Auslegung und Bibliographie zur Bibel


Zweiter Timotheusbrief

Zweiter Brief des Paulus an Timotheus

2

Tim 2,8-13

Studieren Sie die Bibel! Hier finden Sie einen Einstieg in die wissenschaftliche Auslegung von Bibeltexten mit Literaturangaben.

Wenn Sie diese Bibliographie zum ersten Mal nutzen, lesen Sie bitte die Hinweise zum Gebrauch.

Jede Seite enthält eine Übersetzung des jeweiligen Bibeltextes, sowie Beobachtungen (Vorbereitung der Auslegung), Hinweise zu weiterführender Literatur und eine abschließende Literaturübersicht.

2 Tim 2,8-13



Übersetzung


2 Tim 2,8-13 : 8 Denke an Jesus Christus, auferweckt von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, gemäß meinem Evangelium, 9 um dessentwillen ich Schlimmes erleide bis hin zu Fesseln wie ein Verbrecher; aber das Wort (des) Gottes ist nicht gefesselt. 10 Deshalb ertrage ich alles um der Auserwählten willen, damit auch sie die Rettung, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit erlangen. 11 Glaubwürdig ist das Wort: Sind wir (nämlich) mitgestorben, so werden wir (auch) mitleben; 12 halten wir stand, so werden wir (auch) mitherrschen; verleugnen wir, so wird auch jener uns verleugnen; 13 sind wir untreu, so bleibt jener [dennoch] treu; denn er kann sich selbst nicht verleugnen.



( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 8


Beobachtungen: 2 Tim 2,8-13 stellt den zweiten Teil der zweiten Ermahnung dar: Zunächst hat „Paulus“ „Timotheus“ zu furchtlosem Zeugnis nach seinem Vorbild bzw. nach dem Vorbild des Paulus ermahnt (vgl. 1,6-14). Darauf folgt als zweite Ermahnung eine Ermahnung zur Leidensnachfolge. Diese gliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil 2,1-7 mahnt „Paulus“ zu Glaubensstärke, zur Weitergabe des Evangeliums gemäß „paulinischer“ (für paulinisch gehaltene) Theologie und Lehre und zu vollem Einsatz für Glaube und „paulinische“ Theologie und Lehre trotz aller Bedrängnis. Im zweiten Teil (2,8-13) macht „Paulus“ deutlich, dass für den vollen Einsatz „Rettung“ und „ewige Herrlichkeit“ verheißen sind.


Bei der Verbform „egêgermenon“ handelt es sich um ein Partizip Perfekt im Passiv. Wer Jesus Christus auferweckt hat, bleibt offen, aber es kommt eigentlich nur Gott infrage. Wir haben es also mit einem passivum divinum zu tun. Die Zeitform Perfekt weist darauf hin, dass das Geschehen eine besondere Bedeutung für die Gegenwart, für die Existenz der Christen, hat. Diese ist im Lichte der Auferweckung Christi von den Toten zu verstehen.


Jesus Christus ist aus dem „Geschlecht Davids“. Der Begriff „sperma“ bedeutet zunächst einmal „Samen“ und meint den Samen des Mannes, der der Befruchtung einer Eizelle und daraus folgend der Entstehung von Nachkommen dient. Diese Nachkommenschaft wird als „Geschlecht“ bezeichnet. Wenn Jesus Christus also aus dem „Geschlecht Davids“ stammt, dann ist er ein Nachkomme Davids. Auch diese Information dient nicht dem reinen Wissen, sondern ist eine Heilsaussage. Die Propheten Nathan (vgl. 2 Sam 7,12-13) und Jesaja (vgl. Jes 9,6) haben verkündet, dass es sich bei dem erhofften Heilskönig, dem Messias, um einen Nachkommen des Königs Davids handele. Gemäß 1 Tim 2,8-13 ist Jesus Christus der verheißene Heilskönig aus dem Geschlecht Davids, dessen Herrschaft das Heil aller derer, die an ihn glauben, begründet.


