2 Tim 3,1-9
Übersetzung
2 Tim 3,1-9:1 Das sollst du wissen, dass in [den] letzten Tagen schwere Zeiten anbrechen werden; 2 denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, heillos, 3 lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht, roh, dem Guten abgeneigt, 4 Verräter, unbesonnen, aufgebläht, mehr das Vergnügen liebend als Gott. 5 Den Schein der Frömmigkeit wahren sie, verleugnen [aber] deren Kraft. (Und) Von diesen [Menschen] wende dich ab! 6 Zu ihnen gehören auch die, die sich in die Häuser einschleichen und Weibspersonen einfangen, die mit Sünden beladen und von mancherlei Begierden getrieben sind, 7 die immerfort am Lernen sind und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können. 8 Auf dieselbe Weise aber wie Jannes und Jambres dem Mose widerstanden, so widerstehen auch diese [Menschen] der Wahrheit: Menschen, verdorben im Denken, nicht bewährt im Glauben. 9 Doch sie werden keine weiteren Fortschritte machen, denn ihr Unverstand wird allen offenbar werden, wie es auch bei jenen [beiden] der Fall war.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: In 2,14-3,9 befasst sich „Paulus“ damit, wie mit den Irrlehrern umgegangen werden soll. In 2,14-21 hat er dazu gemahnt, von Irrlehrern und Irrlehren Abstand zu nehmen, in 2,22-26 dazu, mit Irrlehrern und ihren Anhängern nicht zu diskutieren. Die Diskussionen führten nämlich nur zu Streitereien und könnten die Irrlehrer und ihre Anhänger nicht zum rechten Glauben bekehren. In 3,1-9 nun befasst er sich mit der Irrlehre als endzeitlichem Problem.
„Kairoi chalepoi“ kann mit „schwere Zeiten“, „schlimme Zeiten“ oder mit „böse Zeiten“ übersetzt werden. Auf jeden Fall handelt es sich um eine Zeit, die von einer bestimmten Art Menschen geprägt ist, nämlich von Menschen, mit denen schwer umzugehen ist. Der schwere Umgang mit diesen Menschen ist für einen kirchlichen Amtsträger von besonderer Relevanz und in 2,14-3,9 geht es ja um den richtigen Umgang mit den Irrlehrern. Die Irrlehrer gehören zu den schwierigen Menschen. Folglich gibt die Übersetzung „schwere Zeiten“ am besten den Sinn der Formulierung wieder. Aber natürlich können die schwierigen Menschen auch moralisch als böse bewertet werden. Insofern passt auch die Übersetzung „böse Zeiten“, wenn sie auch nicht die vorrangige Bedeutung wiedergibt. Unter dem Gesichtspunkt des Heils der Menschen ist das vielfache Auftreten schwieriger Menschen, die selbst dem Verderben anheim fallen und auch andere Menschen dem Verderben zuführen, schlimm. Insofern passt auch die Übersetzung „schlimme Zeiten“, die aber ebenfalls nicht die vorrangige Bedeutung wiedergibt.
Die „schweren Zeiten“ werden anbrechen, d. h. sie sind noch nicht angebrochen. Insofern dürfte das gegenwärtige Wirken der Irrlehrer nicht mit den „schweren Zeiten“ gleichzusetzen sein. „Paulus“ bereitet vielmehr „Timotheus“ auf die zukünftigen „schweren Zeiten“ vor. Das gegenwärtige Wirken der Irrlehrer ist wohl als ein Vorspiel auf das zu verstehen, was in Zukunft noch bevorsteht. Dabei scheint „Paulus“ davon auszugehen, dass die „letzten Tage“ nicht erst in ferner Zukunft sein werden. Dass noch Tausende von Jahren vergehen werden, scheint „Paulus“ nicht anzunehmen. Somit scheint er auch nicht anzunehmen, dass sich eine komplexe Kirchenleitung und -verwaltung entwickelt. Die Aussagen zu den kirchlichen Amtsinhabern sind auf gegenwärtige Notwendigkeiten ausgerichtet, in Sichtweite der „letzten Tage“. Auf die „schweren Zeiten“ in diesen „letzten Tagen“ gilt es sich vorzubereiten.
