lehre seines „Vaters“ richtet. „Paulus“ kann „Timotheus“ Weisungen erteilen und ihm so in Mission und Gemeindeleitung hilfreich beiseite stehen. Möglicherweise geht aus dem Begriff „Kind“ auch hervor, dass „Timotheus“ jünger als „Paulus“ ist.
„In Christus Jesus“ bezeichnet einen Macht-, Wirk- und Heilsraum: Es ist ein Raum, in dem Jesus Christus (= Christus Jesus) machtvoll wirkt und Heil bewirkt. Dieser Raum, in dem sich „Timotheus“ befindet, ist von „Gnade“ geprägt. „Gnade“ ist ein Begriff, der Wirkmacht und Heil ausdrückt. Er wird nicht weiter erklärt, jedoch verbindet „Paulus“ damit (laut 1,9) Rettung (vor der Verurteilung aufgrund der Sünden und vor dem ewigen Tod) und Berufung (zum Christsein und zum kirchlichen Amt). Wenn „Timotheus“, der in Christus Jesus ist, stark sein (oder: stark werden; erstarken) soll, dann geht es wohl um die Glaubensstärke, und zwar um eine innerliche und um eine nach außen gerichtete. „Timotheus“ soll zum einen in aller Bedrängnis in seinem Glauben standhaft bleiben. Das ist die innere Glaubensstärke. Dann soll er aber als Herold, Apostel und Lehrer (vgl. 1,11) auch glaubensstark nach außen wirken, nämlich predigen, lehren und die Gemeinde aufbauen, stärken und leiten. All dies soll im Lichte der Sündenvergebung und des ewigen Lebens geschehen (vgl. 1,10), die bzw. das in Jesus Christus begründet liegt. Und weil die Präposition „en“ auch mit „durch“ übersetzt werden kann, kann man auch sagen, dass die Gnade durch Jesus Christus bewirkt oder gegeben ist (vgl. 1,9).
Weiterführende Literatur: Gemäß F. Schnider, W. Stenger 1987, 64 zeige sich der sekundäre, nicht mehr einer realen Redesituation sich verdankende Charakter der Selbstempfehlung des 2 Tim darin, dass hier die sich auf den fingierten Verfasser konzentrierende Perspektive immer wieder durch paränetische Imperative unterbrochen wird, die den fingierten Adressaten ansprechen.
Mit einem koptischen Fragment des Abschnittes 2 Tim 1,11-2,2 befasst sich R. Stewart 1982, 7-10, der insbesondere auf 1,11-18 eingeht.
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Beobachtungen: Wer sind die Zeugen? Und in welcher Art und Weise haben sie bezeugt? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es um die Rede des „Paulus“ geht, die „Timotheus“ gehört hat. Bei der Rede dürfte es sich um die auf dem Evangelium gründende Theologie und Lehre des „Paulus“ handeln, die dieser als paulinisch ansieht. Nun stellen sich die Fragen, wann „Timotheus“ sie gehört hat, und ob er sie aus dem Munde des „Paulus“ gehört hat. Es ist möglich, dass das Hören im Zusammenhang mit der Verkündigung des Evangeliums und/oder im Zusammenhang mit der Taufe erfolgt ist. Im Zusammenhang mit der Taufe wäre es bei der Unterrichtung der wesentlichen christlichen Glaubensinhalte (= Taufkatechese) geschehen. Blicken wir auf den Apostel Paulus und seinen Mitarbeiter Timotheus, dann können wir nur feststellen, dass es zwar wahrscheinlich, aber nicht sicher ist, dass Paulus den Timotheus selbst zum christlichen Glauben bekehrt und getauft hat (Apg 16,1 ist diesbezüglich unklar). Wir haben davon auszugehen, dass der „Paulus“ des 2 Tim nicht mit Paulus identisch