Wie kommt „Paulus“ dazu, von „meinem Evangelium“ zu sprechen? Gibt es etwa nicht nur ein einziges Evangelium, sondern kann ein Mensch auch sein eigenes Evangelium haben? Die Formulierung ist keine Erfindung des „Paulus“, des Verfassers des 2 Tim, sondern findet sich schon im vermutlich echt paulinischen Römerbrief (2,16; 16,25). Wenn Paulus von „seinem Evangelium“ spricht, so bedeutet das, dass er das Evangelium verinnerlicht hat. Außerdem lässt die Formulierung anklingen, dass es die Möglichkeit gibt, dass Prediger ein anderes Evangelium als das paulinische verkündigen. Paulus akzeptiert aber nur seine eigene Verkündigung als (wahres) Evangelium (vgl. Gal 1,6-7). „Paulus“ dürfte die Formulierung mit Blick auf den Römerbrief gewählt haben, weshalb sie in 2 Tim 2,8 wohl gleich zu deuten ist.


Weiterführende Literatur: Mit der Auferstehung bei Paulus und in den Pastoralbriefen befasst sich R. F. Collins 2002, 423-440. Die paulinische Rede von der Auferstehung fehle in den Pastoralbriefen weitgehend. Die Auferstehung Jesu komme in den Pastoralbriefen nur ein einziges Mal zur Sprache, nämlich in 2 Tim 2,8. Der Verfasser des 2 Tim zitiere eine traditionelle Glaubensaussage und entwickle dann daraus die Schlussfolgerungen in Hinblick auf das Heil. Dabei sei das in V. 8-13 enthaltene Material traditioneller Art. Ganz wesentlich sei das Gedenken, was dem testamentarischen Charakter des 2 Tim entspreche.


Zur Christologie der Pastoralbriefe siehe J. Roloff 1991, 155-167. Der Verfasser der Pastoralbriefe verstehe sich als Sachwalter des theologischen Erbes des Paulus, und sein ganzes Bemühen ziele darauf ab, paulinische Gedanken und Motive zu bewahren und in neuer, situationsgemäßer Interpretation der paulinischen Gemeinden zu erschließen. Aber trotz dieses entschlossenen Festhaltens an der paulinischen Tradition komme es zu einer nicht unerheblichen Verschiebung der Akzente, und zwar wohl hauptsächlich infolge der Veränderung bzw. des Abbaus jener theologischen Rahmenbedingungen, die für die dramatische Stoßkraft der paulinischen Christologie maßgeblich gewesen seien, nämlich des Geschichtsverständnisses, des Weltverständnisses und der Anthropologie. Was das Geschichtsverständnis betrifft, so wirke sich das Zurücktreten der heilsgeschichtlichen Perspektive aus. Eine im Schrifttum der dritten christlichen Generation vor allem im paulinischen Bereich mehrfach zu beobachtende Israelvergessenheit trete im nahezu völligen Fehlen von alttestamentlichen Zitaten und Schriftbeweisen zutage. Das Christusgeschehen komme in den Pastoralbriefen nicht mehr als Antwort auf die Frage nach der Erfüllung des Handelns Gottes an Israel in den Blick. Das Weltverständnis der Pastoralbriefe sei – auch wenn Bosheit und Irrtum, Verwirrung und sündiger Widerstand gegen Gott zur Sprache kämen - nahezu uneingeschränkt positiv, auf jeden Fall positiver als das Weltverständnis des Paulus, der die Verderbensmacht der Sünde in den Vordergrund stelle. Und hinsichtlich der Anthropologie sei das Sündenverständnis verflacht. Zwar erscheine der vorchristliche Mensch als Sünder, dessen widergöttliches Verhalten sich in Lastern und moralischer Unordnung manifestiere, doch werde die Sünde nicht als eine den Menschen versklavende Unheilsmacht gesehen.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 9