Weiterführende Literatur:
Beobachtungen: Die V. 2-4 enthalten einen Lasterkatalog. Es werden alle möglichen Laster, Schlechtigkeiten, aufgezählt, die deutlich machen sollen, wie verdorben die Menschen in den letzten Tagen sein werden. Es ist nicht notwendig, alle Laster genau zu deuten. Es geht weniger um die einzelnen Laster als vielmehr um die Gesamtheit der Laster. Es handelt sich um eine außergewöhnlich lange Aufzählung von Lastern, nämlich um die zweitlängste im gesamten NT. Die Länge der Aufzählung soll deutlich machen, wie immens die Schlechtigkeit der Menschen in den letzten Tagen sein wird.
„Die Menschen“ können alle Menschen sein, seien es Heiden, Juden oder Christen. Es geht also nicht darum, die schlechten Heiden (oder Juden) den guten Christen gegenüberzustellen. Auch die christlichen Gemeinden werden von der Schlechtigkeit betroffen sein und darauf müssen sich die kirchlichen Amtsträger, deren Arbeit schwer sein wird, einstellen. Schon die gegenwärtigen Irrlehrer sind ja ein Hinweis darauf, denn es dürfte sich bei ihnen um Christen handeln, die auf Abwege geraten sind (vgl. 2 Tim 2,18.26). Wir haben uns wohl die Irrlehrer als Vorboten der schweren Zeiten und als Prototyp der lasterhaften Menschen vorzustellen.
Fraglich ist, wie „Paulus“ darauf kommt, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten anbrechen werden. Nimmt er an, dass – von den gegenwärtigen Irrlehrern ausgehend – die Schlechtigkeit der Menschen immer weiter zunimmt? Das würde bedeuten, dass die kirchlichen Amtsträger, die recht verkündigen und lehren, weitgehend einflusslos sind und die Verbreitung der Irrlehren nicht aufhalten können. „Paulus“ würde pessimistisch seinen eigenen Anweisungen an „Timotheus“, stellvertretend für alle kirchlichen Amtsträger und speziell Bischöfe, nur geringes Gewicht beimessen. Er würde zwar Anweisungen geben und mahnen, aber von keiner nennenswerten Wirkkraft der Anweisungen und Mahnungen ausgehen. Dass ihn ein solcher Pessimismus leitet, ist nicht wahrscheinlich, zumal er ja in V. 9 davon ausgeht, dass die Irrlehrer in ihrem Tun nicht weiter vorankommen. Wahrscheinlicher ist, dass „Paulus“ einen verbreiteten Topos von der Verderbnis der letzten Tage (vor dem Weltende) aufnimmt und die gegenwärtigen Irrlehrer und Irrlehren im Lichte dieser Verderbnis deutet. Damit würde er die gegenwärtige Schwere der Arbeit der kirchlichen Amtsträger im Lichte der endzeitlichen schweren Zeiten sehen.
Weiterführende Literatur: Mit den Lasterkatalogen in den Pastoralbriefen befasst sich R. F. Collins 2011, 7-31. Bei dem Lasterkatalog handele es sich um eine literarische Form, die oft von den antiken Moralphilosophen – insbesondere von den Stoikern und Kynikern - verwendet worden sei. Der Lasterkatalog zähle eine Vielzahl von Lastern auf, um diejenigen zu diskreditieren, deren Lebensstil die Moralphilosophen kritisierten. Auch in den Pastoralbriefen fänden sich Lasterkataloge (1 Tim: 5; 2 Tim: 1; Tit: 2). Entscheidend sei die Wirkung der gesamten Aufzählung, nicht die Bedeutung einzelner Laster. Von den vielen in den Pastoralbriefen aufgezählten Lastern handelten nur zwei von der Sexualität. Diese würden jeweils nur einmal erwähnt. Die Verfasser der Pastoralbriefe seien mehr an persönlichen Qualitäten als an abstrakten moralischen Aspekten interessiert. Meist seien die Laster als Adjektive oder Partizipien formuliert, seltener als Nomen.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Der Verfasser des 2 Tim erklärt nicht, was er unter „Frömmigkeit“ („eusebeia“) versteht. Im 1 Tim meint „Frömmigkeit“ den rechten Glauben .. Der rechte Glaube ist eng mit dem rechten, weil gottgefälligen Verhalten verbunden. Diese Bedeutung haben wir auch 2 Tim zugrunde zu legen, sofern der Verfasser des 2 Tim mit dem Verfasser des 1 Tim identisch ist. Das ist durchaus möglich, weil sich beide Verfasser als „Paulus“ ausgeben (vgl. 1 Tim 1,1; 2 Tim 1,1) und die Theologie gleich oder zumindest ähnlich ist. Aber auch wenn es sich um zwei verschiedene Verfasser handelt, ist eine solche Bedeutung wahrscheinlich, weil im 2 Tim keine andere Bedeutung auszumachen ist. Der Verfasser des 2 Tim setzt voraus, dass die Adressaten ohne Erklärung verstehen, was mit „Frömmigkeit“ gemeint ist.