ist. Ebenso dürfte der „Timotheus“ des 2 Tim nicht mit Timotheus identisch sein. Allerdings ist der Verfasser des 2 Tim darum bemüht, den Anschein einer Identität zu erwecken, um seinem Brief Autorität und Gewicht zu verleihen. Wenn „Paulus“ den „Timotheus“ als „[mein] geliebtes Kind“ (1,1) und „mein Kind“ (2,1) bezeichnet, dann ist anzunehmen, dass er davon ausgeht, dass Paulus Timotheus bekehrt und/oder getauft hat. Darüber hinaus ist auch möglich, dass „Paulus“ „Timotheus“ bekehrt und/oder getauft hat. Allerdings ist hinsichtlich letzterer Möglichkeit zu bedenken, dass „Timotheus“ nicht unbedingt eine ganz bestimmte Person meint, sondern „Timotheus“ möglicherweise alle kirchlichen Amtsinhaber – speziell die Bischöfe – repräsentiert. Neben der Möglichkeit, dass das Hören m Rahmen der Verkündigung und/oder der Taufkatechese geschehen ist, ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass das Hören im Rahmen der Zusammenarbeit des Paulus mit Timotheus und des „Paulus“ mit „Timotheus“ geschehen ist. Dann hätte es sich bei der Rede zwar auch um das Evangelium bzw. die wesentlichen christlichen Glaubensinhalte gehandelt, aber das Gewicht würde stärker darauf liegen, dass sie wahrhaft paulinisch und keine Verfälschung des Evangeliums oder der wesentlichen christlichen Glaubensinhalte ist. Wenn Timotheus bzw. „Timotheus“ das Evangelium bzw. die wesentlichen christlichen Glaubensinhalte aus dem Munde des Paulus bzw. „Paulus“ gehört hat, bedurfte es keiner Zeugen. Was sollten diese bezeugen? Für die Bekehrung zum Glauben bzw. für die Vermittlung der wesentlichen christlichen Glaubensinhalte bedurfte es keiner Zeugen, schon gar nicht vieler Zeugen. Sollte es denn nicht möglich sein, dass ein solch bekannter Prediger wie Paulus einen Zuhörer unter vier Augen bekehrt? Oder ein so glaubensfester christlicher Lehrer wie Paulus einen jüngst zum christlichen Glauben Gekommenen unter vier Augen unterrichtet? Oder ein Missionar seinen engen Mitarbeiter unter vier Augen im rechten Glauben unterweist? Vielleicht ist „durch“ aber auch gar nicht so zu verstehen, dass viele Zeugen anwesend waren. Vielleicht ist vielmehr gemeint, dass die Zeugen das Evangelium selbst im paulinischen Sinne verkündigt und/oder gelehrt haben. Timotheus bzw. „Timotheus“ hätte es dann durch die Verkündigung von diesen Zeugen gehört, nicht von Paulus. Gegen diese Deutung spricht jedoch, dass es sich dann nicht um Zeugen im eigentlichen Sinn handeln würde, sondern um Handelnde. Außerdem sagt „Paulus“ ja ausdrücklich, dass „Timotheus“ von ihm gehört hat. Also, welche Deutung bleibt dann? Es ist wahrscheinlich, dass der 2 Tim nicht zu Lebzeiten des Paulus verfasst wurde. Der Verfasser ist vermutlich ein „Paulusschüler“ nachpaulinischer Zeit. Paulus ist zwar inzwischen verstorben, aber seine Mission trägt Früchte: Das Christentum hat sich aufgrund seines tatkräftigen Wirkens verbreitet und es sind Gemeinden entstanden und weiter gewachsen. Die paulinische Theologie und Lehre hat überdauert und wird weiter überliefert, wie die entstehenden Sammlungen paulinischer Briefe zeigen. Allerdings ist die paulinische Theologie und Lehre nicht konkurrenzlos und