Beobachtungen: Der Einsatz für das Leben ist der Grund dafür, dass „Paulus“ Schlimmes erleidet. Zu dem Schlimmen gehört auch die Gefangenschaft, die „Fesseln“. Nun stellt sich die Frage, wie „bis hin zu“ zu verstehen ist. Ist ein zeitlicher Aspekt im Blick, wonach „Paulus“ nun am Ende seines Wirkens die Gefangenschaft erleidet? Oder geht es um eine Steigerung, wonach die Gefangenschaft der Gipfel des Schlimmen ist? Was das Leben des Paulus angeht, so erfolgte die Gefangenschaft tatsächlich am Lebensende. Da in der Bibel vom Tod des Paulus nichts geschrieben steht, bleibt eine gewisse Unsicherheit, ob er nicht vielleicht doch aus dem Gefängnis freigekommen ist und weiter wirken konnte. Aus der Sicht des gefangenen Paulus bzw. „Paulus“ dürfte die Gefangenschaft aber wohl als Ende des Wirkens auf Reisen verstanden worden sein. Und die Legende besagt ja, dass Paulus nicht freigekommen, sondern hingerichtet worden ist. Kann die Gefangenschaft als Gipfel des Schlimmen angesehen werden? Vergleicht man die Gefangenschaft, die nicht unbedingt mit körperlicher Misshandlung seitens der Gefängniswärter verbunden ist, mit körperlichen Misshandlungen, wie sie Paulus erlitten hat, dann scheint die Gefangenschaft das kleinere Übel zu sein. Aber „Paulus“ spricht etwas an, was die Gefangenschaft als etwas besonders Schlimmes erscheinen lassen mag: Die Gefangenschaft wird gewöhnlich Verbrechern zuteil. Für einen Menschen, der sich für das Evangelium und damit für das Heil der Menschen einsetzt, ist das die völlig falsche Behandlungsweise. Und weil die Gefangenschaft eine starke Einschränkung der Verbreitung des christlichen Glaubens darstellt und somit das Heil von vielen Menschen gefährdet, kann auch der Gedanke an einen Gipfel des Schlimmen aufkommen.

Allerdings heißt es, dass das Wort Gottes nicht gefesselt ist. Es kann also weiter verbreitet werden. Das kann auf offene Haftbedingungen hinweisen, die weiter die Predigt oder zumindest die Übergabe von Briefen ermöglichen (vgl. Apg 28,30-31), und/oder auf die Tatsache, dass die Verbreitung des Evangeliums auch durch andere Menschen als Paulus bzw. „Paulus“ erfolgt.


Weiterführende Literatur: C. M. Pate 1993 geht davon aus, dass allen paulinischen Schlüsseltexten zum Leiden das Muster der Herstellung von Adams Herrlichkeit durch gerechtes Leiden zugrunde liege. Auf S. 327-333 befasst er sich mit 2 Tim 2,8-13: In den Pastoralbriefen seien Leid und Herrlichkeit nicht voneinander zu trennen. In 2 Tim 2,8-13 werde dies durch folgende Kontraste deutlich: Christi Tod / Christi Auferstehung (V. 8), Leiden des Paulus / Herrlichkeit des Paulus (V. 9-10), der Tod der Gläubigen mit Christus / das Leben der Gläubigen mit Christus (V. 11), Standhaftigkeit für Christus / Herrschaft mit Christus (V. 12).