Die lasterhaften Menschen sind als solche nicht gleich zu erkennen und werden als solche auch nicht gleich zu erkennen sein. Dem Schein nach sind sie nämlich fromm. Weil der Verfasser des 2 Tim, „Paulus“, die Irrlehrer wohl als Prototyp der lasterhaften Menschen der Endzeit ansieht und es sich bei den Irrlehrern um Menschen handelt, die ehemals dem rechten Glauben anhingen (vgl. 2 Tim 2,16-18.26), passt hier die Übersetzung „Den Schein der Frömmigkeit wahren sie…“. Als rechtgläubige Christen waren sie wirklich fromm, verbreiteten keine Irrlehrern. Nachdem sie sich aber den Irrlehren zugewandt haben und diese verbreiten, tun sie weiter so, als seien sie rechtgläubige Christen und würden sich entsprechend verhalten. Sie wahren also den Schein, aber tatsächlich sind sie zu Irrlehrern geworden, zu Prototypen der lasterhaften Menschen der Endzeit. Im Schein der Frömmigkeit liegt die Gefahr begründet, dass sich die Irrlehre weiter ausbreitet. Es ist nämlich so, dass sich viele Menschen vom Schein verführen lassen.
Weiterführende Literatur: Zur „eusebeia“ („Frömmigkeit“) als Beispiel für die Adaption, Transformation und Inkulturation hellenistisch-römischer Vorstellungen in den Pastoralbriefen siehe J. Herzer 2007, 309-329. Der Begriff werde in den Pastoralbriefen unterschiedlich verwendet und ein kohärentes „Konzept“ von „eusebeia“ sei nicht zu erweisen. Während er im 1 Tim eine deutliche Affinität zum römischen Pietas-Begriff im Sinne der Loyalität gegenüber gesellschaftlichen Strukturen und Gegebenheiten und einem entsprechend angemessenen Verhalten habe, umschreibe der Begriff im 2 Tim und im Tit die christologisch begründete Lebenshaltung.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: In V. 6 kommt „Paulus“ nun auf eine ganz besondere, zu den lasterhaften Menschen gehörende Gruppe zu sprechen. Diese Gruppe wird durch das charakterisiert, was sie macht. Das bedeutet, dass wir aus ihren Handlungen erschließen müssen, um was für eine Gruppe es sich handelt. Außerdem müssen wir den Zusammenhang berücksichtigen, in dem die Gruppe zur Sprache kommt. Da in 2 Tim 2,14 – 3,9 Irrlehrer im Fokus stehen, haben wir davon auszugehen, dass auch in 2,6 Irrlehrer gemeint sind. Ganz sachlich ausgedrückt machen die Irrlehrer Hausbesuche, wobei insbesondere oder ausschließlich Frauen – ob es sich um heidnische, jüdische oder christliche Frauen handelt, bleibt offen und scheint nebensächlich zu sein - die Zielgruppe sind. „Paulus“ drückt den Sachverhalt aber nicht ganz sachlich aus, sondern polemisch. Er stellt alles schlecht dar: Die Irrlehrer, die Hausbesuche machen, sind schlecht, die Zielgruppe ist schlecht und die Irrlehre ist auch schlecht. Die Irrlehrer, die von Haus zu Haus gehen, gehören ja zu den lasterhaften Menschen. Und die Frauen, die die Irrlehrer empfangen, sind schlecht, weil sie mit Sünden beladen und von mancherlei Begierden getrieben sind. Und die Irrlehre ist schlecht, weil sie nicht zur Erkenntnis der Wahrheit führt.