unumstritten. Mehr noch: Die Christentum als solches wird in einer mehrheitlich heidnischen (und teils auch jüdischen) Umwelt argwöhnisch beäugt und auch verfolgt. In dieser Situation mahnt der Verfasser des 2 Tim, „Paulus“, von den Christen und ganz besonders den kirchlichen Amtsträgern zwei Dinge an: Erstens sollen sie sich nicht angstvoll in ihrem Schneckenhaus verkriechen, sondern für ihren Glauben einstehen, zweitens sollen sie sich an die „paulinische“ (als paulinisch verstandene) Theologie und Lehre halten und diese nachfolgenden Generationen unverfälscht überliefern. Paulus bzw. „Paulus“ hat sich nicht im Schneckenhaus verkrochen, sondern in aller Öffentlichkeit gepredigt und gelehrt. Sonst könnte es nicht „viele Zeugen“ seiner Predigt und Lehre geben. Paulus bzw. „Paulus“ wird aber nicht der Einzige gewesen sein, der gepredigt und gelehrt hat. Auch unter den „vielen Zeugen“ wird es welche gegeben haben, die gepredigt, vom Glauben gesprochen (nicht alle werden sich zur Predigt oder Lehre berufen gefühlt haben) oder gelehrt haben. Und deren Predigt, Rede oder Lehre wird dem Evangelium gemäß der „paulinischen“ Theologie und Lehre entsprochen haben. Und durch sie wird „Timotheus“ auch vom Evangelium gemäß „paulinischer“ Theologie und Lehre gehört haben. Und schließlich bezeugen die vielen „Zeugen“ mit ihrem Glauben und ihren Worten, dass es sich um eine durch einen bekannten und vertrauenswürdigen Missionar (Paulus) verbürgte, weit verbreitete, richtige und heilsame Theologie und Lehre handelt. Alle die genannten Aspekte dürften in der Formulierung „durch viele Zeugen“ enthalten sein.
Das Verb „paratithêmi“ ist mit „anvertrauen“ zu übersetzen und bezieht sich auf „parathêkê“, das „anvertraute Gut“, von dem in 2 Tim 1,12.14 die Rede war. Mit dem „anvertrauten Gut“ ist vermutlich das Evangelium gemäß der „paulinischen“ (von „Paulus“ für paulinisch gehaltenen) Theologie und Lehre gemeint. Dieses soll „Timotheus“ anvertrauen, und zwar „zuverlässigen Menschen“ („anthrôpois pistois“).
„Anthrôpoi“ können sowohl „Menschen“ als auch „Männer“ sein. Und „pistoi“ kann „gläubige“, „treue“ und „zuverlässige“ bedeuten. Es geht zwar um Lehre, aber das heißt nicht, dass nur „Männer“ im Blick sind. In 2,1-7 weist nichts darauf hin, dass nur Männer lehren dürfen, weshalb nicht voreilig die Übersetzung „Männer“ gewählt werden sollte. Das „anvertraute Gut“ soll also „gläubigen“, „treuen“ und „zuverlässigen“ – vermutlich haben wir es mit allen drei Bedeutungen zu tun - Menschen anvertraut werden. Die Menschen sollen also zunächst einmal an Jesus Christus glauben, und zwar gemäß der Theologie und Lehre des „Paulus“. Dann sollen sie ihrem Glauben auch in Bedrängnis treu sein, außerdem der Theologie und Lehre des „Paulus“ treu sein. Und schließlich sollen sie zuverlässig lehren, und zwar gemäß der Lehre des „Paulus“.
„Paulus“ ist sich bewusst, dass nicht alle Menschen die Fähigkeit haben zu lehren. Weil es ihm aber um die Verbreitung der „paulinischen“ Theologie und Lehre und um deren Überlieferung von Generation zu Generation geht, betont er, dass das „anvertraute Gut“ zuverlässigen Menschen anvertraut werden soll, die fähig sind zu lehren.