Laut M. Villalobos Mendoza 2014, 192-198 seien die Aussagen der Pastoralbriefe auf eine Verfestigung der antiken Sklaverei ausgerichtet. Sie folgten der griechisch-römischen Vorstellung, wonach manche Menschen geboren seien, um zu herrschen, andere dagegen, um beherrscht zu werden. Mit der Lehre des Paulus habe das ebenso wenig zu tun wie mit der Lehre Jesu, die neuartige Beziehungen im „Haus“ angestrebt hätten.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 10


Beobachtungen: „Paulus“ erträgt all das Leid nicht nur, um selbst das Heil zu erlangen, sondern um der Auserwählten willen. Zwar sagt „Paulus“ nicht, wer die Erwählten sind, aber das lässt sich erschließen: Zunächst einmal lässt sich sagen, dass es sich um Menschen „in Christus“ handelt, also um Christen. Dabei spielt keine Rolle, ob diese Menschen bereits Christen sind oder erst noch zum christlichen Glauben kommen. „Paulus“ spricht nicht vom Ist-Zustand, sondern vom angestrebten Heil. Und das Christsein ist kein Blankoscheck für das Heil (vgl. 2,12), sondern verlangt entsprechendes Verhalten. „Paulus“ versteht sich als Herold, Apostel und Lehrer. Er verkündigt also das Evangelium und ermöglicht so, dass die Menschen zum christlichen Glauben kommen können. Und als Lehrer versucht er sicherzustellen, dass die Gläubigen auch tatsächlich der rechten Theologie und Lehre folgen und diese unverfälscht den kommenden Generationen überliefert wird. Dafür „outet“ er sich in der mehrheitlich heidnischen (und auch jüdischen) Gesellschaft als Christ und nimmt Leid auf sich. Darin sieht er sich als Vorbild für „Timotheus“ und alle Christen. Die „Auserwählten“ dürften also alle Christen sein, aber nur diejenigen, die der „paulinischen“ Theologie und Lehre folgen und bereit sind, sich auch unter Bedrängnis zum christlichen Glauben zu bekennen, erlangen das Heil.


Das Heil wird als „Rettung, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit“ präzisiert. Es handelt sich um eine Rettung vor dem Verderben bzw. ewigen Tod. Die Rettung führt zu ewiger Herrlichkeit. Der altgriechische Begriff "doxa" kann mit "Ehre", "Ruhm", "Glanz" oder "Herrlichkeit" übersetzt werden. Alle diese Aspekte sind miteinander verbunden, wie prächtige Gewänder und prächtiger Schmuck von Herrschern zeigen. Die Geretteten bekommen also an Jesu Christi bzw. Gottes Ehre, Ruhm, Glanz und Herrlichkeit Anteil, und zwar ewig.


Weiterführende Literatur:


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 11


Beobachtungen: Der altgriechische Begriff „logos“ („Wort“) meint hier kein einzelnes Wort, sondern eine Aussage (oder mehrere Aussagen) oder das ganze Evangelium. Welche Aussage könnte gemeint sein? Die Aussage „Jesus Christus, auferweckt von den Toten, aus dem Geschlecht Davids, gemäß meinem Evangelium“ findet sich in V. 8, also recht weit von V. 11 entfernt. Außerdem handelt es sich um eine Aussage zu Jesus Christus, dem Messias/Heiland, nicht aber zum (Un-)Heil der Christen. Um das (Un-)Heil der Christen geht es in den hymnisch anmutenden V. 11-13. Dabei ist das „Wort“ sicherlich nicht als Gedankenkonstrukt des „Paulus“ gedacht, sondern als biblisch fundiert, als im Evangelium begründet. Die christologische Begründung bietet V. 8. Sie sagt wohl den Kern des Evangeliums aus. Die V. 11-13 mögen Traditionsmaterial übernommen haben, doch ist eine Ähnlichkeit mit der Tauftheologie von Röm 6 offensichtlich. Hinzu kommt die Aussage Jesu zur Verleugnung in Mt 10,33 (vgl. Mk 8,38; Lk 12,9). Wir können also „Glaubwürdig ist das Wort“ wie folgt deuten: Die V. 11-13 sind nicht nur daher geredet, sondern sie sind glaubwürdig bzw. zuverlässig und werden sich so erfüllen. Sie sind kein Gedankenkonstrukt des „Paulus“, sondern entsprechen dem Evangelium, und zwar gemäß paulinischer Theologie und Lehre. Sie folgen paulinischer Tauftheologie, wie sie sich in Röm 6 findet. Und was zur Verleugnung ausgesagt ist, hat bereits Jesus (in Mt 10,33; vgl. Mk 8,38; Lk 12,9) so ausgesagt. „Paulus“ sagt das nicht so, aber all das klingt an.