Die Schlechtigkeit wird durch die Wortwahl unterstrichen. Die Irrlehrer schleichen sich in die Häuser, als würden sie das ungebeten tun. Die Zielgruppe sind keine Frauen (gynaikes), sondern kleine (wohl im Hinblick auf mangelnde Reife) Frauen oder Weibspersonen (gynaikaria; beachte: Verkleinerungsform und Neutrum, was den verächtlichen Unterton deutlich macht). Und sie überzeugen diese Weibspersonen nicht, sondern sie fangen diese ein. Damit ähneln sie dem Teufel, der die Menschen mit einer Schlinge fängt (2,26). Allerdings wird bezüglich der Irrlehrer, die sich in die Häuser der Weibspersonen einschleichen, das Fangen mittels des Verbs „aichmalôtizein“ ausgedrückt, ein Verb, das sich gleichermaßen auf die Gefangennahme des Denkens und der Gesinnung (vgl. 2 Kor 10,5) und auf die Gefangennahme im Krieg (vgl. Lk 21,24) bezieht. Bezüglich des Teufels wird dagegen das Verb „zôgrein“ verwendet, das in Lk 5,10 im Hinblick auf das Fangen von Menschen für den christlichen Glauben verwendet wird. Hat die Verwendung zweier verschiedener Verben einen stilistischen Grund oder macht „Paulus“ damit einen feinen Unterschied zwischen den verschiedenen Arten des Fangens bzw. Gefangennehmens deutlich? Festzuhalten ist, dass beide Verben nicht grundsätzlich einen negativen Beiklang haben, sondern diesen erst im Zusammenhang bekommen. Es macht also einen Unterschied, ob jemand für den christlichen Glauben gefangen genommen wird oder für die Irrlehre.
Es wird nicht konkretisiert, mit welchen Sünden die Frauen beladen und von welchen Begierden sie getrieben sind. Angesichts des polemischen Charakters der Textpassage ist es müßig, die Sünden genauer bestimmen zu wollen. Es geht „Paulus“ nicht darum, den Lesern ein genaues Bild von den Frauen zu vermitteln, sondern sie als schlecht, als lasterhaft darzustellen. Sie gehören gemäß der Darstellung zu den lasterhaften Menschen, die die „letzten Tage“ prägen werden.
Bezüglich der Irrlehre fällt auf, dass der Aufwand und der Ertrag in keinem Verhältnis zueinander stehen. Der Lernaufwand ist groß, aber er führt nicht zu dem, was entscheidend ist: zur Erkenntnis der Wahrheit. Unter der „Wahrheit“ haben wir wohl den rechten christlichen Glaubensinhalt zu verstehen, der zum Heil führt. Die Irrlehre dagegen führt nur zu rauchenden Köpfen.
Dass die Irrlehre ins Verderben führt, kann man aus der Dringlichkeit, mit der „Paulus“ vor der Irrlehre warnt, schließen. Im 2 Tim liegt das Schwergewicht der Aussagen aber auf dem Heil, das die rechten Christen zu erwarten haben. Was die Irrlehrer und diejenigen erwartet, die den Irrlehren folgen, kommt kaum zur Sprache.
Weiterführende Literatur:
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: V. 8 bezieht sich vermutlich auf Ex 7,8-12. Dieser Text ist auf dem Hintergrund der Forderung zu verstehen, dass der Pharao das Volk Israel aus seinem Land ziehen lasse solle. Der Pharao aber verlangt ein Wunder, welches wohl die Richtigkeit des Glaubens der Israeliten beweisen soll. Daraufhin wirft Aaron auf Geheiß des Gottes JHWH seinen Stab hin vor den Pharao und der Stab verwandelt sich in eine Schlange. Da lässt der Pharao ägyptische Zauberer rufen, damit sie mit ihren Künsten auch solch ein Wunder vollbringen. Statt den Glauben der Israeliten für richtig zu halten und ihm zu folgen, werfen auch die ägyptischen Zauberer ihren Stab hin und es werden Schlangen daraus. Damit haben JHWH und die ägyptischen Zauberer ein gleiches Wunder getan und die ägyptischen Zauberer erscheinen ebenso wundermächtig wie JHWH. Nun verschlingt jedoch Aarons Stab, wohl in Gestalt einer Schlange, die Stäbe der ägyptischen Zauberer, auch diese wohl jeweils in Gestalt einer Schlange. Damit erweist sich der Gott JHWH stärker als die ägyptischen Zauberer. Deren Namen werden in Ex 7,8-12 nicht genannt. Vermutlich hat „Paulus“ die Namen Jannes und Jambres der jüdischen Überlieferung entnommen (vgl. als ältesten Beleg die Damaskusschrift aus Qumran 5,17-19, wo aber nur von „Jannes und seinem Bruder“ die Rede ist). Jannes und Jambres glauben nicht an die besondere Wirkmacht JHWHs, sondern versuchen es ihm mit ihren eigenen Künsten gleichzutun. Letztendlich erweisen sich ihre Künste aber der Wirkmacht JHWHs unterlegen. Jannes und Jambres sind in ihrem Denken bzw. in ihrer Gesinnung verdorben, weil sie nicht auf JHWH, sondern auf ihre Künste setzen. Die Irrlehrer setzen ebenfalls auf ihre Künste, wenn auch nicht auf Zauberkünste, sondern auf Denkkünste. Jannes und Jambres sind vermutlich nie Juden gewesen, haben also nie an den Gott JHWH geglaubt. Weil sie sich aber selbst angesichts des Wunders weigern, JHWH und seine Wirkmacht anzuerkennen, sind sie für den Glauben an JHWH untauglich. Die Irrlehrer dagegen haben – zumindest mehrheitlich – dem rechten christlichen Glauben bereits eine Zeit lang angehangen. Sie sind also im christlichen Glauben nicht völlig untauglich, aber sie sind in ihm nicht bewährt. Andernfalls wären sie nicht abgefallen und hätten sich nicht einer Irrlehre zugewandt. Das Adjektiv „adokimos“ kann gleichermaßen „untauglich“ oder „nicht bewährt“ bedeuten. Weil in 2 Tim 3,8 in erster Linie die Irrlehrer charakterisiert werden, passt hier die Übersetzung „nicht bewährt“ besser.