Weiterführende Literatur: Laut N. Trummer 1987, 95-135 habe V. 2 mit Blick auf die Weitergabe des Evangeliums die Bedeutungsschwere eines Testaments. Die Sorge um das Evangelium sei nicht nur objektiv und sachzentriert, sondern eine Sorge um die Menschen als seine Adressaten und Tradenten. Trotz aller Überlieferung und schriftlichen Tradition seien also immer und in erster Linie konkrete, lebendige Menschen notwendig, denen das Evangelium zu treuen Händen übergeben und anvertraut werden kann. Dies setze auch ein großes Vertrauen der weitergebenden Instanzen voraus, die es gläubig aus der Hand geben können.
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Beobachtungen: Es wird nicht gesagt, mit wem „Timotheus“ leiden soll. So haben wir davon auszugehen, dass es mit allen Christen mitleiden soll, weil das Leiden in der mehrheitlich heidnischen (und jüdischen) Umwelt typisches Merkmal christlicher Existenz ist. Allerdings schreibt „Paulus“ in 1,8, dass er ein Gefangener ist, und fordert dort in dem Zusammenhang „Timotheus“ zum Mitleiden auf. Und auch Paulus ist im Laufe seiner Missionstätigkeit verfolgt und ins Gefängnis geworfen worden (vgl. 2 Kor 6,5; 11,23; Apg 25,4.21). Angesichts des Vorbildcharakters der Gefangenschaft des Paulus bzw. „Paulus“ dürfte in 2 Tim 2,3 in besonderem Maße das Mitleiden mit Paulus bzw. „Paulus“ gemeint sein.
Wieso „Timotheus“ mitleiden soll veranschaulicht „Paulus“ anhand von drei Analogien. Wir haben davon auszugehen, dass die Leser bzw. Hörer des 2 Tim die Analogien verstanden haben, weil diese einem Lebenshorizont entnommen sind, der den Lesern bzw. Hören vertraut war. Nicht alle Leser bzw. Hörer werden Soldaten, Sportler oder Bauern gewesen sein, aber Krieg, Sport und Landwirtschaft waren den antiken Menschen durchaus vertraut. Und die Analogien sind auch leicht zu verstehen.
„Paulus“ verherrlicht nicht den Krieg und will nicht sagen, dass „Timotheus“ ein Soldat sein und in den Krieg ziehen soll. „Timotheus „ soll ein „Soldat Christi Jesu“, also ein geistlicher Soldat, sein. Er soll in seinem Leben für den christlichen Glauben streiten. Von Waffengewalt und Blutvergießen ist nicht die Rede.
Weiterführende Literatur: M. Villalobos Mendoza 2014, 45-80 legt dar, dass Timotheus zwar verschiedentlich als ein Macho dargestellt werde, sich aber in Wirklichkeit auf der anderen Seite befunden habe. Er sei nicht redegewandt gewesen, dazu jung und oftmals krank und habe weibisch Tränen vergossen. Er sei zwar zur Gemeindeleitung und zur Lehre ausersehen gewesen, jedoch wüssten wir nicht, ob er wirklich gelehrt, ermahnt und zurechtgewiesen hat. Es scheine so, dass es ihm nicht gelungen ist, ein „wahrer Mann“ („verus vir“) zu werden. Stets erschienen in den Pastoralbriefen die Stimmen der Anderen stärker als die Stimme des Timotheus. Er müsse kämpfen, um seiner Stimme Gehör zu verschaffen und als „wahrer Mann“ anerkannt zu werden, indem er sich als tugendhaft erweist. Timotheus sei aufgetragen, als Soldat Christi, als Athlet und als Bauer seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen.
Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen siehe H. Roose 2003, 440-446: Die Gemeindeleiter seien zum Lehren verpflichtet. Ihr Lehren habe soteriologische Funktion, und sie seien dazu angehalten, dieses Heilsangebot auch gegenüber Irrlehrern offen zu halten. Das heiße auch, dass sich die Gemeindeleiter nicht bedeckt halten dürfen. Sie sollten lehren, auch wenn ihnen das Repressalien einbringt. Die Pastoralbriefe ließen keinen Zweifel daran, dass das Lehren mit Leid gekoppelt ist. Die Bereitschaft, dieses Leid auf sich zu nehmen – unter Umständen bis hin zum Märtyrertod (vgl. 2 Tim 4,6) -, werde unzweideutig eingefordert. Die Gemeindeleiter dienten also in der Tat der Gemeinschaft, indem sie lehren. Denn sie stellten dadurch ihre Leidensbereitschaft unter Beweis und vermittelten den Gemeindeangehörigen das Heilsangebot des Evangeliums. Dem Verfasser der Pastoralbriefe sei vermutlich die hinter Mk 10 stehende Tradition – insbesondere das Ideal des Dienens und Leidens in pointierter Abgrenzung von der Herrschaft – bekannt gewesen. Er forme ein Bild vom lehrenden Gemeindeleiter, das diesem Ideal in wesentlichen Punkten entspricht. So stehe auch der gesamte Abschnitt 2 Tim 2,3-13 unter der Aufforderung „Leide mit!“. Bei dem Soldaten Christi bleibe offen, welcher Lohn ihn erwartet. Gegenüber 1 Tim 5,18 sei in 2 Tim 2,3-13 eine entscheidende Akzentverschiebung zu verzeichnen: Es gehe nicht darum, welchen irdischen Lohn die Presbyter (= Soldaten Christi) verdienen, sondern welcher eschatologische Lohn ihnen zusteht. Als Belohnung werde ihnen die eschatologische Herrschaft in Aussicht gestellt (vgl. V. 12).
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Beobachtungen: Die Formulierung „tais tou biou pragmateiais“ ist wörtlich mit „in die Geschäfte (oder: Beschäftigungen) des Lebens“ zu übersetzen. Es können alle Beschäftigungen gemeint sein, die weltlicher und alltäglicher Art sind. Es können aber auch Beschäftigungen gemeint sein, die dem Lebensunterhalt dienen. Soll „Timotheus“ also keinen Alltagsbeschäftigungen mehr nachgehen? Oder soll er nicht mehr selbst seinen Lebensunterhalt bestreiten? Geht es also darum, dass „Timotheus“ ein hauptamtlicher Kleriker sein soll, der so gut bezahlt wird, dass er sich nicht mehr um seinen eigenen Lebensunterhalt kümmern muss, sondern sich voll und ganz seinen geistlichen Aufgaben widmen kann? Eine solche Deutung ist schon deswegen nicht wahrscheinlich, weil in der Frühzeit des Christentums kirchliche Ämter erst im Entstehen begriffen waren und der Gedanke an hauptamtliche Stellen noch fern lag. Viel wahrscheinlicher ist, dass es „Paulus“ um die Konzentration auf das Wesentliche geht. Das Wesentliche ist, dass das Evangelium gemäß der „paulinischen“ (als paulinisch verstandenen) Theologie und Lehre verbreitet und den nachfolgenden Generationen unverfälscht überliefert wird. Von dieser entscheidenden Aufgabe dürfen weltliche Alltagsbeschäftigungen und die Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ablenken.
Soldaten haben einen Dienstherrn, sei es ein Land, ein Herrscher oder ein Feldherr. Der „Soldat Christi Jesu“ hat Jesus Christus als Dienstherrn. Diesem ist er unterstellt und rechenschaftspflichtig. „Timotheus“ soll mit seinem Verhalten und seiner Amtsführung Jesus Christus gefallen. Wenn wir uns bewusst machen, dass „Timotheus“ vermutlich kirchliche Amtsinhaber repräsentiert, dann wird die Tragweite der Ermahnung deutlich: Es geht nicht darum, dass ein längst verstorbener Mitarbeiter des Paulus sein Christenleben möglichst überzeugend führen soll, sondern es geht darum, dass kirchliche Amtsinhaber – speziell auch Bischöfe – sich auf ihre entscheidende Aufgabe konzentrieren, die „paulinische“ (als paulinisch verstandene) Theologie und Lehre zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass sie den nachfolgenden Generationen unverfälscht überliefert wird.