Bezüglich der Formulierung „sind wir mitgestorben“ stellt sich zunächst die Frage „Mit wem?“. Weil es in 2 Tim und anderen biblischen Schriften um das Heil des Menschen geht, muss das Sterben für das Heil relevant sein. Als ein solcher Tod kommt aus christlicher Sicht nur der Kreuzestod Jesu infrage. Der Kreuzestod Jesu ist ein ganz besonderer Tod, denn er ist mit Sündenvergebung verbunden. Zudem ist Jesus von den Toten auferweckt worden und gen Himmel aufgefahren. Als von den Toten Auferweckter lebt er. Es ist allerdings kein Leben im Diesseits, sondern im Jenseits, im Himmel. Es geht in V. 11 also um das Mitsterben mit Jesus. Aber wie können wir mit Jesus mitsterben? Es liegt nahe, dies auf den leiblichen Tod zu beziehen. Jedoch ist der natürliche, durch Krankheit oder ein Unglück verursachte Tod nicht mit Jesu Kreuzestod gleichzusetzen, denn er hat keinerlei Heilsrelevanz. Er begründet keine Auferweckung von den Toten. Auch ist der natürliche, durch Krankheit oder ein Unglück verursachte Tod nicht auf Christen begrenzt. Nichtchristen können aber sicher nicht mit Jesus mitsterben. Also muss „mitsterben“ im übertragenen Sinn gemeint sein und sich auf eine symbolische Handlung beziehen, die im Bewusstsein Jesu Kreuzestodes, der Sündenvergebung und der Auferweckung von den Toten geschieht. Eine solche Handlung ist die Taufe, mit der der Mensch in den Macht-, Wirk- und Heilsraum Jesu Christi eintritt. Die Taufe kann - durch das Untertauchen im Wasser symbolisiert - als Tod gedeutet werden und als Neugeburt. Das alte Leben stirbt ab und ein neues, christliches Leben entsteht. Die Taufe ist als Mitsterben zu verstehen und bringt ein Mitleben mit sich, denn mit der Taufe und dem Eintritt in den Macht-, Wirk- und Heilsraum Jesu vollzieht der Mensch das Heilsgeschehen gleichsam mit. Nun ist aber auch ein Christ damit nicht wie Jesus. Ein Christ ist nicht Gottes Sohn oder Gottes Tochter. Insofern muss es eine andere Begründung geben, weshalb er von den Toten auferweckt wird. Eine solche Begründung ist die Sündenvergebung, die der Glaube an den Kreuzestod Jesu für unsere Sünden bewirkt. Und wenn wir wegen der Sündenvergebung von Gott von den Toten auferweckt werden, dann erlangen wir das ewige Leben, leben also mit Jesus im Himmel mit.


Weiterführende Literatur: In den Pastoralbriefen findet sich fünfmal die Formel „pistos ho theos“ („glaubwürdig ist das Wort“: 1 Tim 1,15; 3,1; 4,9; 2 Tim 2,11; Tit 3,8). Dabei ist umstritten, ob die Formel den Worten, auf die sie sich bezieht, vorausgeht oder folgt. R. A. Campbell 1994, 73-86 macht anhand von formkritischen Argumenten deutlich, dass sie ihnen stets vorausgingen, sie also einleiteten.