Einige lateinische und griechische Textzeugen lesen „Mambres“ statt „Jambres“. Der Name Mambres lässt an die hebräische Wurzel mrʼ denken, die „rebellieren“ bedeutet. Dem entspricht, dass der Name Jannes auf die hebräische Wurzel ʽnh zurückzuführen sein könnte, die möglicherweise im Sinne von „widersprechen“ oder „Zeugnis ablegen gegen“ verstanden ist, ganz allgemein aber „antworten“ bedeutet.
Weiterführende Literatur: Mit den vielfältigen Traditionen bezüglich der beiden Zauberer und Brüder Jannes und Jambres befasst sich A. Pietersma 1989, 383-395. Der älteste Beleg sei die Damaskusschrift (CD) aus Qumran 5,17-19. Die früheste Bezugnahme auf ein Buch über die beiden Brüder finde sich in den Schriften des Origenes. Ihre „Karriere“ hätten die beiden Brüder wohl im sozial-politischen Konflikt innerhalb des palästinischen Judentums des 2. (oder 1.) Jh. v. Chr. begonnen.
J. Tromp 2007, 211-226 geht den Fragen nach, wer Jannes und Jambres sind und weshalb sie in 2 Tim 3,1-9 eingefügt worden sind. Ergebnis: In 2 Tim 3,8-9 würden Jannes und Jambres als Beispiele der großen Torheit, den Weg der Wahrheit zu verlassen, dargestellt. In den Pastoralbriefen umfasse die „Wahrheit“ alles, was zur eschatologischen Rettung führt, einschließlich des anständigen christlichen Lebens. Wer Erkenntnis der Wahrheit erlangen will, müsse aufhören, ein weltliches Leben zu führen und sich aus der Schlinge des Teufels befreien. Der Sünde zu verfallen und den Weg des Heils zu verlassen, sei eine offensichtliche Torheit. Dass es dennoch dazu komme, was die angesprochenen Gemeindeglieder zweifellos mitbekämen, sei ein untrüglicher Hinweis darauf, dass das Ende der Welt nah ist und der Teufel seine Bemühungen verstärkt, so viele Menschen wie möglich vom Heil abzuhalten. Jannes und Jambres seien Beispiele für abtrünnige Menschen. Sie verließen die hebräische Gemeinschaft und widersetzten sich Mose bei dessen Auftrag, Israel aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien. Auch in der Damaskusschrift (CD 5,17-19) würden Jannes und sein Bruderr (Jambres) als Abtrünnige dargestellt. Auch ihr liege ein eschatologischer Zusammenhang zugrunde. Zudem werde auch in ihr angenommen, dass der Teufel hinter dem Verhalten von Jannes und Jambres steckt, und auch in ihr gehörten die Hörer und Leser Gemeinschaften mit starken Überzeugungen an, die von der Mehrheit der Gesellschaft nicht geteilt werden.