„Angeworben“ muss nicht unbedingt heißen, dass „Paulus“ hier einen Söldner im Blick hat. Für einen Söldner ist nämlich typisch, dass er nicht auf ein Land, einen Herrscher oder einen Feldherrn als Dienstherrn festgelegt ist. Er kämpft für alle Länder, Herrscher oder Feldherren, die ihn anwerben und dann für einen Sold in den Krieg schicken. „Angeworben“ dürfte folglich im Sinne von „in den Kriegsdienst gestellt“ zu deuten sein, und zwar im Sinne der Einziehung eines Wehrpflichtigen oder der Anwerbung eines dauerhaften Soldaten. Entscheidend ist, dass der Christ lebenslang einem einzigen Dienstherrn verpflichtet bleibt, nämlich Jesus Christus.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Es wird nicht gesagt, welches die Regeln sind. Auf das geistliche Leben übertragen heißt das, dass das Evangelium maßgeblich ist. Das Evangelium ist nämlich die für den Christen maßgebliche Regel. „Timotheus“ soll sich als Christ also nach dem Evangelium richten. „Paulus“ ist darüber hinaus aber wichtig, dass es sich um das Evangelium gemäß „paulinischer“ (als paulinisch verstandener) Theologie und Lehre handelt. In einer Welt, in der alle möglichen Religionen verbreitet sind und das Christentum verschiedene Ausprägungen erfährt, ist diese Konkretisierung wichtig. „Timotheus“ soll sich also an die „paulinische“ (als paulinisch verstandene) Theologie und Lehre halten und diese nachfolgenden Generationen unverfälscht überliefern.
Der Wettkampf ist keine unbeschwerte Freizeitbeschäftigung, sondern mit einem klaren Ziel versehen. Es geht nämlich darum, den Siegeskranz zu erlangen. Und um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es gehöriger Anstrengung. Dementsprechend ist auch die christliche Existenz mit Anstrengung, mit Mühen, verbunden. Die Verkündigung bedarf ebenso wie die Lehre erheblichen Einsatzes. Darüber hinaus bedarf sie angesichts der Anfeindungen in einer mehrheitlich heidnischen (und jüdischen) Umgebung auch der Bereitschaft zum Leiden, und zwar zum Mitleiden mit den anderen Christen und ganz besonders auch Paulus bzw. „Paulus“. Aber immerhin gibt es einen „Siegeskranz“ zu gewinnen, wobei die Sündenvergebung und das ewige Leben im Blick sein dürften.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Auch die dritte Analogie geht von Mühe, einem Dienstherrn und einer Belohnung aus. Das altgriechische Verb „kopiaô“ bedeutet nicht einfach nur „arbeiten“, sondern „sich abmühen“. Ein Bauer kann seinen Acker bzw. sein Landgut nur halbherzig bestellen. Dann ist damit zu rechnen, dass der Ertrag zu wünschen übrig lässt. Soll der Ertrag gut sein, dann muss der Bauer alle Kraft darein setzen, dass der Boden bzw. das Landgut möglichst gut bestellt wird. Nun ist aber nicht davon die Rede, dass der Bauer, der sich abmüht, viele „Früchte“ – „Früchte“ im Sinne von Ernte, gleich ob Getreide, Gemüse, Obst oder Vieh – erntet. Vielmehr ist ausgesagt, dass er als Erster Anspruch auf die „Früchte“ haben soll. Das setzt voraus, dass ein Landbesitzer viele Landarbeiter eingestellt hat. Der Bauer, der im Blick ist, ist also kein freier Bauer, der nur sich selbst verantwortlich ist, sondern ein Landarbeiter, der einem Landbesitzer, der ihn eingestellt hat, dauerhaft mit seiner Arbeitskraft dient und somit auch rechenschaftspflichtig ist. Und der Bauer, der sich abmüht und seine Arbeit gut verrichtet, soll von