Laut R. Riesner 2007, 305-339 nähmen die meisten Ausleger an, dass in 2 Tim 2,11b-13 ein bewusst geformtes Stück vorliege, welches Tradition(en) verarbeitet habe.Während die oft verwandte Kennzeichnung als Hymnus problematisch sei, handele es sich aufgrund des Aufbaus in gleichartigen Parallelismen ohne Zweifel um einen gut behältlichen Text. Er folge dem Schema a/b, a’/b’, c/d, c’/d’ mit einer abschließenden Kola. Es handele sich um ein katechetisches Traditionsstück paränetischen Inhalts. Doch welche Traditionen liegen dem Stück zugrunde? Zur ersten Zeile (V. 11b) gebe es mögliche Berührungen mit vorlukanisch-johanneischer Tradition (Joh 5,24; 12,24-26 / Lk 17,33 [14,26]), zur dritten Zeile (V. 12b) eine Parallele in der Q-Überlieferung (Lk 12,9 / Mt 10,33), zur zweiten (V. 12a) sowie zur vierten (V. 13a) und fünften Zeile (V. 13b) deutliche Parallelen in der lukanischen Sonderüberlieferung (Lk 22,28-30.32-34).


Gemäß M. Gourgues 2008,1-16 fänden sich in der Glaubensaussage 2 Tim 2,8.11-13 die Charakteristika einer traditionellen, der Gemeindeliturgie entnommenen Formel. Durch ihre Einfügung in 2 Tim sei ihr jedoch eine neue Rolle gegeben: Habe es sich im ursprünglichen Kontext um eine Taufunterweisung gehandelt, so stelle sie nun eine Ermutigung des Paulus und Timotheus in einer schwierigen Phase ihrer missionarischen Arbeit dar.


Das kurze, sorgfältig aufgebaute „Gedicht“ 2 Tim 2,11-13 unbekannter Herkunft, in dem Paulus das Thema „Treue“ entwickle, erreiche laut S. Bénétreau 2011, 15-28 drei Ziele: a) Es eröffne dem Gläubigen reichhaltige und anregende Perspektiven („mit Christus leben und herrschen“); b) es erinnere daran, dass das christliche Leben fordernd ist („mit ihm sterben und standhalten“), und verlange ein besonderes Maß an Wachsamkeit (Gefahr der „Untreue“, ja sogar der „Verleugnung“); c) es preise die unverbrüchliche Treue Christi, die feste Grundlage, auf der sich mit Vertrauen aufbauen lasse.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 12


Beobachtungen: Christliche Existenz ist kein Zuckerschlecken, sondern mit Bedrängnis und Leiden verbunden. Um am Heil Anteil zu behalten, muss der Christ - besonders ein christlicher Amtsträger - trotz aller Bedrängnis und allem Leid im Macht-, Wirk- und Heilsraum Jesu bleiben. Er muss also standhaft bleiben und sich zu seinem christlichen Glauben bekennen.

Wenn er das tut, wird er mitherrschen. Jesus Christus lebt also nicht nur, sondern er herrscht auch. Inwiefern er herrscht, konkretisiert „Paulus“ hier zwar nicht, aber Jesus Christus hat den Tod überwunden, weshalb er sicherlich über den Tod herrscht. Auch die Christen überwinden mit ihrer Auferweckung von den Toten den Tod, weshalb sie mitherrschen. Jesus Christus herrscht vermutlich auch über die „Mächte und Gewalten“, denn die sind auf das Diesseits begrenzt und/oder überwinden den Tod nicht. Sie sind für das Heil der Menschen also irrelevant und somit machtlos, können also nicht als Herrscher angesehen werden. Sie werden vielmehr von Jesus Christus als Weltenherrscher beherrscht. Auch diesbezüglich bekommen die Christen wohl an der Herrschaft Jesu Christi Anteil.