Zur Jannes-Jambres-Tradition in 2 Tim 3,8-9 und im Targum Pseudo-Jonathan zu Ex 1,15 und 7,11 siehe L. L. Grabbe 1979, 393-401. Beide Texte lägen mit den meisten Belegen der Tradition insofern auf einer Linie, als sie von der Machtlosigkeit der Zauberer ausgingen. Die Formen der Namen Jannes und Jambres im Targum Pseudo-Jonathan seien griechisch, bei semitischem Ursprung der Namen, und fänden sich ansonsten nur in späten rabbinischen Texten. Der Targum Pseudo-Jonathan sei vermutlich frühestens ins 7. Jh. n. Chr. zu datieren.
Zu 1 Tim 2,13-15 und 2 Tim 3,8 als atl. Anspielungen in Form einer Haggada siehe A. T. Hanson 1981, 207-210.
( Nach oben ) ( Literaturübersicht )
Beobachtungen: Die Formulierung „ou prokopsousin epi pleion“ ist wörtlich mit „sie werden nicht weiter voranschreiten“ oder „sie werden keine weiteren Fortschritte machen“ zu übersetzen. „Paulus“ geht also davon aus, dass die Irrlehrer bei der Verbreitung ihrer Irrlehre keine weiteren Fortschritte machen. Auch die Übersetzung „sie werden [damit] nicht weit kommen“ ist möglich. Sie hat den Vorteil, dass sie geläufigem Deutsch entspricht und somit leicht verständlich ist, Sie hat allerdings den Nachteil, dass offen bleibt, wie weit die Irrlehrer denn noch kommen. Dass sie überhaupt keine Fortschritte mehr machen, wird mit dieser Übersetzung nicht ausgesagt.
Warum die Irrlehrer keine weiteren Fortschritte machen, wird sogleich begründet: Ihr Unverstand wird allen offenbar werden. Bei dieser Annahme beruft sich „Paulus“ auf Jannes und Jambres, deren Unverstand ebenfalls allen offenbar wurde. Angesichts der Tatsache, dass sie immerhin in der Lage waren, Stäbe in Schlangen zu verwandeln, stellt sich die Frage, inwiefern sie unverständig waren. In ihren Zauberkünsten verstanden sie sich ja gut. Aber diese Zauberkünste sind für „Paulus“ kein Maßstab für Verstand. Und letztendlich waren die Zauberkünste der beiden ägyptischen Zauberer ja der Wirkmacht Gottes unterlegen. Für „Paulus“ ist der richtige Maßstab für Verstand, ob ein Mensch die „Wahrheit“ erkennt. Dazu waren die beiden ägyptischen Zauberer nicht in der Lage, und die Irrlehrer sind es auch nicht (mehr). Bei den beiden ägyptischen Zauberern wurde der Unverstand offenbar, als ihre beiden zur Schlange verwandelten Stäbe von Aarons zur Schlange verwandeltem Stab verschlungen wurden. JHWH hatte sich als wahrer Gott herausgestellt und die beiden ungläubigen Zauberer waren blamiert. „Paulus“ geht angesichts dieser Erzählung davon aus, dass es den gegenwärtigen Irrlehrern ähnlich ergehen wird. Auf welche Weise ihr Unverstand offenbar werden wird, lässt er aber offen.
Weiterführende Literatur:
Literaturübersicht
[ Hier geht es zur Übersicht der Zeitschriftenabkürzungen ]
Collins, Raymond F.; How Not to Behave in the Household of God, LS 35/1-2 (2011), 7-31
Grabbe, Lester L.; The Jannes/Jambres Tradition in Targum Pseudo-Jonathan and its Date, JBL 98 (1979), 393-401
Hanson, A. T.; The Use of the Old Testament in the Pastoral Epistles, IBS 3/4 (1981), 203-219
Herzer, Jens; "Das Geheimnis der Frömmigkeit" (1 Tim 3,16). Sprache und Stil der Pastoralbriefe im Kontext hellenistisch-römischer Popularphilosophie - eine methodische Problemanzeige, ThQ 187/4 (2007), 309-329
Pietersma, Albert; The Apocryphon of Jannes and Jambres, in: J. A. Emerton [ed.], Congress Volume (VT Suppl. 43), Leuven 1989, 383-395
Tiňo, J.; Opiera sa 2 Tim 3,8-9 o tradíciu spojenú s Ex 7,8-13?, StBS 3/1 (2011), 17-24
Tromp, Johannes; Jannes and Jambres (2 Timothy 3,8-9), in: A. Graupner, M. Wolter [Hrsg.], Moses in Biblical and Extra-Biblical Traditions (BZAW 372), Berlin - New York 2007, 211-226