allen eingestellten Landarbeitern als Erster seinen Lohn bekommen. Auf „Timotheus“ übertragen heißt das: Er soll seine Arbeit für seinen „Herrn“, Jesus Christus, gut verrichten und auch Leid nicht scheuen. Dann wird ihm als Erstem Sündenvergebung und ewiges Leben zuteil werden. „Als Erstem“ ist nicht unbedingt im Sinne der zeitlichen Reihenfolge gemeint. Es geht vielmehr um das Maß des Anspruches, das jemand auf die Sündenvergebung und das ewige Leben hat. Dabei ist „Anspruch“ nicht im Sinne eines Verdienstes zu verstehen, sondern die Sündenvergebung und das ewige Leben werden von Jesus Christus bzw. Gott aus reiner Gnade gegeben. Aber mit einem vorbildlichen christlichen Leben kann sich ein Christ geradezu aufdrängen, dass ihm auch wirklich Sündenvergebung und ewiges Leben gegeben werden. Auch anderen Christen sind Sündenvergebung und ewiges Leben zugesagt, aber sie drängen sich dafür nicht in besonderem Maße auf, weshalb ihnen bei der Einlösung des Zugesagten kein Vorrang zukommt.Und wer zwar formal Christ ist, aber nicht seiner christlichen Bestimmung entsprechend lebt, kann nicht sicher auf die Einlösung des Zugesagten setzen.
Weiterführende Literatur:
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Beobachtungen: Mit V. 6 ist die Ermahnung zur Glaubensstärke, zur Weitergabe des Evangeliums gemäß der „paulinischen“ (für paulinisch gehaltenen) Theologie und Lehre sowie zum hingebungsvollen Einsatz für den Glauben abgeschlossen. Nun muss „Timotheus“ die Worte des „Paulus“ erst mal „verdauen“. Sofort einsichtig sind die Worte nicht, denn ein Glaube voller Mühen erscheint doch wenig attraktiv. Das gilt ganz besonders für einen unsicheren, zurückhaltenden und sensiblen Menschen wie „Timotheus“ (das Wesen des „Timotheus“ schimmert durch 2 Tim 1,4.7-8 hindurch). Aber „Timotheus“ soll die Worte bedenken und dann - so die Annahme des „Paulus“ -werden sie ihm einsichtig werden. Das wird aber nicht durch angestrengtes Nachdenken gehen, sondern nur durch Öffnung für das Wirken des „Herrn“, sei es Gott oder Jesus Christus. Der „Herr“ wird die Einsicht in allem geben.
„In allem“ wird nicht konkretisiert. Insbesondere die weisheitliche Literatur in der Bibel spricht von „Einsicht/Erkenntnis“ und verwendet den Begriff „synesis“. Gemeint ist die Einsicht in den Willen und das Handeln Gottes. Im Hinblick auf 2 Tim 2,7 bedeutet das, dass aufgrund der Eingabe durch den „Herrn“ dem „Timotheus“ die Worte des „Paulus“ vollständig einleuchten werden und ihm auch einsichtig wird, welcher Wille und welches Handeln seitens Gottes und/oder Jesu Christi den Worten zugrunde liegt. Wann „Timotheus“ die Einsicht gegeben wird, bleibt offen.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
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Roose, Hanna; Dienen und Herrschen: Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen, NTS 49/3 (2003), 440-446
Schnider, Franz; Stenger, Werner; Studien zum neutestamentlichen Briefformular (NTTS 11), 1987
Stewart, Randall, A Coptic Fragment of 2 Timothy, StPapy 21/1 (1982), 7-10
Trummer, Peter; "Treue Menschen" (2 Tim 2,2). Amtskriterien damals und heute, in P. Trummer, Aufsätze zum Neuen Testament (GrTS 12), Graz 1987, 95-135
Villalobos Mendoza, Manuel; When Men Were Not Men: Masculinity and Otherness in the Pastoral Epistles (The Bible in the Modern World 62), Sheffield 2014