Das Christsein ist kein Blankoscheck für das Heil. Wer zu seinem Glauben nicht steht und Jesus Christus verleugnet, den wird auch Jesus Christus (= „jener“) verleugnen. Weil ein solcher Mensch aus dem Macht-, Wirk- und Heilsraum Jesu heraustritt, bekommt er am Heil, nämlich an der „Rettung“ (vor dem ewigen Tod) und der „ewigen Herrlichkeit“, keinen Anteil. Er mag formal Christ sein und sich selbst auch als Christ ansehen, aber für Jesus Christus ist er kein Christ.

Bemerkenswert ist der Wechsel vom Präsens „hypomenomen“ („halten wir stand“) zum Futur „arnêsometha“ („werden wir verleugnen“). Für das Futur gibt es zwei mögliche Erklärungen: Es kann eine eher unwahrscheinliche Eventualität ausdrücken oder eine Handlung, die in der Zukunft erfolgt. Bezüglich einer zukünftigen Handlung stellt sich die Frage, wann in der Zukunft das Verleugnen erfolgen mag: Erfolgt es zu Lebzeiten des (Pseudo-)Christen oder erfolgt es beim Jüngsten Gericht? Entscheidet man sich für letztere Antwort, dann stellt sich eine neue Frage: Und was passiert, wenn jemand zu seinen Lebzeiten verleugnet? Da unwahrscheinlich ist, dass „Paulus“ unnötig diese neue Frage aufwirft, haben wir eher davon auszugehen, dass das Verleugnen sowohl zu Lebzeiten des (Pseudo-)Christen als auch beim Jüngsten Gericht erfolgen kann. Es kann eine Verleugnung aus Angst vor Verfolgung oder ein bewusster Glaubensabfall sein, die Konsequenz ist stets die gleiche: Auch jener, Jesus Christus, wird uns verleugnen. Auch diese Aussage ist kein Gedankenkonstrukt des „Paulus“, sondern findet sich auch in Mt 10,33 (vgl. Mk 8,38; Lk 12,9).

Eine Variante bietet statt des Futurs „arnêsometha“ („werden wir verleugnen“) das Präsens „arnoumetha“ („verleugnen wir“). Eine Anpassung an die präsentischen Verbformen „hypomenomen“ („halten wir stand“; V. 12) und „apistoumen“ („sind wir untreu“; V. 13) wahrscheinlich.


Weiterführende Literatur: Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen siehe H. Roose 2003, 440-446: Die Gemeindeleiter seien zum Lehren verpflichtet. Ihr Lehren habe soteriologische Funktion, und sie seien dazu angehalten, dieses Heilsangebot auch gegenüber Irrlehrern offen zu halten. Das heiße auch, dass sich die Gemeindeleiter nicht bedeckt halten dürfen. Sie sollten lehren, auch wenn ihnen das Repressalien einbringt. Die Pastoralbriefe ließen keinen Zweifel daran, dass das Lehren mit Leid gekoppelt ist. Die Bereitschaft, dieses Leid auf sich zu nehmen – unter Umständen bis hin zum Märtyrertod (vgl. 2 Tim 4,6) -, werde unzweideutig eingefordert. Die Gemeindeleiter dienten also in der Tat der Gemeinschaft, indem sie lehren. Denn sie stellten dadurch ihre Leidensbereitschaft unter Beweis und vermittelten den Gemeindeangehörigen das Heilsangebot des Evangeliums. Dem Verfasser der Pastoralbriefe sei vermutlich die hinter Mk 10 stehende Tradition – insbesondere das Ideal des Dienens und Leidens in pointierter Abgrenzung von der Herrschaft – bekannt gewesen. Er forme ein Bild vom lehrenden Gemeindeleiter, das diesem Ideal in wesentlichen Punkten entspricht. So stehe auch der gesamte Abschnitt 2 Tim 2,3-13 unter der Aufforderung „Leide mit!“ (vgl. V. 3). Bei dem Soldaten Christi bleibe offen, welcher Lohn ihn erwartet. Gegenüber 1 Tim 5,18 sei in 2 Tim 2,3-13 eine entscheidende Akzentverschiebung zu verzeichnen: Es gehe nicht darum, welchen irdischen Lohn die Presbyter (= Soldaten Christi) verdienen, sondern welcher eschatologische Lohn ihnen zusteht. Als Belohnung werde ihnen die eschatologische Herrschaft in Aussicht gestellt.


( Nach oben ) ( Literaturübersicht )

V. 13


Beobachtungen: Ein Christ, der in der Bedrängnis nicht standhaft bleibt, sondern Jesus Christus verleugnet, ist Jesus Christus untreu. Treue zeigt sich im Bekenntnis zu Jesus Christus, auch in der Bedrängnis. Wenn ein Mensch, der Jesus Christus verleugnet, auch von Jesus Christus verleugnet wird, wie kann „Paulus“ dann in V. 13 sagen, dass Jesus Christus dem, der untreu ist, dennoch treu bleibt? Ist das nicht ein Widerspruch? Was ist denn überhaupt mit der Treue Jesu Christi gemeint? Eins können wir V. 12 entnehmen: Die Treue Jesu Christi bedeutet nicht, dass Jesus Christus dem Christen unabhängig von seinem Verhalten am Heil Anteil gewährt. Ist damit jede Hoffnung auf das Heil verflogen? Die Antwort lautet: Nein! Und hier kommt nun die Treue Jesu Christi ins Spiel: Die Heilszusage bleibt, unabhängig vom Verhalten des Menschen bzw. Christen. Ein Christ kann sich jederzeit wieder zu Jesus Christus bekennen und entsprechend leben. Wenn das geschieht, bekommt er am zugesagten Heil Anteil. Diesbezüglich ist Jesus Christus treu.


Weiterführende Literatur:



Literaturübersicht


Bénétreau, Samuel; Mini-poème pour une double fidélité: 2 Timothée 2.11-13, TheolEv 10/1 (2011), 15-28

Campbell, R. Alastair; Identifying the Faithful Sayings in the Pastoral Epistels, JSNT 54 (1994), 73-86

Collins, Raymond F.; What Happened to Jesus' Resurrection from the Dead? A Reflection on Paul and the Pastoral Epistles, in: R. Bieringer et al. [eds], Resurrection in the New Testament (BETL 165), Leuven 2002, 423-440

Gourgues, Michel; "Remember Jesus Christ" (2 Tim 2:8,11-13): From a Baptismal Instruction to an Encouragement Addressed to Missionaries, PIBA 31 (2008), 1-16

Pate, C. Marvin; The Glory of Adam and the Afflictions of the Righteous: Pauline Suffering in Context, Lewiston, New York et al. 1993

Riesner, Rainer; Taufkatechese und Jesus-Überlieferung. (2 Tim 2,11-13; Röm 6,3-11; Jak 1,2-27; 1 Petr 1-4; 1 Joh 2,7-29; 1 Kor 1,15-22), in: V. A. Lehnert, U. Rüsen-Weinhold [Hrsg.], Logos - Logik - Lyrik. Engagierte exegetische Studien zum biblischen Reden Gottes (ABiG 27), FS K. Haacker, Leipzig 2007, 305-339

Roloff, Jürgen; Der Weg Jesu als Lebensnorm (2 Tim 2,8-13). Ein Beitrag zur Christologie der Pastoralbriefe, in: C. Breytenbach; H. Paulsen [Hrsg.], Anfänge der Christologie, FS F. Hahn, Göttingen 1991, 155-167

Roose, Hanna; Dienen und Herrschen: Zur Charakterisierung des Lehrens in den Pastoralbriefen, NTS 49/3 (2003), 440-446

Villalobos Mendoza, Manuel; When Men Were Not Men: Masculinity and Otherness in the Pastoral Epistles (The Bible in the Modern World 62), Sheffield 2014

( Impressum )   ( Datenschutzhinweise )